Lehren des 7. Bundesliga-Spieltags Normalo-Bayern plagt "Leistungsmigräne"
17.10.2016, 14:30 Uhr
Gehörig unter Druck: Der FC Bayern gegen Frankfurt.
(Foto: imago/MIS)
Wieder kein Bayern-Sieg, nicht mal in Überzahl in Frankfurt: Das lässt beim Boss die Zornesader schwellen. Der Konkurrenz beweist es: Es geht wieder was. Die Liga ist ausgeglichen wie lange nicht, obwohl RB Leipzig immer einmaliger wird.
Die Bayern sind nur noch Normalo-Helden
Bei Achilles war es die Ferse. Siegfried wurde ein Lindenblatt zum Verhängnis. Superman wird durch Kryptonite zum Mickerling. Brad Pitt kifft angeblich zu viel und Kommissar Rex lässt sich mit einer Wurst bestechen. Oder zwei. Jeder Held hat Schwachstellen. Nur bei den Superhelden-Bayern suchten die Bundesliga-Widersacher in den vergangenen Spielzeiten vergeblich nach Lücken in der Taktikrüstung, die der Trainer-Wahnsinnige Pep Guardiola den Münchnern als Folge seines Kontrollzwangs aufgenötigt hatte. Auftritt Eintracht Frankfurt. Die Hessen vollendeten ausgerechnet bei der Weltpremiere der laut Sky bestmöglichen Abwehr mit Neuer-Lahm-Hummels-Boateng-Alaba das Entzauberungswerk, das der FC Ingolstadt und der 1. FC Köln begonnen hatten. Sie bewiesen der Liga mit ihrem hochverdienten Remis: Gegen den FC Bayern geht wieder was. Wie viel, das überraschte selbst die Eintracht. Die hatte gegen die Bayern seit April 2011 kein Tor mehr erzielt, traf diesmal sogar in Unterzahl und durfte angesichts einer unverhofften Chancenfülle sogar mit dem verpassten Sieg hadern. "Frankfurt hatte ja teilweise das Heft des Handelns in die Hand genommen", analysierte ein angeknockter Thomas Müller selbstkritisch nach dem dritten sieglosen Pflichtspiel in Folge: "Das ist man als Bayern-Spieler nicht gewohnt und daran will man sich auch nicht gewöhnen." Allerdings deutet einiges darauf hin, dass sich Müllers Münchner lieber daran gewöhnen sollten. Denn Ingolstadt, Köln und nun Frankfurt haben nach Jahren der gegnerischen Kapitulation vor dem Anpfiff gezeigt, dass es gegen die Bayern wieder etwas zu holen ist - und es dafür gar nicht viel braucht. Eigentlich reicht: Mut.
Die Bayern sehnen sich nach Guardiola
Karl-Heinz Rummenigge vermisste im Bayern-Spiel irgendwie alles, er grätschte nach Spielende verbal durch die Frankfurter Mixed Zone. n-tv Experte Uli Stein vermisste eine Handschrift von Trainer Carlo Ancelotti, der nach dem Münchner Rekordstart noch als der bessere Guardiola gefeiert worden war. Was Mats Hummels vermisste, blieb unklar. Er sprach, ganz selbst ernannter Presseprofi, nur nebulös von "einigen Gründen". Bayern-Kapitän Philipp Lahm vermisste derweil ganz konkret die richtige Einstellung, die schon bei der Pleite gegen Atlético Madrid mit Abwesenheit geglänzt hatte, und lag damit auf einer Linie mit seinem Trainer. Von daher war die Diagnose "Leistungsmigräne" ganz treffend, die der Bezahlsender Sky angesichts der Münchner Krise stellte. Denn bei den Bayern hakt es im Kopf und das bereitet den Münchnern Kopfzerbrechen. Der Wechsel vom Zwangsneurotiker Pep Guardiola zum väterlichen Carlo Ancelotti ist den Stars offenbar nicht so gut bekommen wie erhofft. Zumal Rummenigge plötzlich nicht nur die nicht schwachen Ergebnisse stören, sondern auch die Art des Auftretens: "Das Entscheidende ist die Qualität des Spiels." Er vermisst wie die Kicker Spielfreude, die typische Bayern-Dominanz, Kontrolle. Man könnte auch sagen: Sie vermissen Pep Guardiola.
Dummheit kann höllisch schmerzen
Unter der Woche tröpfelte eine gute Nachricht über den Ticker: Augsburgs Dominik Kohr hat die Operation wegen eines Weichteiltraumas mit offener Wunde am Unterschenkel nach dem Horrorfoul des Mainzer "Arschlochs" José Rodriguez gut überstanden. Das Schalker Gastspiel bei den bayerischen Schwaben bewies dann allerdings am Samstag: Beendet ist das Bundesliga-Kapitel "Brutola-Fouls in Augsburg" noch nicht. Diesmal traf es allerdings keinen Augsburger, sondern der Augsburger Kostas Stafylidis traf den Schalker Breel Embolo. Diagnose: komplizierte Fraktur des linken Sprunggelenks, Wadenbeinbruch, Riss von Syndesmose und Innenband. Alles so schwerwiegend, dass Embolo mindestens vier Monate ausfällt und ein "Fadenankersystem" zur Behandlung eingesetzt werden musste. FCA-Coach Dirk Schuster ersetzte die obligatorischen Samthandschuhe durch Boxhandschuhe, als er über das fatale Foul seines eigenen Profis sprach. Fazit: "Es war natürlich dämlich." Sein Vorgänger Markus Weinzierl, der mit Schalke wegen Embolos Verletzung und des 1:1-Endstands eine unerfreuliche Rückkehr nach Augsburg erlebte, sagte: "Absicht unterstelle ich ihm nicht, aber Dummheit." Eine Dummheit, die Embolo und Schalke höllisch schmerzte.
RB Leipzig wird immer einmaliger
Gegen den VfL Wolfsburg punktet zwar im Moment jeder in der Fußball-Bundesliga. Dennoch: Der Leipziger 1:0-Sieg in der Autostadt verdient Respekt. Deshalb, weil der Dosenklub damit den Aufsteiger-Startrekord auf nun sieben ungeschlagene Spiele ausbaute und sich mit 15 Punkten im oberen Tabellendrittel eingerichtet hat. Und deshalb, weil er sogar noch verdienter war als das Frankfurter Remis. "Die Mannschaft, die heute das Spiel mehr gewinnen wollte, das waren auf alle Fälle wir", sagte RB-Trainer Ralph Hasenhüttl, dessen Team sich neben seinem Startrekord noch auf andere Weise in den Rekordbüchern verewigte. Denn bevor Emil Forsberg das 1:0 erzielte, verschoss er in der 17. Minute einen Foulelfmeter, es war der fünfte vergebene Strafstoß an diesem Spieltag, Historiker rufen da laut "Rekord!". Einmalig ist der Rekord-Aufsteiger seit Samstagnachmittag noch in anderer Hinsicht: RB ist nach dem Sturz des FC Ingolstadt über den 1. FC Köln (plus Schiedsrichter) ans Tabellenende die einzige aktuelle Bundesliga-Mannschaft, die noch nie auf Rang 18 stand. Von den insgesamt 55 Vereinen, die bislang in der Bundesliga spielten, kann das ansonsten überhaupt nur noch Preußen Münster von sich behaupten. Die allerdings sind aktuell Drittligist – und nicht Dritter der Bundesliga.
Es ist wieder spannend – und bleibt es auch
Vier mickrige Punkte liegen nach sieben Spieltagen zwischen Platz 1 und Platz 6. Das ist für Bundesliga-Verhältnisse eine geradezu unerhörte Leistungsdichte. Neben dem achten Fußball-Weltwunder, dass FC Bayern und Borussia Dortmund an zwei aufeinanderfolgenden Liga-Spieltagen beide nicht gewonnen haben, hat dazu ein weiterer Zuckerbissen für Statistikfreunde beigetragen. Denn die sechs Bundesliga-Teams, die in den vergangenen sechs Spielzeiten die Champions-League-Plätze untereinander aufgeteilt hatten, holten diesmal null Siege. Richtig gelesen: null. Borussia Dortmund quälte sich gegen Hertha zum Remis, Bayern ließ sich von Frankfurt quälen. Schalke verhalf in Augsburg dank Nabil Bentaleb zwar dem Hawk-Eye zur gelungenen Tortechnik-Premiere, sich selbst aber nicht zum Sieg. Gladbach vergeigte gegen den Hamburger SV zwei Elfmeter und eine gut 70-minütige Überzahl, weshalb HSV-Coach Markus Gisdol künftig nicht nur als Double für Brigitte Nielsen infrage kommt, sondern auch für die Grinsekatze. Wolfsburg entliebte sich gegen Leipzig weiter von Coach Dieter Hecking und Leverkusen stand freundlich Spalier beim nächsten Akt der Bremer Wiederauferstehung unter Alexander Nouri, Fußballmärchentor inklusive. Der seit Saisonbeginn zart aufkeimende Trend einer größeren Ausgeglichenheit, er hat sich verfestigt und wird noch für einige hübsche Turbulenzen sorgen. Deshalb: Bitte alle anschnallen.
Quelle: ntv.de