10 bis 20 Prozent erfolgreich Klagen gegen schlechte Noten
14.01.2010, 10:19 Uhr
Die Eltern sollten auch überlegen, ob eine Klage die Sache für ihr Kind nicht noch viel schlimmer macht.
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)
Die Halbjahreszeugnisse stehen Ende Januar, Anfang Februar an. Ob eine Vier, Fünf oder Sechs: Schulnoten sind ein häufiges Streitthema zwischen Eltern und Lehrern. Ist dann am Schuljahresende das eigene Kind auch noch versetzungsgefährdet - droht also das Sitzenbleiben - suchen viele Eltern das Gespräch mit der Schule. Manche ziehen sogar vor Gericht und nehmen jahrelange Verfahren in Kauf, obwohl ihre Chancen recht schlecht stehen. Lehrkräfte haben nämlich einen großen Beurteilungsspielraum. Dennoch können Eltern gegen die Zensuren ihrer Sprösslinge vorgehen. Gerichte nehmen allerdings keine Klagen an, wenn sich jemand gegen eine Drei in Mathe wehrt und stattdessen eine Zwei haben möchte.
Hohe Kosten
Günther Hoegg ist promovierter Jurist und Lehrer in Emden (Niedersachsen). Der Autor hat sich intensiv mit dem Schulrecht befasst und kommt zu dem Schluss: Lehrer genießen bei Verwaltungsgerichten einen Vertrauensvorschuss. "Von den eingereichten Klagen sind zwischen zehn und 20 Prozent erfolgreich, die meisten scheitern." Die Möglichkeiten, Noten gerichtlich ändern zu lassen, seien relativ begrenzt. Zudem ist so etwas immer mit Kosten verbunden. Hoegg empfiehlt daher das Gespräch, nicht die Klage.
"Halbjahreszeugnisse sind in der Regel reine Elterninformationen über den Zwischenstand", erklärt Kathrain Graubaum, Pressesprecherin des Kultusministeriums in Sachsen-Anhalt. "Noten in Jahreszeugnissen hingegen sind Grundlage der Versetzungsentscheidung." Erst die Versetzungsentscheidung ist ein sogenannter Verwaltungsakt.
Nur Jahreszeugnis anfechtbar
Einzelne Noten oder das Halbjahreszeugnis sind Hoegg zufolge keine Verwaltungsakte, weil die Entscheidung nicht "erheblich" ist. Damit können sie nicht gerichtlich angefochten werden, das Jahreszeugnis hingegen schon. Im Halbjahr ist also nur die Beschwerde bei der Schule möglich, am Schuljahresende eine Anfechtung über Widerspruch und Klage - allerdings nur, wenn der Schüler mit seinem Zeugnis nicht versetzt werden soll. Das Endzeugnis kann beispielsweise in Sachsen-Anhalt nach Graubaums Worten durch ein Widerspruchsverfahren und letztlich dann auch durch Klage vor dem Verwaltungsgericht angegriffen werden. "Dabei werden dann gegebenenfalls auch die Noten selbst überprüft."
Grundsätzlich ist es schwierig, gegen Schulnoten vorzugehen, sagt Gele Neubäcker aus München. Der Grund: Die Eltern seien beispielsweise in Bayern genau informiert über nahezu alle Zensuren, die ihre Kinder im Schuljahr bekommen, erklärt die Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft in Bayern. Sie müssten wissen, wie das Zeugnis aussieht. Dennoch sei es durchaus möglich, dass Eltern beim Zusammenrechnen der Noten zu anderen Ergebnissen kämen als Lehrer. Manchmal werden schriftliche Arbeiten zum Beispiel doppelt gezählt, sagt Neubäcker.
Transparente Noten
"Die Schule ist verpflichtet, transparent zu machen, wie eine Note zustande kommt", erklärt die Expertin. Bei Unverständnis rät sie daher zur Aussprache mit dem Lehrer. "Es gibt auch die Möglichkeit, dass er sich verrechnet hat." Kommen Eltern damit nicht weiter und sind sie immer noch unzufrieden, sollte die Schulleitung informiert werden. "Danach kann man sich im Extremfall an einen Anwalt wenden. Das sind aber ewig lange Prozesse", warnt Neubäcker.
Legen Eltern in Sachsen-Anhalt Widerspruch gegen das Jahreszeugnis ein, müssen sie sagen, welche Änderung sie anstreben. "Dazu muss man alle verfügbaren Nachweise erbringen, die eine objektive Prüfung ermöglichen und den Antrag begründen", erklärt Ministeriumssprecherin Graubaum. Generell sei die Notenvergabe eine besonders anspruchsvolle Aufgabe im Ermessen jedes Lehrers.
Rechte bei einzelnen Noten
Ist eine Note entscheidend für das Sitzenbleiben eines Schülers, kann diese gerichtlich überprüft werden, sagt der Jurist und Lehrer Günther Hoegg. Eltern müssen die fragliche Arbeit vorlegen. Die werde dann zunächst durch die Schule überprüft, später - wenn notwendig - durch die vorgesetzte Schulbehörde. Da die Gerichte nur den sogenannten äußeren Rahmen unter die Lupe nehmen, schauen sie sich zwar die Randbemerkungen des Lehrers auf der Arbeit an. Sie überprüfen aber nicht, was der Schüler inhaltlich falsch gemacht hat - die Richter rechnen also nicht die Matheaufgabe nach.
Quelle: ntv.de, dpa