Neustart für Altersvorsorge Ist das die neue Riester-Rente?
11.10.2023, 12:27 Uhr Artikel anhören
Nicht nur der Name soll sich ändern.
Lust auf Entbehrung im Alter hat eigentlich niemand. Dennoch hält sich das Interesse an der Riester-Rente in Grenzen. Das hat auch die Politik erkannt - nachdem Verbraucherschützer seit Jahren für eine Reform trommeln. Eine Expertenkommission möchte die Sache nun verbessern. Hier sind die Ergebnisse.
Die Riester-Rente ist seit mehr als 20 Jahren verfügbar, um die von der damaligen rot-grünen Bundesregierung beschlossene Senkung des gesetzlichen Rentenniveaus zu kompensieren. Doch das staatlich geförderte Vorsorgeprodukt stößt auf so einige Vorbehalte. Kritiker sehen und sahen darin eher eine Subventionierung der Banken- und Versicherungswirtschaft und eine De-facto-Rentenkürzung durch die Politik.
Abgesehen davon funktioniert die Riester-Rente für die wenigsten. Denn die entsprechenden Produkte kosten den Sparer zu viel an Provisionen und Verwaltung. Das schmälert die Rendite der Sparer und bereichert stattdessen Banken und Versicherungen. Zudem senkt auch die mangelnde Flexibilität der Produkte durch ein staatlich begrenztes Risiko die Renditemöglichkeiten.
Wenig verwunderlich greifen so auch weit weniger Bürger als beabsichtigt auf das Vorsorgeprodukt zurück. So ist die Zahl der staatlich geförderten Riester-Verträge laut aktuellen Zahlen im Jahr 2022 weiter gesunken. Der Bestand liegt damit erstmals seit 2012 unter 16 Millionen. Das geht aus einer Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zuvor. Der Anteil der ruhenden Verträge wird vom Ministerium auf gut ein Fünftel bis knapp ein Viertel geschätzt. Dabei tut eine zusätzliche private Altersvorsorge not, um später nicht zu darben.
Fokusgruppe private Altersvorsorge macht Vorschläge
Verbraucherschützer haben das Problem schon lange vor der Politik ausgemacht und trommeln seit Jahren für einen Neustart der privaten Altersvorsorge. Denn wenn Verbraucher ergänzend zur gesetzlichen Rente kapitalgedeckt sparen sollen, muss dafür gesorgt werden, dass jeder gesparte Euro effizient eingesetzt wird. Sie treten für die Einführung eines öffentlich organisierten Vorsorgeangebots ein.
Mit deutlicher Verspätung hat sich auch die aktuelle Bundesregierung des Themas angenommen. Und hatte zu diesem Zweck die "Fokusgruppe private Altersvorsorge" eingesetzt. Zu der gehörten unter anderem mehrere Ministerien, Verbraucherschützer sowie Wirtschaftsverbände und der Deutsche Gewerkschaftsbund.
Die Fokusgruppe liefert ein paar brauchbare Vorschläge, wie die staatlich geförderte private Altersvorsorge in Zukunft besser und sinnvoller gestaltet werden könnte. Ihr Hauptziel war es, ein einfaches, transparentes und effizientes Angebot zur Lebensstandardsicherung nach Renteneintritt für breite Bevölkerungsgruppen zu erschließen. Was nicht zuletzt durch eine Verbesserung der Produktqualität erzielt werden könnte.
Hier sind die wesentlichen Punkte:
- Es sollen chancenreichere Anlagen mit höheren Renditen ermöglicht werden. Dafür schlägt das Gremium ein förderfähiges Altersvorsorgedepot ohne Garantievorgaben vor, in dessen Rahmen Vorsorgende in Fonds und ETFs und andere geeignete realwertorientierte Anlageklassen investieren können. Mit Blick auf diejenigen, die einen hohen Wert auf Sicherheit legen, empfiehlt die Fokusgruppe mehrheitlich, dass auch weiterhin Produkte mit Garantien angeboten werden können. Das vor allem von Verbraucherschützern favorisierte Modell eines öffentlich verantworteten Fonds mit Abwahlmöglichkeit soll aber nicht weiter verfolgt werden.
- Kosten für die entsprechenden Produkte sollen sinken. Dafür empfiehlt die Fokusgruppe eine größere Standardisierung von Produktanforderungen und mehr Wettbewerb zwischen den Anbietern. Dies sollte beispielsweise durch einfache kostengünstige Wechselmöglichkeiten in der Anspar- sowie vor der Auszahlungsphase unterstützt werden. Die Ausgestaltung eines erweiterten Zertifizierungsverfahrens für die Zulassung aller privaten förderfähigen Altersvorsorgeprodukte (möglicherweise per Ausschreibung, ähnlich wie es in Schweden praktiziert wird) sollte ausgearbeitet und umgesetzt werden. Durch ein solches Verfahren könnte in transparenter Form sichergestellt werden, dass qualitative und quantitative Kriterien (unter anderem Risikodiversifikation, Kosten, Garantien) berücksichtigt werden.
- Die staatliche Förderung durch die Zahlung direkter Zulagen und ergänzende Steuervorteile soll im Wesentlichen erhalten bleiben, aber verbessert werden. Dazu gehören besser nachvollziehbare Zulageformen, eine vereinheitlichte Kinderzulage (300 Euro pro Kind - unabhängig vom Geburtsjahr), ein Ausbau des Berufseinsteigerbonus sowie eine Anpassung des Höchstbetrags, in dem der Sonderausgabenabzug auf vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung begrenzt wird.
- Die geförderte zusätzliche private Altersvorsorge soll perspektivisch allen Erwerbstätigen offenstehen. Die Ausweitung des förderberechtigten Personenkreises auf Selbstständige sollte daher spätestens erfolgen, sobald eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (mit Möglichkeit eines Opt-Out) für diese Gruppen besteht.
- In der Auszahlungsphase soll das Altersvorsorgevermögen flexibler verwendet werden können. Neben lebenslangen Leibrenten sollten künftig höhere Teilauszahlungen (bisher maximal 30 Prozent), Auszahlungspläne sowie Investitionen in eine selbst genutzte Immobilie möglich sein - Letzteres ist auch bisher schon unter Auflagen möglich. Zudem sollte die Möglichkeit des Einsatzes des gesamten privaten Altersvorsorgevermögens beispielsweise für die Verschiebung des Vollrentenbezugs der gesetzlichen Altersrente oder möglicherweise auch für den Erwerb von Entgeltpunkten in der gesetzlichen Rentenversicherung geprüft werden.
- Die Empfehlungen für die neue geförderte private Altersvorsorge sollen im Rahmen des rechtlich Möglichen auch für den aktuellen Riester-Bestand aufgenommen werden können, wobei bestehende Verträge nur im Konsens zwischen den Vertragspartnern geändert werden können. Sprich, sie sollen mit Zustimmung der Kunden auf das neue Konzept umgestellt werden können.
- Zu guter Letzt soll die Riester-Rente nicht mehr Riester-Rente heißen. Ein neuer Name für die Vorsorgeprodukte ist aber den Vorschlägen der Fokusgruppe nicht zu entnehmen.
Soweit die Vorschläge. Noch ist also nichts in trockenen Tüchern. Das Bundesfinanzministerium wird nun einen konkreten Reformvorschlag erarbeiten, der die Empfehlungen der Fokusgruppe berücksichtigt. Das Gesetzgebungsverfahren soll dann im Laufe des Jahres 2024 erfolgen.
Auch finanzielle Bildung muss forciert werden
Abgesehen davon erwähnt die Expertenkommission aber auch, dass geringe finanzielle Bildung und damit einhergehend fehlende Altersvorsorgeplanung in Deutschland ein Problem darstellt. Personen mit geringer finanzieller Bildung planen und sparen seltener für ihre Altersvorsorge. Da man mit der Altersvorsorge nicht früh genug beginnen kann, würde es wohl auch nichts schaden, bereits in jungen Jahren die finanzielle Bildung seiner Bürger zu fördern. Zum Beispiel bereits im Schulunterricht. Das hat die Fokusgruppe zwar so nicht explizit formuliert, etwaige Schulfächer dürften wohl aber dennoch helfen.
Vorläufige Bewertung: Die vorgeschlagenen Veränderungen für einfachere, kostengünstigere, flexiblere, transparentere und vor allem rentablere Vorsorgeprodukte ist zu begrüßen - aber längst überfällig. Auch die Erweiterung des Personenkreises, der Zugang zu einer staatlich geförderten privaten Altersvorsorge hat, könnte für den Einzelnen interessant sein.
Ungeachtet dessen würde es wohl auch nichts schaden, doch noch mal etwas mutiger den einen oder anderen grundsätzlichen Gedanken über die gesetzliche Rente zu verfolgen. Denn würde die für die Bürger üppiger ausfallen, könnten sich die genannten Überlegungen zur Riester-Rente erledigt haben.
Quelle: ntv.de