Ratgeber

So kommen Patienten zu ihrem Recht Wenn Ärzte Fehler machen

Wenn ein Handwerker pfuscht oder mal einen schlechten Tag hatte, lässt sich dies meist ohne größeren Flurschaden beheben. Was kaputt ist, wird im Zweifel weggeworfen und ersetzt. Bei Ärzten ist dies nicht so einfach. Manche Behandlungsfehler lassen sich nicht mehr ausbügeln.

Eine Checkliste soll Leichtsinnsfehler bei Operationen verhindern.

Eine Checkliste soll Leichtsinnsfehler bei Operationen verhindern.

(Foto: Martin Büdenbender, pixelio.de)

Klaus B. hat bei seinem Operationstermin Pech gehabt. Die Diagnose war schon schlimm genug: Bei ihm wurde Darmkrebs festgestellt. 50 Zentimeter seines Darms mit 23 Krebsgeschwüren wurden entfernt. Zwei Stunden dauerte die Operation. Wenige Tage später litt Klaus B. an großen Schmerzen im Bauchbereich.

Sein Bauch war hart und feuerrot. Penicillin und starke Schmerzmittel halfen nicht. Es dauerte 65 Tage bis die Ärzte die Ursache fanden. Erst ein Röntgenbild brachte ans Tageslicht, was bei der Operation schief gegangen ist. Die Ärzte hatten ein 30 Zentimeter langes Metallteil vergessen. Der Spatel wurde bei der Operation verwendet und verblieb fälschlicherweise in Bauch von Klaus B.

Die skurrile Geschichte verschaffte Klaus B. zwar für kurze Zeit die Aufmerksamkeit der Presse. Ein Trost für die erlittenen Schmerzen und die Todesgefahr, in der er schwebte, ist das aber nicht. Das Schicksal des Klaus B. ist kein Einzelfall. Fehler während einer Operation oder Behandlung kosten rund 500 Menschen pro Jahr das Leben. Das zumindest sind die bekannten Zahlen. Studien aus den USA und Kanada, die eine vergleichbare medizinische Versorgung wie Deutschland haben, deuten darauf hin, dass die Zahlen um ein Vielfaches höher sein könnten. Die Anzahl der Klagen gegen Ärzte nimmt daher von Jahr zu Jahr zu.

Gesetz soll geändert werden

Es besteht Handlungsbedarf. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt, der noch im Herbst ein neues Gesetz verabschieden will, um die Rechte der Patienten zu stärken. Ziel ist es, bei offensichtlichen Behandlungsfehlern die Beweislast umzukehren. Der Patient müsste dann nicht mehr nachweisen, dass seine Probleme vom Behandlungsfehler verusacht sind. Außerdem sollen auch Strategien entwickelt werden, um Behandlungsfehler zu vermeiden, denn auch die Ärzte leiden psychisch darunter, wenn sie für Leiden verantwortlich sind.

(Foto: Gabi Schoenemann, pixelio.de)

Fast kein Arzt beendet die Karriere mit medizinisch weißer Weste. Das ist das Ergebnis einer Studie aus den USA und Kanada. 92 Prozent von 3000 befragten Medizinern gaben demzufolge an, dass ihnen bereits ein Behandlungsfehler unterlaufen sei. Über die Hälfte davon berichten über einen Fehler mit schwerwiegenden Folgen. Wiederum zwei Drittel davon leben in der ständigen Angst, dass ihnen wieder ein Fehler unterläuft. Auch Schlaflosigkeit ist häufig mit im Spiel.

Doppelte Überwachung

Checklisten mit teils trivial klingenden Abfragen sollen die Fehlerquote verringern. So werden beispielsweise die zur Verfügung gestellten Blutkonserven und die Identität des Patienten geprüft. Auch vor und nach der Operation kommen Prüflisten zum Einsatz. Es wird auch dokumentiert, wer für was verantwortlich ist.

An der Uniklinik Frankfurt werden diese Checklisten schon eingesetzt. Außerdem setzt die Uniklinik auf eine vernetzte OP-Monitoranlage, mit der alle laufenden Operationen zentral überwacht werden können. Die Daten werden von einem erfahrenen Oberarzt kontrolliert und in der Patientenakte gespeichert, damit sie auch für die weiterführende Behandlung zur Verfügung stehen.

Allein die Anwendung der Checklisten soll deutliche Vorteile bringen. Die Vorläufer der Prüflisten sind von der World Health Organisation in Zusammenarbeit mit internationalen Kliniken entwickelt worden. Tests haben ergeben, dass mit dem Verfahren die Rate von Komplikationen um 38 Prozent gesenkt werden konnte. Die Todesfälle sind sogar um fast die Hälfte zurückgegangen.

Rechtzeitig Protokoll erstellen

Den betroffenen Patienten hilft dies allerdings nichts. Der Patientenschutz e.V. rät dennoch dazu, erst den Klageweg zu beschreiten, wenn eine außergerichtliche Einigung nicht möglich ist. Da die Beweislast bislang zunächst noch beim Patienten liegt, sollte dieser so früh wie möglich mit dem Sammeln von Unterlagen und dem so genannten "Gedächtnisprotokoll" beginnen. Hier sollte so detailliert wie möglich aufgeschrieben werden, wann welche Ärzte besucht wurden, wie Untersuchungen und Gespräche verlaufen sind und zu welcher Behandlungsempfehlung beziehungsweise Behandlung es kam. Patienten haben zudem das Recht, eine Kopie ihrer kompletten Krankenakte zu fordern. Die Kosten für die Kopien sind vom Patienten zu tragen.

Wer meint, falsch behandelt worden zu sein, sollte sich zügig um etwaige Schmerzensgeldansprüche kümmern. Seit 2002 verjähren Arzthaftungsansprüche nach drei Jahren ab Kenntnis des Behandlungsfehlers. Die Frist beginnt immer zum Jahresende zu laufen. In jedem Fall sollte man sich von einem auf Arzthaftungsrecht spezialisierten Anwalt vertreten lassen, wenn man den Klageweg beschreitet. Die Anwaltskosten trägt zunächst der Patient. Besteht eine Rechtsschutzversicherung, sollte man klären, welche Kosten diese übernimmt.

Kostenfreie Gutachten möglich

Mit den gesammelten Beweisen sollte man ein Gutachten über den möglichen Behandlungsfehler erstellen lassen. Für gesetzlich Versicherte gibt es kostenlose Gutachten bei den Krankenkassen. Bei Privatpatienten können sie über die Schlichtungsstellen der Landesärztekammern abgewickelt werden. Für Verbraucherschützer ist diese Möglichkeit aber nur zweite Wahl, denn die Verfahren dauern lange und jedes zweite Gutachten fällt nicht im Interesse des Patienten aus.

Patientenverbände raten daher, die Hilfe eines Fachanwalts für Medizinrecht in Anspruch zu nehmen. Das würde die Chancen, einen Schmerzensgeldprozess im Sinne des Patienten zu entscheiden, deutlich erhöhen.

Quelle: ntv.de

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