"Verdoppelung der Fläche" Bund will Weg für Windkraft-Ausbau freimachen
08.06.2022, 04:09 Uhr
Bislang scheitert der Aufbau von Windrädern meist an mangelnder Fläche.
(Foto: dpa)
Das Bekenntnis zum Klimaschutz kommt in vielen Bundesländern an seine Grenzen, wenn es um den Ausbau der erneuerbaren Energien geht. Jetzt will die Bundesregierung die Länder dazu zwingen, mehr Flächen für Windräder auszuweisen. Notfalls sollen dafür auch Abstandsregelungen kassiert werden.
Die Bundesregierung will Hürden für den Ausbau der Windenergie einreißen und die Abstandsregelungen der Länder dafür aushebeln. Mit einem Gesetzespaket sollen rund zwei Prozent der Fläche Deutschlands für Windräder reserviert werden. Um das durchzusetzen, soll nicht nur Planungs- und Baurecht, sondern auch das Naturschutz-Gesetz geändert werden.
Zwar können die Abstandsregeln für Windräder zu Wohngebäuden dem Vorhaben zufolge zunächst in Kraft bleiben. Verfehlt ein Bundesland aber seine Flächenvorgaben, werden diese Regelungen hinfällig. Regierungskreisen zufolge soll das Gesetz noch am Mittwoch auf den Weg gebracht, noch im Juni vom Kabinett gebilligt und in den Bundestag eingebracht werden.
Die Bundesregierung begründet ihr Vorgehen mit einer dringend nötigen Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien für den Klimaschutz - aber auch mit dem Krieg in der Ukraine und der Sicherheitspolitik. "Es ist Teil eines umfassenden Regelungspaketes mit dem Ziel einer nachhaltigen und treibhausgasneutralen Energieversorgung, das den Ausbau der erneuerbaren Energien drastisch beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse für den beschleunigten Ausbau aus dem Weg räumen soll", heißt es im "Wind an Land"-Gesetz.
Flächenvorgaben für jedes Bundesland
Wesentliches Hemmnis für den Ausbau sei der Mangel an verfügbarer Fläche. Daher müssten zwei Prozent des Landes für Windräder ausgewiesen werden. "Dies erfordert mehr als eine Verdoppelung der ausgewiesenen Fläche in den kommenden Jahren." Derzeit sind lediglich rund 0,8 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen. Tatsächlich genutzt werden 0,5 Prozent. Widerstand von Anwohnern und Naturschützern sowie lange Genehmigungsverfahren bremsen die Planungen. Ziel der Regierung ist es, die Leistung der Windräder an Land bis 2030 auf 115 Gigawatt zu verdoppeln. Mit dem Zwei-Prozent-Ziel sollen dann sogar 165 Gigawatt möglich sein. Bis 2030 sollen insgesamt 80 Prozent des Stromverbrauchs von erneuerbaren Energien gedeckt werden, bis 2035 nahezu 100 Prozent.
Um die Flächenziele durchzusetzen, sind im Windflächenbedarfsgesetz (WindBG) klare Vorgaben für jedes Land enthalten: Bayern beispielsweise muss bis Ende 2026 1,1 Prozent ausweisen und bis 2032 dann 1,8 Prozent. Gleiches gilt für Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Länder mit mehr Wind wie etwa Mecklenburg-Vorpommern haben Vorgaben von 1,4 und 2,1 Prozent. Drohen die Länder, die Ziele zu verfehlen, sollen die dort aufgestellten Abstands-Regeln fallen: "Mindestabstandsregelungen sind nicht mehr anwendbar, wenn die Flächenbeitragswerte des Landes nach dem WindBG nicht erreicht werden", heißt es. Auch andere Beschränkungen greifen dann nicht mehr. "Festlegungen in Raumordnungsplänen oder Darstellungen in Flächennutzungsplänen können ihnen fortan nicht mehr entgegengehalten werden."
Bundes-Klimaminister Robert Habeck hatte mit Reisen in verschiedene Bundesländer zunächst versucht, diese zu einer freiwilligen Ausweitung der Windenergie-Flächen zu bewegen. Etwa in Bayern war er aber auf entschiedenen Widerstand gestoßen. In Thüringen versucht die CDU - notfalls auch mit Stimmen der AfD - strengere Abstandsregeln gegen die Rot-Rot-Grüne Minderheitsregierung durchzusetzen.
Vögel auf Abstand halten
Für die Ausbau-Ziele wird es auch Einschnitte im Naturschutz-Recht geben. "Der Betrieb von Windenergieanlagen liegt im überragenden öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit", heißt es im Gesetzesvorhaben. Entsprechend werden die Flächen, die für Windräder infrage kommen, ausgeweitet. Für Greifvögel, die durch die Rotorblätter besonders gefährdet sind, gibt es detaillierte Regelungen je nach Art. Nisthilfen dürfen so von Vogelschützern im Umkreis von 1,5 Kilometer von Windenergie-Gebieten nicht mehr angebracht werden, damit sich solche Arten dort gar nicht erst ansiedeln.
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Um die Vögel zu schützen, müssen die Windkraft-Betreiber in sensiblen Gebieten aber auch zeitweise die Windräder abschalten. Sie können aber auch Ausweichgebiete schaffen, um die Vögel aus der Region wegzulocken. Artenschutzprogramme, die von der Windbranche mitbezahlt werden müssen, sollen zudem dafür sorgen, dass zumindest landes- oder bundesweit die Zahl der Exemplare einer Vogelart nicht sinkt.
Quelle: ntv.de, ino/rts