
Der verdiente Sieg in Frankreich beflügelt die deutschen Fußballer. Bundestrainer Julian Nagelsmann sieht sich darin bestätigt, im Kader klare Rollen zu verteilen und an diesen festzuhalten. Das sind gute Nachrichten für die, die in Lyon auf dem Platz standen - und schlecht für alle anderen.
Knapp drei Monate vor dem Auftaktspiel in die Heim-Europameisterschaft entwickelt sich rund um die deutsche Nationalmannschaft etwas lange Vermisstes: Aufbruchstimmung, ja fast schon Euphorie. Der verdiente 2:0 (1:0)-Erfolg bei Vizeweltmeister Frankreich beflügelt all jene, die nach drei enttäuschenden Turnieren davon träumen, dass die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes in diesem Sommer tatsächlich ein Wörtchen mitredet, wenn der EM-Titel vergeben wird. Bundestrainer Julian Nagelsmann bestätigt der Auftritt in Lyon außerdem darin, an seinen jüngst verteilten Rollen im DFB-Kader festzuhalten.
"Wir werden diese Idee durchziehen", sagte Nagelsmann nach dem Erfolg im Klassiker und erklärte zugleich, am Dienstag gegen die Niederlande (20.45 Uhr/RTL und im Liveticker bei ntv.de) auf eine sehr ähnliche Startelf zu setzen. Für die Partie in Frankfurt ist demnach "nicht geplant, dass wir sechs-, siebenmal ändern" - zumal das Aufeinandertreffen mit Oranje auch das letzte Spiel vor der Kader-Nominierung für die EM ist. Ende Mai muss Nagelsmann seine 23 Kicker benennen, die finalen Testspiele gegen die Ukraine (3. Juni) und Griechenland (7. Juni) finden erst danach statt.
Die kurze Regenerationszeit - zwischen dem Anpfiff am Samstagabend in Lyon und dem Anpfiff am Dienstagabend in Frankfurt liegen weniger als 72 Stunden - sei kein Hindernis dafür, dass die Mannschaft sich einspiele. Die Spieler seien den Rhythmus aus den Vereinen gewöhnt, sagte Nagelsmann. Zwar wolle er abwarten, wie Blitz-Torschütze Florian Wirtz, der überragende Rückkehrer Toni Kroos & Co. auf die Belastung "reagieren". Übermäßige Erschöpfung oder gar gesundheitliche Probleme waren nach dem Erfolg in Frankreich zumindest von außen jedoch nicht festzustellen. Auch wenn Mittelfeld-Abräumer Robert Andrich freimütig konstatierte, "ganz schön im Arsch" zu sein.
All das spielt nicht nur Nagelsmann Idee eines fixen Kerns in die Karten, sondern auch denen, die in dieser Länderspielpause nominiert worden sind. Kroos etwa hat gleich mit seinen ersten Ballkontakten und der daraus resultierenden Führung durch Wirtz unterstrichen, warum sein DFB-Comeback eine ziemlich gute Sache werden könnte. "Toni Kroos war unfassbar. Er war Taktgeber, hat unglaublich viel gearbeitet. Er gibt den anderen Spielern so viel Sicherheit", lobte Nagelsmann. Torschütze Wirtz und 2:0-Vorbereiter Jamal Musiala verdeutlichten, warum sie vor allem in dieser Form in Leverkusen und München längst unersetzlich sind, auch Kai Havertz empfahl sich für weitere Einsätze in der Sturmspitze.
Leistungsträger von Lyon als Gerüst für EM-Auftakt in München?
Allem Anschein funktioniert sogar der Umkehrschluss: Wer in Lyon nicht dabei war, hat es sehr schwer, bei der EM auf dem Platz zu stehen. Und in der Tat: Sollte auf den starken Auftritt gegen Frankreich in ähnlicher Besetzung eine ähnlich überzeugende Leistung gegen die Niederlande, könnten die besten Plätze für das Heimturnier schon vergeben sein. Der spät eingewechselte Niclas Füllkrug sagte auf die Frage, ob er denn gegen Oranje in der Startelf stehe: "Der Bundestrainer hat sich klar geäußert." Damit meinte er offensichtlich, dass er auch in Frankfurt zum Anpfiff auf der Bank sitzt. Seine Unzufriedenheit über den Platz in der zweiten Reihe war ihm anzumerken.
Noch schlechter stehen indes die Chancen seiner gar nicht erst nominierten Teamkollegen bei Borussia Dortmund. Für Mats Hummels, Nico Schlotterbeck & Co. scheint der Weg zurück deutlich länger geworden sein. Auch der nach seiner Roten Karte gegen Österreich für drei Spiele gesperrte und damit erst im letzten Test wieder verfügbare Leroy Sané muss sich vermutlich neu empfehlen, ebenso Leon Goretzka, dem Nagelsmann diesmal die Bayern-Entdeckung Aleksandar Pavlovic vorgezogen hatte.
"Wir wollten Lebensfreude versprühen, das haben wir getan", sagte Nagelsmann nach den vielversprechendsten 90 Minuten der jüngeren Vergangenheit. In der Pressekonferenz betonte er zudem noch einmal seine Herangehensweise an die Kader-Bastelei: "Wir haben die Rollengespräche geführt mit einer gewissen Idee, dann müssen wir sie auch durchführen." Wenn auch Nagelsmann stets betont, starke Leistungen im Verein seien die grundlegende Voraussetzung, für Deutschland aufzulaufen: Wer jemanden aus dem Kader verdrängen will, muss sich mutmaßlich deutlich und nicht nur in einzelnen Spielen hervortun.
Es deutet also vieles darauf hin, dass die Leistungsträger von Lyon auch am 14. Juni in München auflaufen sollen, wenn die DFB-Elf gegen Schottland ins Turnier startet. Insbesondere dann, wenn es am Dienstag gegen die Niederlande gelingt, "diese Spiel zu bestätigen", wie Nagelsmann festhielt. Und ergänzte: "Losgelöst vom Ergebnis geht es dabei um die Art und Weise." Denn vor allem aus dem "Wie" dieses Erfolgs über den Vizweltmeister scheint sich die langersehnte Aufbruchstimmung zu speisen.
Quelle: ntv.de