Die Krönung des Survival Horror In "Alien: Isolation" wartet der Tod
07.10.2014, 09:35 Uhr
Angst hilft beim Überleben: Amanda Ripley.
(Foto: Sega)
Bevor Ellen Ripley im zweiten "Alien"-Film gefunden wird, macht sich ihre Tochter Amanda auf die Suche nach ihr - und begegnet dabei selbst dem geifernden Xenomorph. Allein in der Schwärze des Alls bleibt dem Spieler nur die Flucht. Und seine Intelligenz.
"Scheiße", entfährt es Amanda Ripley, als sie die Leiche entdeckt. Sie sollte eigentlich nicht reden, denn Geräusche verraten ihren Feinden, wo sie sich aufhält. Amanda ist auf der Suche nach ihrer verschollenen Mutter Ellen. Doch auf der Raumstation Sewastopol, wo sie sich nach Jahren der Ungewissheit neue Hinweise verspricht, gibt es kaum noch Leben. Und das wenige, was es noch gibt, ist ihr nicht freundlich gesinnt.
"Alien: Isolation" ist das erste Videospiel, das sich der Filmvorlage von 1979 annimmt. Dabei verhält sich das außerirdische Wesen so wie in Ridley Scotts Science-Fiction-Meisterwerk: intelligent, unzerstörbar, gnadenlos. Nicht umsonst heißt das Subgenre, in das sich das Spiel einordnen lässt, Survival Horror.
Die Entwickler haben zwar nicht die Geschichte des Kultfilms im Detail ins andere Medium übersetzt, aber das grundlegende Szenario. Die Handlung ist zwischen dem ersten und zweiten Film angesiedelt. Amanda will den von der Station aufgefundenen Flugschreiber des Raumfrachters Nostromo auswerten, der mit ihrer Mutter verschollen ist. Mit einem Logbucheintrag von Ellen beginnt auch das Spiel: "Ich bin die letzte Überlebende", spricht sie ins Mikrofon.
Reproduzierte, kalte Zukunftsvision
Amanda befindet sich in einer ähnlichen Situation. Mit eigenen Augen erlebt sie nun - ein Kalender auf der Raumstation zeigt den November 2137 an - das Trauma ihrer Mutter. "Es geht ums Überleben, nicht ums Töten", fasst Al Hope, der kreative Kopf des Projekts, im Gespräch mit n-tv.de kurz und knapp das Ziel des Spiels zusammen. Seine Kollegen bei Creative Assembly und er wussten schon in der Konzeptphase: Dies wird kein normaler Ego-Shooter. Es wäre schlicht unglaubwürdig, dem Spieler für einen Kampf gegen das Alien eine Waffe in die Hand zu drücken. "Dieser Kreatur muss man anders begegnen, als einfach nur den Abzug zu drücken", sagt Hope.
Diese Idee haben er und seine Kollegen scheinbar mühelos in einer reproduzierten, kalten Zukunftsvision der 1970er-Jahre umgesetzt. Und das, schon bevor die Geschichte überhaupt begonnen hat: Das Menü ist minimalistisch, vor einem riesigen Planeten, größer als der Bildschirm, und einem winzigen Raumschiff in seiner Nähe. Der Sound ist zurückhaltend, schwillt gelegentlich langsam an, bis er wieder schlagartig abbricht. Im Spiel selbst gibt es mechanische Terminals als manuelle Speicherpunkte, Computer-Terminals mit pixeligen Logos und grün-weißer Schrift auf schwarzem Grund. Auch diese digitale Analogie macht "Alien: Isolation" zu einem Erlebnis.
Doch der Kern des Spiels ist das Duell Amandas gegen das Alien. Der Xenomorph ist unzerstörbar. Die einzige Option ist die Flucht durch die teils zerstörte Raumstation. Dabei muss sie schleichen, sich in Spinden verstecken und den Atem anhalten, wenn das geifernd-glitzernde Angesicht des Aliens vor den Sichtblenden auftaucht. Für die visuelle Komposition holte sich Creative Assembly auch Rat von Terry Rawlins, der für den Schnitt des Originals verantwortlich ist.
Was wird es als nächstes tun?
Ridley Scotts Film traf in den 1970er-Jahren auch deshalb den Nerv der Zeit, weil er die unbekannte technisierte Zukunft mit einer fremdartigen lebendigen Gefahr verband - und den Mensch dabei auf sich selbst reduzierte. Die Intelligenz des Individuums ist trotz aller technischen Errungenschaften entscheidend fürs Überleben im All.
"Alien: Isolation" erscheint kurz vor dem 35-jährigen Jubiläum des Films und ist mit diesem Ansatz aktueller denn je. "Wir haben nicht den Luxus, Menschen wieder so überraschen zu können", analysierten Al Hope und seine Kollegen, als sie das Spiel entwarfen. Es bleibt deshalb die eine Sache, die niemand über ein intelligentes Wesen weiß: Was wird es als Nächstes tun? Das Alien reagiert im Spiel auf die Wahrnehmungen seiner (künstlichen) Sinne. Je nachdem, was Amanda macht, handelt es anders.
Das gibt es auch schon in anderen Spielen, aber in seiner Gesamtheit und der erzählerischen Anknüpfung mutet "Alien: Isolation" an wie die vorläufige Krönung des Survival Horror. Über die vergangenen Jahre ist das Videospiel-Subgenre von Spielemachern radikalisiert worden: Waren es etwa beim legendären "Resident Evil" im Jahr 1996 noch wenige widerstandsfähige, aber überwindbare Gegner, wartet inzwischen häufig schlicht der Tod in verschiedenen Kontexten.
In "Dark Souls" ist das häufige Sterben Teil der Erzählung und der Spielmechanik, in anderen, wie dem Zombie-Mehrspieler-Phänomen "Day Z", gilt für den eigenen Charakter das Prinzip des "Permadeath" - tot ist tot. Und bei den "Amnesia"-Titeln müssen selbst die Hartgesottensten vor dem Bildschirm Pausen einlegen, weil sie die Spannung nicht mehr ertragen. Das Szenario ist dabei ähnlich wie in "Alien: Isolation": Ein unbekannter, unzerstörbarer, teilweise sogar unsichtbarer Gegner macht Jagd auf den Spieler. Dessen Überlebenschance ist seine Intelligenz, keine Waffengewalt.
"Kontrast zu unserem Alltag"
"Wir leben in unsicheren Zeiten, und diese Spiele unterstreichen, dass wir machtlos sind", sagt Hope. Das hervorragende Alien-Spiel definiert neben der originalgetreuen Atmosphäre der Geschichte auch einen klaren Zielpunkt: den Spieler selbst. Denn während die reale Kommunikation überbordet, alles geteilt und kommentiert wird und zudem jegliche Information jederzeit im Netz abrufbar ist, sind Survival-Horror-Titel ein Gegenentwurf. "Es ist der Kontrast zu unserem Alltag", so Hope: "Die Angst vor dem Alleinsein ist noch größer geworden, als sie früher war."
Der Spieler muss in "Alien: Isolation" mit dieser Angst überleben - irgendwo in der Schwärze des Alls und komplett auf sich allein gestellt. Wenn er das nicht aushält, wird Amanda nie herausfinden, was mit ihrer Mutter Ellen geschehen ist.
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Quelle: ntv.de