Fußball

Sechs Lehren der Saison RB kommt als Retter, Lewandowski dreht frei

Der Mann mit der Kanone: Robert Lewandowski bricht gleich mehrere Rekorde.

Der Mann mit der Kanone: Robert Lewandowski bricht gleich mehrere Rekorde.

(Foto: imago/Bernd Müller)

Irgendwas fehlte in dieser 53. Bundesliga-Saison … ach ja, die Spannung an der Spitze. Aber Rettung naht. Schalke 04 bürgt weiter für Chaos, Robert Lewandowski schreibt allein ganze Geschichtsbücher voll.

1. Die Liga braucht RB Leipzig

RB Leipzig musste sich in der zweiten Liga zwar mit Platz zwei begnügen. In der Bundesliga ist mit dem Brauseverein allerdings zu rechnen.

RB Leipzig musste sich in der zweiten Liga zwar mit Platz zwei begnügen. In der Bundesliga ist mit dem Brauseverein allerdings zu rechnen.

(Foto: imago/Picture Point LE)

Zehn Niederlagen. Ganze zehn Niederlagen hat der FC Bayern München in den 136 Spielen seiner historischen Vier-Titel-Serie kassiert. Bei fünf dieser Niederlagen stand der Titelgewinn schon fest. Wenn es darauf ankommt, verliert der Rekordmeister also nur ungefähr jedes zwanzigste Spiel. Ein ernsthaftes Meisterschaftsrennen in den letzten vier Spielzeiten? Fehlanzeige. In dieser Saison war es schon zum Verzweifeln: Nicht einmal der beste BVB aller Zeiten sorgte für Spannung. Die "spanischen Verhältnisse", vor denen Uli Hoeneß 2013 warnte, sie sind heute ein frommer Wunsch: Bitte, lieber Fußballgott, mach die Liga wieder spannend!

Launisch, wie der Fußballgott nun mal ist, schickt er den Fans keinen Heiland, sondern RB Leipzig, den umstrittensten Verein, seit es Energydrinks gibt. Von vielen Fans verteufelt - von einigen aber auch mit gespannter Erwartung begrüßt. Denn natürlich kann und muss man darüber streiten, ob der Fußball Marketing-Konstrukte wie RB braucht, diese "wandelnde Wettbewerbsverzerrung", wie es die "Süddeutsche Zeitung" jüngst formulierte. Aber der real existierende Fußball-Kapitalismus lässt es zu, und wo die Brausebullen schon mal da sind, sei gesagt: Die Bundesliga jedenfalls braucht sie ganz dringend. Noch sieht Mastermind Ralf Rangnick seinen Verein "nicht im Ansatz" auf Augenhöhe mit dem Meister. Aber die 50 Millionen Euro, die laut "Kicker" im Sommer für Transfers reserviert sind, die 30 Millionen, die Leipzig in sein Nachwuchsleistungszentrum gesteckt hat, die Pläne für ein neues Stadion, all das schreit: Genau da wollen wir hin. Je schneller, desto besser - vor allem für die Spannung in der Bundesliga.

2. Die 30 sind doch zu knacken

Das muss Robert Lewandowski erst einmal jemand nachmachen.

Das muss Robert Lewandowski erst einmal jemand nachmachen.

(Foto: dpa)

Es gab Saisons, da reichten 17 Tore für die Torjägekrone. Wie 1996, da holte sich Fredi Bobic mit dieser Ausbeute die Trophäe. So viele Treffer hatte Robert Lewandowski schon am ersten Spieltag der Rückrunde beisammen. Gegen Wolfsburg am 6. Spieltag legte der Pole den atemberaubendsten Auftritt der ganzen Saison hin. Erst in der zweiten Halbzeit beim Stand von 0:1 eingewechselt, drehte er das Spiel allein auf 5:1. Drei Tore in 3:22 Minuten, vier Tore in 5:42 Minuten und fünf Tore in 8:59 Minuten, alles Rekordwerte. Einen Fünferpack hatte vor ihm auch noch nie ein Einwechselspieler geschafft. "Ich habe ein paar Tage, Wochen gebraucht, bis ich das realisiert habe", sagte Lewandowski später. Mit seinem Treffer gegen Hannover schraubte er sein Konto auf 30 Tore - der Letzte, der diese Schallmauer durchbrechen konnte, war Dieter Müller vom 1. FC Köln vor 39 Jahren. Ein ausländischer Spieler hat die Marke noch nie knacken können. So etwas nennt man wohl eine Saison für die Geschichtsbücher.

3. Es gibt keine kleinen Pissvereine mehr

Es gibt so Dinge, die würde man lieber ungeschehen machen - Sandro Wagner seinen provokanten Jubel vor der Hertha-Ostkurve, Martin Harnik seine Einkaufstour bei Porsche und Thomas Schaaf alle Jobs außerhalb von Bremen. Wir bereuen die Frage, ob Darmstadt 98 - in Anlehnung an ein bekanntes Zitat von Eintracht Braunschweigs Coach Torsten Lieberknecht - nur der nächste "Pissverein" der Liga wird. Es hätte klügere Fragen gegeben: Kann Dirk Schuster sein Team erneut so kompakt einstellen, dass es viel mehr ist als die Summe der Teile? Greifen die Transfers? Wer schießt die Tore? Die Antworten: Ja, ja, Sandro Wagner. Nur, um die Verhältnisse zu klären: Eintracht Braunschweig holte in der Saison 2012/13 ganze 25 Punkte, Darmstadt sammelte allein auswärts 26 Zähler - mit einer klaren Spielidee, die Dirk Schuster zu einem Kandidaten für den Titel "Trainer des Jahres" macht. Und uns etwas kleinlaut zurücklässt.

4. Chaosklub bleibt Chaosklub

Tschüss, André Breitenreiter!

Tschüss, André Breitenreiter!

(Foto: imago/Werner Schmitt)

Detlef "Deffi" Steves, Dancing-Star der Herzen, hatte vor der Saison auch so ein Gefühl: Sein FC Schalke wird Deutscher Meister. Dann ging Julian Draxler, und alles seinen gewohnten Gang. Am neunten Spieltag noch nach dem stärksten Saisonstart der Vereinshistorie auf Rang drei, sackten die Königsblauen bis auf Rang acht ab, Derbypleite und Untergangshysterie inklusive. Schon im Oktober wurde klar, dass der auslaufende Vertrag von Sportvorstand Horst Heldt nicht verlängert wird. Schattenkanzler Christian Heidel bestimmte seitdem die Schlagzeilen, Horst Heldt sah sich genötigt, die Presse immer wieder darauf hinzuweisen, dass er noch im Amt ist. Der Höhepunkt: Nach dem 0:3 in München im April giftete der scheidende Manager vor laufenden Mikrofonen gegen seinen Nachfolger: "Es ist nicht in Ordnung, dass Leute, die noch nicht auf Schalke sind, über Schalke reden." Die Entlassung von André Breitenreiter übernahm dann aber doch Heidel, und zwar noch vor seinem offiziellen Amtsantritt. Verkündet wurde die Entlassung ganz nach Schalker Art: Vom Trainer selbst, im TV-Interview vor dem Anpfiff des letzten Spiels in Hoffenheim.

Apropos Chaosklub: In Hamburg darf der Trainer wahrscheinlich bleiben, Bruno Labbadia hat sein Team zwar nicht wesentlich weiterentwickelt, aber immerhin das Relegations-Triple vermieden. Die Ungeduld des umtriebigen Vereinsmäzens Klaus-Michael Kühne entlud sich derweil an Turnbeutelvergesser Peter Knäbel, der gehen muss. Ein Nachfolgekandidat: Horst Heldt.

5. Tradition ist kein Erfolgsfaktor

Was zählt Tradition im Fußball? Nicht im ideellen Sinne, das ist eine Diskussion für Romantiker, sondern ganz konkret: Wie zahlt sich Tradition für ein Fußball-Unternehmen aus? Noch konkreter: Wie viele Millionen Euro sind Titel auf dem Briefkopf wert, bekannte Ex-Spieler, eine gewachsene Fanbasis? Sechs Vereine wollen diese Frage beantwortet wissen. Der HSV, Werder Bremen, VfB Stuttgart, Eintracht Frankfurt, Hertha BSC und der 1. FC Köln fordern von der DFL eine Umverteilung der TV-Gelder. Unter dem gänzlich unromantischen Namen "Team Marktwert" lobbyieren sie seit dieser Saison für neue Kriterien wie Mitgliederzahlen, TV-Reichweite, Bekanntheitsrate. Das würde den etablierten Klubs mehr Geld einbringen - zulasten der unbeliebten Werksvereine, Emporkömmlingen wie Hoffenheim und den "Kleinen" wie Mainz und Augsburg. Nur eine Frage hätten wir da noch: Was wollen die Vereine mit dem zusätzlichen Geld anfangen? Es verbrennen, so wie der HSV, der sich seit 2010 nicht mehr für den Europapokal qualifiziert und sich trotzdem stets einen teuren Kader gehalten hat? So wie Werder Bremen, das sich beim Stadionneubau kräftig verhoben hat, oder wie der VfB Stuttgart, wo sie immer noch die Gomez-Millionen suchen? Geld war an diesen Traditionsstandorten nie ein großes Problem. Eher der sinnvolle Umgang damit. Selbst wenn Tradition sich bald auszahlen sollte - Erfolg garantiert sie nicht.

6. Fans können Berge versetzen

Peter Neururer hat schon einige Abstiegsduelle gesehen, aber was die Fans im Bremer Weserstadion veranstalteten, nötigte dem Schalker Jahrhunderttrainer der Herzen Respekt ab. Unter dem Hashtag #greenwhitewonderwall mobilisierte der harte Kern seit Wochen in den sozialen Netzwerken, Chöre schmetterten den Oasis-Hit in Kirchen, vor dem entscheidenden Spiel am Samstag gegen Frankfurt bejubelten Tausende die Ankunft des Mannschaftsbusses. Und weil der Fußball manchmal eben doch die besten Geschichten schreibt, drückt Papy Djilobodji in der 88. Minute den Ball über die Linie. Um es mit Rudi Völlers Spruch der Saison zu sagen: Wer da keine Gänsehaut bekommt, hat den Fußball nie geliebt.

Quelle: ntv.de

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