DDR-Oberliga mit West-Beteiligung Ostklubs übernehmen die 3. Liga
02.07.2015, 12:24 Uhr
Gute Stimmung beim ostdeutschen Zuschauerkrösus Dynamo Dresden.
(Foto: picture alliance / dpa)
Acht ostdeutsche Klubs - darunter auch ehemalige DDR-Meister und ein Ex-Europapokalsieger - sind in der kommenden Saison in der 3. Fußball-Liga vertreten. Das verspricht viele heiß umkämpfte und gut besuchte Derbys.
München, Mailand, Liverpool oder Turin: Das war einmal. Lange ist es her, dass die Mannschaften von Dynamo Dresden und des 1. FC Magdeburg ihren Anhängern heiße Fußball-Europapokal-Abende beschert haben. Sie sind in der 3. Liga angekommen - einer Spielklasse, die bei ambitionierten Klubs allenfalls als Durchgangsstation angesehen wird. Man wolle doch in dieser Liga nicht versauern, wird in Interviews immer wieder kundgetan. So zum Beispiel auch in Dresden.
Doch das ist nicht überall so. Im fußballmäßig arg gebeutelten Osten mit seinen nach der Wende regelrecht abgestürzten Klubs, sehen einige dieser Vereine die 3. Liga als lohnenswertes Ziel an. So wurde der Aufstieg des 1. FC Magdeburg von den Anhängern frenetisch gefeiert - ein Verein, der als einziger in der DDR einen Europapokal gewonnen hat. Das ist allerdings verdammt lange her, 1974 holte die Truppe unter dem legendären Trainer Heinz Krügel den heute nicht mehr existierenden Pokalsieger-Cup. Die beim 2:0 (1:0)-Sieg gegen den AC Mailand im Rotterdamer "De Kuip" aufgelaufenen Jürgen Sparwasser, Wolfgang Seguin, Ulrich Schulze oder Manfred Zapf gehen auf die 70 zu. Ihre Nachfolger krebsten in den vergangenen 20 Jahren überwiegend in der Regionalliga herum.
Für ältere Magdeburger ist die kommende Saison aber dennoch ein Déjà-vu-Erlebnis, spielen doch ihre Lieblinge an 26 der insgesamt 38 Spieltage im Osten. Denn die 3. Liga ist durch den Aufstieg der Elbestädter und dem Abstieg des FC Erzgebirge Aue aus der 2. Bundesliga vor allem ein Tummelplatz für Vereine aus der ehemaligen DDR. Neben dem 1. FCM, Dresden und Aue sind auch Rot-Weiß Erfurt, Energie Cottbus, Hansa Rostock, der Chemnitzer FC sowie der Hallesche FC in der dritthöchsten deutschen Fußballklasse präsent.
Fünf DDR- und ein NOFV-Meister
Magdeburgs ehemaliger Torjäger Joachim Streich spricht auch gleich von einer kleineren Version der DDR-Oberliga. Und die Paarungen erinnern auch an alte Fußballschlachten im zweiten deutschen Staat. Dynamo Dresden gegen den 1. FC Magdeburg, Hallescher FC gegen den FC Rot-Weiß Erfurt oder das Sachsenderby Chemnitzer FC gegen Erzgebirge Aue: Diese Spiele lassen das ostdeutsche Fußballherz höher schlagen, mehr Zuschauer werden in die Stadien strömen. Einerseits tut das der 3. Liga gut, andererseits sind bei diesen zahlreichen Ostderbys die Sicherheitskräfte stärker gefordert.

1. Juni 1991: Die Rostocker Spieler feiern den Gewinn der NOFV-Meisterschaft.
(Foto: imago/Camera 4)
16 DDR-Meistertitel haben die ostdeutschen Drittligisten insgesamt gewonnen. Dresden holte achtmal den Titel, Magdeburg dreimal. Aue gewann in den 50er Jahren noch als SC Wismut Karl-Marx-Stadt drei Meisterschaften. In diesem Jahrzehnt feierten auch die Erfurter zweimal den Titel als BSG Turbine beziehungsweise SC Turbine Erfurt. Der Chemnitzer FC holte sich 1967 die DDR-Fußballkrone - damals noch als FC Karl-Marx-Stadt. Der FC Hansa Rostock wurde 1991 in der letzten Saison der ostdeutschen Oberklasse Titelträger - aber da gab es die DDR nicht mehr, die Ostseestädter gingen als Meister des neu gebildeten Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) in die Geschichte ein. Der Hallesche FC sowie Energie Cottbus holten keinen Meistertitel. Weitere DDR-Titelträger wie der BFC Dynamo (zehnmal Meister) und der FC Carl Zeiss Jena (dreimal Meister) dümpeln derzeit in der Regionalliga herum.
Doch aller Nostalgie zum Trotz: Die Realität im deutschen Fußball-Osten ist alles andere als rosig. Der ehemalige NOFV-Präsident Hans-Georg Moldenhauer sieht in den neuen Bundesländern zwar wieder "etwas wachsen". Sieht man einmal von den mit Red-Bull-Millionen unterstützten Leipziger "Rasenballsportlern" ab, ist die Bundesliga für die ostdeutschen Traditionsklubs aber in weiter Ferne. Derzeit ist neben den Messestädtern nur noch der 1. FC Union Berlin in der 2. Bundesliga. Angesichts der geringen finanziellen Ressourcen ist das Ziel der "Eisernen" aus Köpenick, zu den 20 besten deutschen Klubs gehören zu wollen, sehr ehrgeizig. Eine Situation wie in der ersten gesamtdeutschen Saison 1991/92, in der der Osten zwei Erstligisten (Rostock, Dresden) und sechs Zweitligisten (Stahl Brandenburg, VfB Leipzig, Jena, Chemnitz, Halle und Erfurt) stellte, wird es so schnell nicht geben.
Der Ost-Fußball ist eben drittklassig. Natürlich spielen ökonomische Gründe eine Rolle. Es gibt nicht mehr den Staat, die Armee und vor allem die großen Kombinate, die zu DDR-Zeiten eine wichtige Grundlage für die Finanzierung vieler Klubs waren. Aber es herrschte in den vergangenen 20 Jahren in vielen Vereinen auch große Unruhe, die hausgemacht war. Anspruch und Wirklichkeit klafften auseinander. In Dresden, Jena und auch Magdeburg fand ein regelrechtes Trainerkegeln statt. Nachhaltiges Arbeiten wie zum Beispiel in jüngster Zeit bei Union, dem HFC oder in Chemnitz war lange Zeit eher die Ausnahme. Mittlerweile wird aber bei vielen ehemaligen DDR-Oberliga-Klubs auch im Managementbereich solide gearbeitet.
Dresden mit Neuhaus auf Aufstiegskurs?
Dabei ist Fußball-Euphorie auch im Osten ungebrochen. Dynamo Dresden - zu DDR-Oberliga-Zeiten der unangefochtene Zuschauerkrösus - ist mit rund 15.000 Mitgliedern der größte Fußballverein in den neuen Bundesländern. Dennoch ist es völlig unklar, ob es gelingt, zumindest an den Aufstiegsplätzen zu schnuppern. Der neue Trainer Uwe Neuhaus, der Union Berlin in Liga zwei führte, bastelt an einem schlagkräftigen Team und setzt - wie seinerzeit beim 1. FC Union - auch auf altbewährte Kräfte wie Düsseldorfs Idol Andreas "Lumpi" Lambertz.
Schwer, wenn nicht gar unmöglich, wird es für Erzgebirge Aue mit dem Wiederaufstieg. Der neue Coach Pawel Dotschew steht vor einer riesigen Aufgabe. Der Bulgare muss einen Komplettumbruch der Mannschaft managen. Nur noch vier Spieler sind vom Team der Zweitliga-Rückrunde übrig geblieben: Keeper Martin Männel, Mike Könnecke, Sebastian Härtner und Nils Matke. Bekanntester Zugang ist der von Sandhausen kommende Nicky Adler.
Für den FCM geht‘s um den Klassenerhalt
Bei Rot-Weiß Erfurt gibt man nach der Achterbahnfahrt der abgelaufenen Saison nicht den Aufstieg als Ziel aus. Die Thüringer wollen sich mehr dem eigenen Nachwuchs widmen. Auch in Rostock werden nach der total verkorksten Saison, die fast den Abstieg in die Regionalliga bedeutet hätte, kleinere Brötchen gebacken. 16 Abgänge verzeichnen die Ostseestädter, das Budget wird um 800.000 Euro auf 2,8 Millionen Euro gekürzt. Für das Team von Trainer Karsten Baumann geht es vor allem darum, möglichst weit von den Abstiegsrängen zu stehen.
Dieses Ziel hat auch der 1. FC Magdeburg. In der Mannschaft von Coach Jens Härtel befindet sich kein Spieler mit Drittligaerfahrung. FCM-Manager Mario Kallnik ist dennoch optimistisch, dass die Klasse gehalten werden kann. Den Optimismus bezieht er aus den beiden starken Relegationsspielen gegen Kickers Offenbach (1:0, 3:1) sowie aus der körperlichen Robustheit der Mannschaft. Der Etat von 4,4 Millionen Euro ist zwar eng bemessen, aber den Magdeburgern steht immerhin mehr Geld zur Verfügung als dem Konkurrenten aus Rostock.
Alles andere als Aufstiegseuphorie herrscht beim FC Energie Cottbus. Die Lausitzer, die von 1997 bis 2014 in der 1. beziehungsweise 2. Bundesliga spielten, sind hinsichtlich des Saisonziels zurückhaltend. Nach Angaben des sportlichen Leiters Roland Benschneider will man Platz sieben der abgelaufenen Spielzeit übertreffen. Den ehrgeizigen FCE-Trainer Stefan Krämer plagen nach dem Abgang von Sturmtalent Tim Kleindienst zum SC Freiburg Angriffssorgen. Zudem muss er an der Leistungskonstanz seines Teams arbeiten.
Unruhe um HFC-Keeper
Eine große Wundertüte ist der Hallesche FC, der seit 2012 in der 3. Liga ist. Bereits seit acht Jahren ist Sven Köhler Trainer beim HFC, die Verantwortlichen um Präsident Michael Schädlich hielten auch bei Niederlagenserien am 49-jährigen gebürtigen Freiberger fest. Rufen die Saalestädter ihre Leistungen ab, könnte trotz des Weggangs des georgischen Spielmachers Akaki Gogia zum FC St. Pauli auf jeden Fall ein vorderer Platz möglich sein. Unruhe gibt es derzeit auf der Torwartposition: Der bisherige Stammkeeper Pierre Kleinheider wird durch Fabian Bredlow, der in der Vergangenheit auch bei RB Leipzig spielte, ersetzt. Bei den HFC-Fans kommt das nicht gut an. Der enttäuschte Kleinheider gibt via "Bild"-Zeitung bekannt, dass er sich gemobbt fühle.
Ruhiger geht es da beim Chemnitzer FC zu. Die Sachsen konnten die Verpflichtung von Offensivspieler Ronny König vermelden. Der 32-Jährige, der aus der Region stammt, kommt von Bundesliga-Aufsteiger Darmstadt 98. Zudem kommt mit Marcel Kaffenberger ein 21-jähriges Talent vom Zweitligisten FSV Frankfurt nach Chemnitz. In der ersten Halbserie der vergangenen Saison hatte der CFC zeitweise sogar die Drittligatabelle angeführt, danach brachte eine Niederlagenserie aber den Absturz ins Mittelmaß. Trainer Karsten Heine will dies in dieser Saison unbedingt verhindern.
Die Quantität des Ostens in der 3. Liga ist vorhanden. Doch an der Qualität muss - mit bescheidenen Mitteln - weiter gearbeitet werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ostteam in der kommenden Saison den Weg in die 2. Bundesliga findet, ist nicht sehr groß. Vorausgesetzt, es steigt keiner ab, könnte dann zur Saison 2016/17 eine neunte ehemalige DDR-Oberliga-Mannschaft in der 3. Liga aufschlagen. Denn der BFC Dynamo, der FC Carl Zeiss Jena oder der FSV Zwickau wollen nicht in der Regionalliga versauern.
Quelle: ntv.de