Mentoring für den Karrieresprung Im Tandem erfolgreich
04.01.2008, 08:17 UhrVor rund zwei Jahren war in der Firma, in der Andreas Preuß als Bilanzbuchhalter arbeitete, alles im Umbruch: Das Unternehmen sollte verkauft werden, sein Vorgesetzter ging - und nun sollte der 34jährige dessen Stelle als Bereichsleiter übernehmen. Ein toller Karriereschritt, auf der einen Seite. Auf der anderen: Berufliches Neuland, in dem man sich erst einmal orientieren muss, aber als junge Führungskraft auch oft allein ist.
"Bis dahin waren meine Kollegen und ich gleichberechtigt gewesen", erzählt Andreas Preuß. Das änderte sich nun, und damit auch die Erwartungen an ihn. Neu war für ihn auch, weitreichendere Entscheidungen treffen und kommunizieren zu müssen.
In dieser Zeit erhielt Andreas Preuß die Möglichkeit, bei der Berliner Organisationsberatung p.i.t. an einem Mentoring-Programm teilzunehmen. Hier wollte er seine Fähigkeiten zur Führung und Kommunikation entwickeln und ausbauen. "Ich hoffte, dort jemanden kennen zu lernen, dem ich Fragen stellen konnte, die man seinem Vorgesetzten normalerweise nicht stellt", erinnert er sich.
Die Organisationsberatung p.i.t. unter dem Geschäftsleiter Peter Karg wendet sich vor allem an kleine und mittelständische Betriebe, die ihren jungen Nachwuchs gezielt fördern wollen. Neben Mentees für dieses Programm entsenden diese Unternehmen auch geeignete Mentoren: Menschen in gehobenen Positionen, die über längere Erfahrung in der Führung von Unternehmen verfügen.
Der Austausch mit einem solchen Mentor soll Frauen und Männern in Aufsteiger-Positionen helfen, einen genaueren Blick für die eigenen Schwächen und Stärken zu entwickeln und die nächsten Karriereschritte bewusster zu planen. Sie können von den Erfahrungen ihrer Mentoren profitieren und mit ihrer Unterstützung Zugang zu Netzwerken erhalten.
Soziales Lernen braucht Zeit
P.i.t. übernimmt die Aufgabe, Mentees und Mentoren in passende Zweierteams, so genannte "Tandems", zusammen zu bringen. "Wir fragen den jeweiligen Mentee: Wie muss ein Mentor sein, damit du von ihm lernen kannst?", so Peter Karg. Und auch der Mentor muss überlegen, welche Fähigkeiten und Erfahrungen er mitbringt, wie sein Arbeitsstil aussieht, wie er mit Konflikten umgeht oder welche Vorstellung von Führung er hat.
Kernstück des Mentorings ist das regelmäßige Gespräch zwischen Mentor und Mentee. Zusätzlich finden begleitende Trainings-Workshops statt, außerdem gibt es gibt einzelne Supervision der Tandems. Das Programm erstreckt sich über ein ganzes Jahr, denn Peter Karg ist überzeugt: "Soziales Lernen braucht Zeit." Man sehe schnell ein, was schlecht laufe, es sei aber wesentlich schwieriger, das dann auch umzusetzen. "Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht." So aber könne der Lernprozess auch Auswirkungen auf das Unternehmen haben.
Geschützter Raum
Der geschützte Raum des Mentorings gibt den Teilnehmenden die Chance, Erfahrungen auszutauschen und in einer Weise zu reflektieren, wie es vor Kollegen nicht möglich wäre. "Beim Mentoring geht es darum, ein ehrliches Feedback abseits von Hierarchien und anderen Machtstrukturen zu erhalten", erklärt Peter Karg. Dazu gehört auch, dass sich Mentor und Mentee zu Beginn vertraglich verpflichten, über den Inhalt ihrer Gespräche Stillschweigen zu bewahren.
Ines Peters wurde die Mentorin von Andreas Preuß. "Ich hatte den Wunsch, mein Wissen und meine Erfahrung weiter zu geben", sagt die Projektmanagerin und Mitgesellschafterin eines mittelständischen Unternehmens, "anders als manche Manager, die das als ‚Erfolgsgeheimnis' hüten. Beide berichten, dass sie von Anfang an auf gleicher Augenhöhe miteinander sprechen konnten. "Das war keine Lehrer-Schüler-Beziehung", so Andreas Preuß. "Ich habe ihr viele Fragen gestellt und ihr aber genauso auch Tipps geben können."
Zwar besuchten sich beide auch einmal gegenseitig in ihrem Unternehmen, um einen Eindruck vom Arbeitsplatz des jeweils anderen zu erhalten. Sie wollten es aber bewusst vermeiden, eine Hierarchie dadurch aufzubauen, dass der Mentee seine Mentorin regelmäßig in ihrem Büro aufsuchte. Statt dessen trafen sie sich in einem Restaurant. Dort sprachen sie erst eine halbe Stunde über ihn, dann eine halbe Stunde über sie.
Auf gleicher Augenhöhe
Denn auch Mentoren sollen bei der Unternehmensberatung p.i.t. Neues lernen. Für sie sei es oft schwieriger, sich auf diesen Prozess einzulassen, stellt Peter Karg fest. "Sie müssen normalerweise zeigen, das sie der Boss sind und Probleme lösen. Aber hier sollen sie stattdessen beraten und coachen." Peter Kargs Idee einer idealen Mentor-Mentee-Beziehung: "Wie kann ich lernen, was Du kannst, ohne so zu werden, wie Du bist?"
Auf diese Weise lernten Mentoren Entwicklungen an ihrer Unternehmensbasis kennen, die sie in ihrer Position normalerweise nicht ohne weiteres wahrnehmen würden: Neue Vorstellungen von Führung zum Beispiel oder von einer gesunden Balance zwischen Arbeit und Privatleben inklusive der Tatsache, dass es für junge, ehrgeizige Männer immer selbstverständlicher sei, in Elternzeit zu gehen. „Die Mentoren müssen den Kulturschock durch die jüngere Generation aushalten", so Peter Karg. Langfristig verändere sich dadurch auch ein Unternehmen.
Branchen übergreifendes Mentoring
Beim p.i.t.-Mentoring werden die Tandems werden bewusst so zusammengestellt, dass Mentor und Mentee aus unterschiedlichen Branchen stammen. So auch bei Ines Peters und Andreas Preuß: Sie arbeitet im EDV-Bereich, er ist im Immobiliensektor tätig. Darauf müssen sich die Partner erst einmal einstellen. Aber es lohnt sich, wie Peter Karg beobachtet: „Wenn sie miteinander über ihre Arbeit reden wollen, müssen sie viel stärker abstrahieren. Sie können sich also nicht auf den Austausch über Details aus ihren Produktionsabläufen zurückziehen."
Statt dessen konzentriert sich das Gespräch auf Führungsaufgaben und Fragen der Persönlichkeit. Hier machen die Teilnehmer schließlich in allen Wirtschaftsbereichen ähnliche Erfahrungen. Ines Peters ist froh, dass es für sie und ihren Mentoring-Partner keine Möglichkeit gab, sich in Fachsimpeleien zu flüchten. "Man kann es sich nicht leicht machen und dem anderen vorhalten, er hätte eh' keine Ahnung", sagt sie. "Schließlich ist man ja gerade zusammen gekommen, um Neues voneinander zu lernen."
Für Peter Karg gibt es für diese Entscheidung noch einen weiteren Grund: "Heute liegt die eigentliche Unternehmerkompetenz nicht mehr so sehr im Fachlichen, sondern im Sozialen." Trotz der unterschiedlichen Sprachen und Denkweisen entdecke man so die Gemeinsamkeiten in allen Bereichen des Führungsprozesses.
Erkenntnisse für beide Seiten
"Andreas Preuß hatte von Anfang an das richtige Potential", beschreibt Ines Peters ihren Eindruck von ihrem Mentee. Er sei an verschiedenen Stellen allerdings noch unsicher gewesen. "Diese Unsicherheit ist völlig gewichen. Er benutzt das Werkzeug seines Baukastens nun mit großer Virtuosität." Er selbst berichtet, dass er seine Kollegen nun viel stärker über den Hintergrund seiner Entscheidungen informiert, "sie fühlen sich dadurch integrierter." Außerdem nehme er sich selbst mehr zurück, wenn ein Kollege ihm von einem Problem in der Firma erzähle. "Ich muss das nicht immer selbst sofort lösen. In der Regel hat derjenige sich nämlich auch schon Gedanken darüber gemacht."
Doch nicht nur Andreas Preuß hat vom Mentoring profitiert. Auch seine Mentorin hat in diesem Jahr einiges über sich gelernt. Sie sage ihren Kollegen nun deutlicher als früher, was sie wolle und welche Anforderungen sie an sie stelle. "Als Frau versucht man zu oft, erst einmal zu interpretieren, was der andere wohl sagt und denkt." Das habe sich bei ihr geändert. "Ein spannender Erkenntnisprozess", stellt sie rückblickend fest.
Ines Peters und Andreas Preuß greifen übrigens heute noch regelmäßig zum Telefonhörer, um sich über ihre Arbeit auszutauschen. Andreas Preuß überlegt mittlerweile, ob er selbst nicht auch als Mentor tätig werden soll: "Ich würde gern jemandem die Angst vor der Führungsverantwortung nehmen und ihm meine Erfahrungen anbieten." Ines Peters dagegen wird nicht mehr als Mentorin arbeiten. Denn durch die Erfahrungen bei p.i.t hat sie nun zwei Ausschreibungen gewonnen - und erst mal keine Zeit mehr für dieses Engagement. Auch das ist ein Erfolg von Mentoring.
Quelle: ntv.de