Fußball

Gegen Mbappé "supergut" "Diener" Kimmich löst langes DFB-Problem

Machte seine Sache gut: Joshua Kimmich.

Machte seine Sache gut: Joshua Kimmich.

(Foto: picture alliance/dpa/Revierfoto)

Lange sucht das DFB-Team nach starken Außenverteidigern. Mit Joshua Kimmich scheint das Problem gelöst. Gegen Frankreich überzeugt er bei einer schweren Aufgabe. Bundestrainer Julian Nagelsmann ist zufrieden.

Es gibt eine Sache, sagt Bundestrainer Julian Nagelsmann, die störe Joshua Kimmich "ein bisschen". Denn es hält sich wacker die Überzeugung, der 29-Jährige würde lieber auf einer anderen Position spielen, nicht als Rechtsverteidiger. Nagelsmann versucht das im überfüllten Pressesaal des DFB-Campus zu widerlegen: "Generell ist er da extrem offen." Bedeutender als die Postion sei ihm etwas anderes, versichert er. Nämlich, dass Kimmich spielt und der Mannschaft helfen kann. "Das macht er inhaltlich wie auch mentalitätsmäßig."

Was der Bundestrainer meint, zeigte sich an einem frühlingshaften Samstagabend in Lyon. Kimmich verteidigte seine rechte Seite gegen Frankreichs Kylian Mbappé. Keine einfache Aufgabe, denn der 25-Jährige ist einer, wenn nicht sogar der beste Flügelstürmer der Welt. "Supergut" habe Kimmich das gelöst, sagt Nagelsmann. Denn: Kimmich hat eigentlich deutliche Temponachteile, glich diese aber mit Einsatz und seiner Spielintelligenz aus.

Es ist nicht selbstverständlich, dass Kimmich seine Versetzung so gut aufnimmt. Eigentlich gehört er ins Zentrum, dort ist er hingewechselt, nachdem er seine DFB-Karriere als Rechtsverteidiger begonnen hatte. Spätestens mit der Rückkehr von Rio-Weltmeister Toni Kroos ist für ihn in der Mitte kein Platz mehr, Nagelsmann erklärte vor Wochen: Kimmich hätte ohnehin auf die rechte Seite ausweichen müssen. "Bei der Nationalmannschaft muss man sich unterordnen. Da ist man ein Diener für sein Land. Kimmich ist das."

Manchmal auf die Nerven

Über die Jahre hatte Kimmich dem DFB-Team vor allem in der Mitte gedient. Dort war er gemeinsam mit seinem Bayern-Kollegen Leon Goretzka das wichtige Duo in der Schaltzentrale. Doch mit dem frühen Ausscheiden bei der WM in Katar 2022 wuchsen die Zweifel an den beiden. Sie wurden in der Folge heftig kritisiert, Kimmich hatte Angst, nach dem Turnier in ein Loch zu fallen.

Denn Kimmich ist für seinen Ehrgeiz bekannt. In der Nationalelf mache ihn das zu einem sehr wichtigen Spieler, sagt Nagelsmann. "Weil er viel von dem verkörpert, was man manchmal bei jungen Spielern, die neu zu den Profis kommen, vermisst", führt der Bundestrainer aus. Es geht um "das unbedingte Gewinnenwollen in jeder Situation". Damit gehe er manchmal auf die Nerven, sagt Nagelsmann. Aber diese Art sei "sehr wertvoll und auch ansteckend für alle".

Der Bundestrainer nennt auch ein Beispiel: den Schlusspfiff nach dem 2:0-Erfolg über Frankreich. "Wie Josh auf dem Feld steht, beide Arme nach vorne gestreckt und extrem laut geschrien hat", sagt Nagelsmann. "Wenn man nur dieses Bild sieht, würde man nicht denken, dass es ein Testspiel war." Doch: "Genauso ist er halt: sehr echt und verstellt sich nicht." Eben extrem ehrgeizig.

Schwierigkeiten beim FC Bayern

Dass Kimmich seinen Platz im Zentrum nicht behaupten konnte, hat auch mit den vergangenen anderthalb Jahre beim FC Bayern zu tun. Die Entlassung von Nagelsmann im vergangenen März nahm ihn mit, er sprach von "wenig Liebe, wenig Herz" im Fußballgeschäft. Sportlich setzte der Rekordmeister auch mit Trainer Thomas Tuchel seine Krise fort. Mittlerweile droht die erste verpasste Meisterschaft seit elf Jahren. Der Rückstand auf Leverkusen beträgt schon zehn Punkte, im Pokal scheiterten sie schon in der zweiten Runde gegen den späteren Halbfinalisten 1. FC Saarbrücken.

Doch es ist nicht nur das. Die aktuelle Saison begann damit, dass sich Trainer Tuchel öffentlich eine richtige "Holding Six", also einen defensiven Sechser, wünschte. Kimmich entgegnete, dass er das doch eben sei. Tuchel stellte sein Werben dennoch nicht ein, der Führungsspieler Kimmich war damit öffentlich angezweifelt. Es zieht sich in der Spielzeit weiter durch: Bisweilen wurde Kimmich ungewohnt früh ausgewechselt oder spielte gar nicht erst. Bei der 2:3-Niederlage in Bochum gipfelte es in einer Rangelei mit Co-Trainer Zsolt Löw.

Später dann die nächste Tuchel-Entscheidung, die als Rückschlag aufgenommen wurde: Der FC Bayern entschied, die Zusammenarbeit mit dem Trainer zum Saisonende zu beenden. Der wiederum kündigte an, in seinen Aufstellungen nun rücksichtsloser sein zu können. Was bedeutete das? Kimmich rutschte prompt nach hinten rechts. Anfangs war die Maßnahme noch der Personalnot geschuldet, später blieb er dort. Und mittlerweile kommt ihm das sogar zugute.

Das ständige DFB-Problem

Denn auf seiner neuen alten Position macht Kimmich seine Sache regelmäßig sehr gut - eben weil er sich beim FC Bayern einspielen konnte. Ex-Mittelfeld-Kollege Goretzka überhäufte ihn vor der Länderspielpause mit Lob: Er kenne keinen Rechtsverteidiger auf der Welt, der so viel Einfluss auf das Spiel haben kann. Gegen Frankreich wurde das auch deutlich. Kimmich kochte nicht nur defensiv, sondern auch offensiv: Immer wieder spielte er seine gefährlichen Chipbälle oder setzte Jamal Musiala in Szene.

Damit könnte beim DFB-Team ein Problem von der Liste gestrichen werden, das die Nationalelf schon lange umtreibt: die Außenverteidiger. Lange hieß es, der deutsche Fußball sei an dieser Stelle auf verlorenem Posten. Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick probierte auf der Position wild herum, zahlreiche Kandidaten spielten an den beiden Enden der Abwehrkette vor. Doch nachhaltig überzeugt hatte keiner. Nagelsmann selbst war offenbar wenig angetan und testete sogar die Angreifer Kai Havertz und Leroy Sané als Schienenspieler aus.

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Mittlerweile ist das Bild ein anderes: Denn auch auf der anderen Seite scheint das Thema abgeräumt zu sein - mit DFB-Debütant Maximilian Mittelstädt. In Lyon konnte man ihm beim Hineinwachsen in die neue Aufgabe zusehen. Für seine Abgeklärtheit hob Rückkehrer Kroos ihn nach der Partie hervor. Während Mittelstädt anfangs noch seine Probleme mit Weltklassedribbler Ousmane Dembélé hatte, änderte sich das im Spielverlauf.

Und Kimmich? Dass ein Ex-Außenverteidiger beim DFB-Team wieder auf seine alte Position zurückmusste, das gab es schon einmal. Bei der WM 2014 rückte Kapitän Philipp Lahm noch im knappen Achtelfinale gegen Algerien aus dem defensiven Mittelfeld wieder nach hinten rechts. Doch seit seinem Karriereende liegt die Position mehr oder weniger brach - außer Kimmich bekleidete sie bei der EM 2016 und der WM 2018 und eben der EM 2024.

Quelle: ntv.de

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