
Wie lange die Stadien leer bleiben, weiß noch niemand so genau.
(Foto: imago images/osnapix)
Niemand kann seriös abschätzen, wann wieder Fußball gespielt wird. Und niemand weiß, ob alle Vereine die Coronavirus-Zwangspause überstehen. Die Krise bietet aber auch die Chance für Gedankenspiele. Warum eine Gehaltsobergrenze im Fußball sinnvoll, aber unmöglich erscheint.
Die Coronavirus-Krise bedeutet nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für den Profifußball einen drastischen Einschnitt. Weil die Einnahmen aus TV-Geldern und Eintrittskarten ausbleiben, rechnen viele Klubs der 1. und 2. Bundesliga derzeit aus, wie lange die Ersparnisse noch reichen, um die Gehälter - nicht nur die der Profis - weiter bezahlen zu können. Um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Um dabei zu sein, wenn der Ball wieder rollt.
Mindestens bis zum 30. April wird in den beiden höchsten deutschen Ligen kein einziges Spiel angepfiffen werden - und dass Anfang Mai dann tatsächlich 22 Spieler in einem der 36 Stadien auflaufen, ist nicht anzunehmen. Die Ungewissheit führt aber dazu, das System Profifußball zu hinterfragen. So wie es etwa der streitbare und besonders bei den Fans des eigenen Klubs ungeliebte Geschäftsführer von Hannover 96, Martin Kind, bei Sport1 tat: "Es gibt keine Denkverbote." Und nannte danach sogleich eine Idee: "Ich bin für einen 'Salary Cap'."
Diese Idee der Gehaltsobergrenze ist nicht neu. Doch weil Krisenzeiten oft einen Wandel ermöglichen, manchmal auch erzwingen, lohnt sich ein genauerer Blick, wie ein solcher "Salary Cap" aussehen könnte. Das Vorbild dafür sind zumeist die US-Profiligen, in denen ein solcher Ausgabendeckel üblich ist. Allerdings nicht in einer allgemeingültigen Form - die Basketball-Liga NBA hat ihre eigene Version, ebenso die NFL im American Football, auch die Major League Baseball (MLB) und die National Hockey League (NHL) haben ihr eigenes Regelwerk geschaffen.
Harte oder weiche Obergrenze?
Am Beispiel von NFL und NBA wird gleich eine Grundsatzentscheidung deutlich, die der Fußball zu treffen hätte: "Hard Cap" oder "Soft Cap"? Also eine feststehende harte Summe, die niemand überschreiten darf - oder eine weiche Obergrenze, die es in bestimmten Situationen erlaubt, darüber hinauszugehen. Dazu kommt ein grundlegender Unterschied zwischen US-amerikanischem und europäischem Sport. Dort werden Nachwuchsspieler an den Universitäten ausgebildet und kommen über die Talentevergabe zu den Profiklubs. Dabei gibt es für Liga-Neulinge festgeschriebene Gehälter. Hierzulande bilden die Vereine häufig selbst aus und schon erste Verträge sind frei verhandelbar.

Für NBA-Profis wie Ex-Dallas-Star Dirk Nowitzki ist eine Gehaltsobergrenze selbstverständlich.
(Foto: USA TODAY Sports)
Doch nicht nur zwischen den Kontinenten gibt es grundlegende Unterschiede, sondern auch zwischen den US-Ligen selbst. Die NFL setzt auf eine harte Obergrenze. Das heißt, von Summe X müssen alle Spieler bezahlt werden. Was in Verbindung mit den festgeschriebenen Einstiegsgehältern dazu führt, dass gute junge Spieler unterbezahlt sind. Wenn ihr Team am Vertragsende nun aber nicht den notwendigen Platz unter dem Salary Cap hat, suchen sich die Profis einen neuen Klub, der bessere Konditionen anbietet. In der Bundesliga könnte das dann so aussehen, dass ein Jungprofi beim FC Bayern nicht das Angebot zur Verlängerung bekommt, das er sich vorstellt und deshalb zu Werder Bremen wechselt, weil dort mehr Gehalt frei ist.
In der Bundesliga würde das die Aussichten des jungen Spielers, einmal Titel zu gewinnen, deutlich schmälern. Siebenmal in Folge wurde der FC Bayern zuletzt deutscher Meister, ein ähnlicher Trend zur Monopolisierung ist in allen großen Ligen Europas zu erkennen. In Italien heißt der Champion seit acht Jahren immer Juventus Turin, in Frankreich stand Paris Saint-Germain in sechs von sieben Saisons am Ende auf Platz eins. In Spanien teilen der FC Barcelona und Real Madrid 14 der jüngsten 15 Meistertitel unter sich auf. Auch in England gewinnen seit 2005 mit einer Ausnahme immer Manchester United, der FC Chelsea oder Manchester City - noch ist der FC Liverpool nicht Meister.
Ein Drittel der Liga wird Meister
In der NFL ist das anders: Seit 2008 gab es zehn verschiedene Super-Bowl-Sieger, das ist fast ein Drittel der 32 Teams. Eine solche Ausgeglichenheit scheint in Europas Spitze derzeit undenkbar.
Die NBA ist mit ihrer weichen Gehaltsobergrenze nicht ganz so rigoros wie die NFL. Zwar gibt es einen festen Höchstwert, für dessen Überschreitung es jedoch Ausnahmen gibt. So werden den 30 Teams Sonderrechte eingeräumt, um Spieler mit auslaufenden Verträgen zu halten. Sie können dann mehr Geld als andere Klubs bieten oder ein zusätzliches Vertragsjahr, oder auch über die Obergrenze hinaus gehen, um mit einem Spieler zu verlängern. In der Bundesliga könnte dann beispielsweise der SC Freiburg einem seiner Profis einen besser dotierten und länger gültigen Vertrag anbieten als Borussia Dortmund.
So ist eine gewisse personelle Kontinuität möglich. Was dazu führte, das von 2015 bis 2018 erstmals in der Liga-Historie die NBA Finals immer gleich lauteten: Golden State Warriors gegen Cleveland Cavaliers. Dennoch gab es seit 2008 immerhin acht verschiedene Champions, wie in der NFL also nahezu ein Drittel der Liga.
Strafzahlungen gehen an andere Teams
Damit aber finanzstärkere Teams sich nicht einfach den Weg zur Meisterschaft erkaufen können, ist das Überschreiten der Obergrenze mit Geldstrafen verbunden. Jeder Dollar, der mehr ausgegeben wird als erlaubt, kostet mindestens 1,50 Dollar Strafe. Diese Strafe erhöht sich, je weiter die Klubs über dem Salary Cap liegen, und zusätzlich, wenn sich das in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt. Diese Strafzahlungen teilt die NBA anschließend unter all den Teams auf, die sich an die Obergrenze gehalten haben. So wird es unattraktiv, über Jahre einen zu teuren Kader zu unterhalten.
Und genau an dieser Stelle hakt die Idee eines Salary Caps im europäischen Fußball. Denn die US-Ligen sind ein abgeschlossenes System, es gibt keinen Auf- und Abstieg, es sind immer die gleichen Teams. Die Einnahmen der Liga werden an die Teams ausgeschüttet. Wie soll das in Europa funktionieren? Eine Einzellösung einer nationalen Liga ist im internationalen Wettbewerb zum Scheitern verurteilt.
Ein Beispiel: Wenn die Bundesliga eine Gehaltsobergrenze einzieht und deutsche Vereine 100 Millionen Euro ausgeben dürfen, während die Klubs aus England, Spanien und Italien ein potenziell unbegrenztes Budget haben, ist das ein klarer Nachteil im Wettbewerb. Also ein Salary Cap auf europäischer Ebene, das für alle Teams gilt, egal, ob sie gerade das Champions-League-Halbfinale spielen oder im Abstiegskampf ihrer nationalen Liga stecken? Auch schwierig - denn abseits ihrer Vereinsfarben und der Liebe für Jürgen Klopp haben etwa der FC Liverpool und der 1. FSV Mainz 05 kaum Gemeinsamkeiten, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht.
Welche Grenzen zieht man?
Dann eben ein Salary Cap für jeden Wettbewerb? Das dürfte dazu führen, dass der FC Bayern zwei Kader beschäftigen muss. Einen für die Champions League, die eine deutlich höhere Gehaltsobergrenze möglich macht als die Bundesliga. Von der miserablen Planbarkeit für Klubs wie Bayer 04 Leverkusen oder den FC Schalke 04 ganz abgesehen, die im Zweifel erst nach dem letzten Spieltag wissen, ob und wenn ja in welchem internationalen Wettbewerb sie spielen. Vom DFB-Pokal mit seinen Teilnehmern, die sich wie die Sportfreunde Dorfmerkingen 2017 bisweilen als Siebtligist qualifizieren, ganz zu schweigen.
Um den Wettbewerb insgesamt ausgeglichener zu gestalten, ist der Salary Cap sicher eine geeignete Variante. Allerdings vor allem in der Theorie. Um die Gehaltsobergrenze praktisch durchzusetzen, bräuchte es sehr viel Verständigung zwischen den großen Ligen Europas, ja vermutlich sogar die Einigung auf eine Art gemeinsamen Tarifvertrag, der all diese Unwägbarkeiten zu regeln versucht. Es ist eine Variante, die deutlich weiter gehen würde als das Financial Fairplay, mit dem die Uefa vergeblich versucht, unter den Teilnehmern der europäischen Klub-Wettbewerbe so etwas wie gleiche Voraussetzungen zu schaffen. Realistisch umsetzbar erscheint sie derzeit nicht. Wobei abseits des Fußballs in Krisenzeiten ja oftmals Veränderungen möglich sind, von denen vorher niemand zu träumen gewagt hätte.
Quelle: ntv.de