Tenhagens Tipps Was tun, wenn die Kasse nicht zahlt?
12.07.2017, 12:16 Uhr
Die Kasse lehnt den Leistungsantrag ab? Dann muss der Arzt weitere medizinische Argumente liefern.
(Foto: imago/Westend61)
Wenn der Arzt eine Kur verschreibt, heißt das nicht, dass der Patient sie auch bekommt. Erst muss die Krankenkasse ihren Segen geben. Und das tut sie längst nicht immer. Finanztip-Chef Tenhagen erklärt, wie Versicherte reagieren können, wenn die Kasse sich querstellt.
n-tv.de: Welche Leistungen muss man bei den Krankenkassen überhaupt beantragen? Und wie macht man das?
Hermann-Josef Tenhagen: Eine ganze Reihe. Neben Kuren und Vorsorge geht es auch um Hilfsmittel wie Rollstühle oder Rollatoren. Hilfsmittel werden meist auch problemlos bewilligt. Bei Vorsorge und Reha gibt es aber relativ hohe Ablehnungsquoten. Die letzten Zahlen kommen aus dem Jahr 2015. Und da sind etwa eine Viertelmillion Anträge in diesem Bereich abgelehnt worden. Das ist sehr viel. Sonst liegt die Ablehnungsquote vielleicht bei5 Prozent und da sind es rund 20 Prozent. Wenn der Arzt also meint, eine Reha sei gesundheitlich sinnvoll, etwa nach einem Krankenhausaufenthalt oder wegen einer Chronik, sagt die Kasse womöglich: Das sehen wir nicht ein. Und da sollte man sich dann wehren.
Wie funktioniert denn so ein Antrag überhaupt?
Der Arzt schreibt auf, warum Sie zum Beispiel auf Kur fahren sollen. Anders als beim Heil- und Kostenplan geht es nicht um eine Kostenaufstellung, sondern um eine gesundheitliche Begründung. Und die schickt man dann an die Krankenkasse.
Und wie lange muss man dann auf eine Antwort warten?
Die Krankenkasse hat drei Wochen Zeit für ihre Antwort. Wenn sie in den drei Wochen nicht Nein gesagt hat, ist der Antrag genehmigt. Das kommt aber verhältnismäßig selten vor. Laut Statistik wurden nur ein Prozent der Fälle bewilligt, weil die Krankenkasse sich nicht gemeldet hat.
Und wenn die Krankenkasse Nein sagt?
Dann müssen Sie herausfinden, warum das so ist. Manchmal beruft sich die Kasse auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen. Dieses Gutachten können Sie anfordern. Das ist hilfreich, denn so erkennen Sie und Ihr Arzt, wo weitere Argumente nötig sind.
Als nächsten Schritt müssen Sie Widerspruch einlegen. Das geht ganz formlos: Einfach auf den Bescheid verweisen, das Aktenzeichen nennen und sagen, dass man widerspricht. Bei Finanztip haben wir dazu auch einen Musterbrief. Den Brief müssen Sie unterschreiben und am besten per Einschreiben abschicken. Dafür haben Sie 4 Wochen Zeit. Wenn Sie das im ersten Schreiben noch nicht gemacht haben, müssen Sie den Widerspruch begründen. Also mit dem Arzt Rücksprache halten, vielleicht noch ein paar Argumente nachlegen.
Wie sind die Erfolgsaussichten?
In über der Hälfte der Fälle wird dem Widerspruch stattgegeben und die Leistung gewährt. Man sollte also grundsätzlich widersprechen, weil die Krankenkassen in Fällen, in denen sie nicht so sicher sind, normalerweise erstmal ablehnen.
Wenn man weitere Beratung für die Formulierung des Widerspruchs braucht, kann man sich an Stellen wie die unabhängige Patientenberatung wenden. Auch bei den Verbraucherzentralen und Sozialverbänden kann man nachfragen, welche Möglichkeiten man hat und welche rechtlichen Argumente neben den gesundheitlichen eine Rolle spielen könnten.
Und was, wenn die Kasse weiter abblockt?
Dann geht der Fall automatisch an den sogenannten Widerspruchsausschuss. Der besteht aus Laien aus den Reihen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter. Der Ausschuss guckt sich die Fälle, in denen die Kassen hart geblieben sind, systematisch nochmal an. Die großen Kassen haben Tausende solcher Verfahren laufen. Wenn auch der Widerspruchsausschuss keine Zahlungspflicht sieht, bleibt noch der Weg zum Sozialgericht.
Das könnte aber teuer werden, oder?
Das Verfahren selbst kostet Sie nichts. Und ihre eigenen Anwaltskosten übernimmt die Krankenkasse auf jeden Fall selbst, auch wenn sie den Fall gewinnt. Es kann aber ganz sinnvoll sein, einen eigenen Anwalt hinzuzuziehen. Und dessen Honorar müssen Sie bezahlen, wenn Sie den Streit verlieren. Wenn man eine Rechtsschutzversicherung hat, die auch Sozialrecht bezahlt, ist die Klage auf jeden Fall einen Versuch wert.
Das Verfahren kann sich dann aber ganz schön in die Länge ziehen, oder?
Ja, wenn man den Klageweg beschreitet oder wenn der Fall zum Widerspruchsausschluss geht, kann das dauern. Nicht über Jahre, aber doch ziemlich lange. Wenn die Kasse dem Widerspruch stattgibt, ist die Sache nach ein paar Wochen durch.
Quelle: ntv.de