Russischer iPhone-Gegner im Test YotaPhone 2: vorne brav, hinten raffiniert
04.02.2015, 18:48 Uhr
Zweitbildschirm auf dem Rücken: das YotaPhone 2.
(Foto: jwa)
Das YotaPhone 2 mutet vorne wie ein gewöhnliches Handy an, doch es ist das erste Smartphone mit zwei Touchscreens. Im Test zeigt sich, ob der russische iPhone-Konkurrent mehr als nur hübsch ist - sondern auch gut funktioniert.
Echte Innovationen gibt es bei Smartphones nicht alle Tage. Sonys Premium-Smartphones sind seit vier Generationen wasserdicht, Apple hat den Fingerabdruck-Scanner salonfähig gemacht, Samsung den Pulsmesser eingeführt. So weit, so neu. Doch die Entwicklung stagniert. Frischen Wind brachte im vergangenen Jahr das YotaPhone 2 als erstes Smartphone mit zwei Touchscreens. Das Konzept des Doppeldisplays wurde 2012 erstmals vorgestellt, die erste Umsetzung war aber noch wenig überzeugend. Der Nachfolger, der als russische Alternative zum iPhone gehandelt wird, macht jetzt vieles besser als sein Vorgänger.
Dezenter Chic
Das fängt beim Design an: Das erste YotaPhone war interessant, aber nicht schön, der Nachfolger ist unauffällig, aber ansprechend. Design-Experimente werden vermieden. Mit seinen leicht abgerundeten Ober- und Unterseiten und dem Kunststoffrahmen erinnert es an das Nexus 4, die Rückseite aus mattem Glas sieht gut aus und schmeichelt der Hand.
Ähnlich zurückhaltend ist auch die Benutzeroberfläche: Statt eines eigenen Software-Aufsatzes wird die Optik der Android-Oberfläche (Version 4.4.3) unverändert übernommen. Auch der Funktionsumfang ist nahezu gleich, von ein paar wenigen Erweiterungen abgesehen. So lassen sich beide Displays zum Beispiel sperren, indem man sie mit drei Fingern berührt, der Energiesparmodus "YotaEnergy" ist eine Stromsparfunktion mit vielen Einstellungsmöglichkeiten.
Technisch spielt das YotaPhone 2 in der Oberliga mit, kann aber mit keinem Wert wirklich herausstechen. Die Hauptkamera macht Fotos mit 8 Megapixeln in guter Qualität, der Snapdragon-800-Prozessor ist mit 2,2 Gigahertz getaktet und hat 2 Gigabyte Arbeitsspeicher zur Verfügung. Die Akkukapazität ist mit 2500 Milliamperestunden ausreichend für eine durchschnittliche Laufzeit von einem bis eineinhalb Tagen - trotz stromsparendem E-Paper-Display war im Test nicht mehr Leistung herauszukitzeln. Der interne Speicher fasst 32 Gigabyte und kann nicht erweitert werden.
Das Frontdisplay entspricht mit seiner Full-HD-Auflösung aktuellen Standards und ist mit einer Pixeldichte von rund 440 ppi sehr scharf. Yota setzt hier auf die AMOLED-Technologie, die auch in Samsungs Premium-Smartphones zum Einsatz kommt. Der Bildschirm zeigt die typischen AMOLED-Eigenschaften: Gute Blickwinkelstabilität, satte Kontraste und tiefes Schwarz, aber geringere maximale Helligkeit und ein deutlicher Gelbstich im Vergleich zu LCD-Bildschirmen.
Perfekt für Selfies
Eine Schicht aus Gorilla Glass schützt das Frontdisplay vor Kratzern, ebenso wie die Rückseite. Hier ist das Glas aber mattiert und mutet deshalb wie Kunststoff an. Darunter liegt der Always-on-Bildschirm, ein E-Paper-Display (EPD) mit Touch-Oberfläche und einer Auflösung von 960 x 540 Pixeln. EP-Displays haben den Vorteil, dass sie nur in dem Moment, in dem die Anzeige verändert wird, Energie verbrauchen. In direktem Sonnenlicht besser ablesbar sind und Informationen dauerhaft anzeigen, ohne den Akku zu belasten – selbst dann, wenn dieser leer ist. Die Kehrseite: Sie reagieren deutlich träger als gewöhnliche Smartphone-Displays und zeigen Inhalte nur in schwarz-weiß an.
Yota macht sich diese Eigenschaften beim Always-on-Bildschirm zunutze. Er dient zum Lesen von Benachrichtigungen, E-Mails, SMS und Texten, zum Anzeigen von Informationen wie Kalenderdaten, Wetter und anstehenden Terminen oder von Dokumenten (E-Tickets, Fahrplanauskünfte, QR-Codes). Zum Zeitvertreib können außerdem Spiele wie Sudoku, Dame oder Schach gespielt werden, ohne den Akku durch ein ständig beleuchtetes Front-Display stark zu belasten.
- System: Android 4.4.3
- Display: 5 Zoll, 1920 x 1080 Pixel, 440 ppi; Always-on-Display: 4,7 Zoll, 960 x 540 Pixel, 235 ppi
- Prozessor: Qualcomm Snapdragon 801, Quad Core, 2,2 GHz
- Arbeitsspeicher: 2 GB RAM
- Interner Speicher: 32 GB
- Rückkamera: 8 Megapixel
- Frontkamera: 2,1 Megapixel
- Konnektivität: LTE, WLAN 802.11 a/b/g/n/ac, Bluetooth 4.0, GPS, NFC
- Akku: 2500 mAh
- Abmessungen: 144,9 x 69,4 x 8,95 mm
- Gewicht: 145 g
Drei Anzeigemodi stehen zur Verfügung: "Yotacover" ist Desktop-Hintergrund und Sperrbildschirm in einem. Es zeigt ein frei wählbares Hintergrundbild sowie Verknüpfungen zu Telefon, SMS-App, E-Mails und Benachrichtigungen. Von hier aus kann man zum "Yotapanel" wechseln, einem Satz von mehreren Bildschirmseiten, ähnlich den Homescreens auf dem Front-Display. Sie sind in frei konfigurierbare Bereiche unterteilt, die mit verschiedenen Widgets und Anwendungen belegt werden können.
Der dritte Interaktionsmodus heißt "Yotamirror": Hier wird einfach die komplette Benutzeroberfläche vom Frontbildschirm auf die Rückseite gespiegelt. Das Smartphone lässt sich dann komplett über den Always-on-Bildschirm bedienen, fast alle Apps stehen zur Verfügung. Selbst die Kamera funktioniert und zeigt das Sucherbild der Hauptkamera – perfekt für hochauflösende Selfies.
Bedienung nicht optimal
Doch das E-Paper-Display hat auch seine Grenzen: Grobkörnige Auflösung, Schwarz-Weiß-Anzeige und träge Reaktionszeiten machen es ungeeignet für grafisch anspruchsvolle Spiele oder das Ansehen von Fotos und Videos. Auch ist es mitunter mühsam, Texte oder Nummern einzutippen, denn die Touch-Oberfläche reagiert nicht flüssig und registriert Eingaben häufig erst beim zweiten oder dritten Versuch. So wird die Bedienung oft zur Geduldsprobe.
An manchen Stellen kann zudem das Zusammenspiel zwischen beiden Displays noch optimiert werden. Ein Beispiel: Wird eine App auf dem Always-on-Display gestartet, erscheint sie nicht immer automatisch auch auf der Vorderseite, wenn man das Gerät dreht. In manchen Fällen klappt das zwar, die aktuelle Ansicht verschwindet dann aber vom hinteren Display und taucht dort auch nicht wieder auf, wenn man das Smartphone erneut dreht. Andere Beschränkungen sind systemimmanent: Anrufe können zwar vom Always-on-Bildschirm angenommen werden, auch Nummern kann man von hier aus wählen, zum Telefonieren muss man das Yotaphone aber wieder umdrehen, da es auf der Rückseite weder Telefonhörer noch Mikrofon hat.
Mit den genannten Einschränkungen im Hinterkopf und vor allem mit ein wenig Eingewöhnungszeit entpuppt sich der zweite Bildschirm aber als originelles und durchaus auch nützliches Feature, das die bisher bekannten Interaktionsmöglichkeiten mit Smartphones um eine neue Bedienebene ergänzt. Problematisch ist der Preis: Mit rund 700 Euro pokert Yota zu hoch, um eine breite Käuferschicht zu erreichen. Allein das zweite Display rechtfertigt diesen Preis nicht, andere besondere Ausstattungsmerkmale oder Funktionen fehlen. Ans iPhone erinnert am Ende nicht viel mehr als der Name - "Yota" oder "Iota" ist das "i" im griechischen Alphabet. Als Langzeitprojekt hat das YotaPhone aber Potenzial. Die Schwächen des Vorgängers wurden beim YotaPhone 2 großteils behoben, der Entwicklungsschritt ist enorm. Vielleicht wird die nächste Generation wirklich massentauglich.
Quelle: ntv.de