Kastrierte Tablets, teure Handys Nordkorea benutzt Systemfeind-Software
30.12.2014, 12:42 Uhr
Das nordkoreanische Tablet "Samjiyon" - ohne Bluetooth, ohne Wifi.
(Foto: Screenshot n-tv.de / northkoreatech.org)
Auf dem Hacker-Kongress 31C3 zeigt ein Professor aus Pjöngjang die Hightech-Welt in Nordkorea. Sie besteht im kommunistischen Land vor allem aus zwei angeblichen Eigenproduktionen: Zu einem teuren Intranet-Smartphone kommt ein Tablet mit ausziehbarer Antenne und fragwürdigen Apps.
Nordkorea und Hightech sind zwei Begriffe, die eher schlecht als recht in eine Gleichung passen. Daran kann auch der ganze Wirbel um den Sony-Hack nur wenig ändern, schließlich brach kurz darauf im ganzen Land das Internet zusammen. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen fragt sich die halbe Welt: Was passiert da eigentlich IT-technisch im Reich des "Obersten Führers" Kim Jong Un? Die Antwort darauf hat Will Scott.
Der schmächtige Informatiker ist auf dem Chaos Communication Congress 31C3 in Hamburg eine Attraktion für sich: Scott ist Professor an einer Pjöngjanger Universität, seine Studenten die kommende Speerspitze der nordkoreanischen IT-Branche. Am anderen Ende der Welt platzt der riesige Kongresssaal aus allen Nähten. Gefühlt jeder der anwesenden Hacker will Scotts Erfahrungsbericht hören.
Scott hält mit seiner persönlichen Meinung hinter dem Berg und lässt die Fakten für sich sprechen - das Raunen der Zuhörer macht ohnehin jede Einordnung überflüssig. Als Ausländer hat er während seiner Aufenthalte zwar Zugang zum Internet, verzichtet jedoch auf mobiles Netz. Rund 120 Euro bei einem monatlichen Datenvolumen von 50 MB sind Scott dann doch zu happig.
Die allermeisten Nordkoreaner müssen sich indes nicht mit derartigen Luxusproblemen befassen. Sogar die Handvoll Privilegierten aus der Oberschicht, die einen Computer oder ein Smartphone besitzen, können maximal auf das 4000 Seiten starke Intranet zugreifen, vom Regime aus Angst vor den Untiefen des Internets bereitgestellt.
"Angry Birds" auf nordkoreanisch
Apropos mobile Geräte: Das kommunistische Regime hat im vergangenen Jahr gleich zwei "Eigenentwicklungen" auf den Markt geworfen, die beweisen sollen, dass es nicht auf importierte Technik angewiesen ist. Umgerechnet 600 Euro kostet etwa laut Scott das Smartphone "Arirang" zur Markteinführung. Der Haken: Das Gerät gleicht dem chinesischen Uniscope wie ein Ei dem anderen, ist allerdings rund sechs Mal so teuer. "Trotzdem ist es auf Pjöngjangs Straßen kein allzu ungewöhnlicher Anblick", sagt Scott. Das Betriebssystem ist Android.
Dazu kommt das nagelneue Tablet aus Kim Jong Uns Technologieschmieden, von dem jedoch ebenfalls gemutmaßt wird, dass es eigentlich in China produziert wird. Das "Samjiyon" ist mit 180 Euro zwar vergleichsweise günstig, lässt aber so ziemlich alles vermissen, was ein Tablet ausmacht: Statt Wifi und Bluetooth verfügt das "Samjiyon" über eine ausziehbare Antenne, um die drei analogen Staatskanäle zu empfangen. Nutzer müssen mit den rund 500 vorinstallierten Apps vorlieb nehmen.
Was das heißt, führt Scott vor, als er die Bibliothek öffnet: Interessierte können entweder die gesammelten Reden Kim Jong Ils lesen - oder "Vom Winde verweht". Fast alle anderen Apps kopieren mehr oder weniger dreist bekannte Software aus der restlichen Welt: Ein "Angry Birds"-Klon fehlt genauso wenig wie "Plants vs. Zombies" in der steinzeitkommunistischen Variante.
Was den Nordkoreanern an Eigenleistung fehlt, machen sie dafür doppelt an Hybris wett. Selbstbewusst prangen auf dem voreingestellten Hintergrund des Tablets gleich zwei Dinge, auf die Kim Jong Un besonders stolz ist: startende Atomraketen und wichtig aussehende Röhrenbildschirme. Nicht nur einer der Zuschauer fragt sich am Ende, ob die Sache mit Sony wirklich hier ihren Anfang genommen hat.
Quelle: ntv.de