Wirtschaft

Volkswagen erlebt schwarzen Tag Klage, Verkaufsstopp, Absatzprobleme

Volkswagen kämpft weiterhin mit den Folgen des Abgas-Skandal - gerade die juristischen Auseinandersetzungen dürften sich noch eine Weile hinziehen.

Volkswagen kämpft weiterhin mit den Folgen des Abgas-Skandal - gerade die juristischen Auseinandersetzungen dürften sich noch eine Weile hinziehen.

(Foto: imago/Steinach)

An diesem Dienstag kommt es knüppeldick für Volkswagen: Laut neuen Zahlen geht der Absatz von VW-Modellen zurück. In Südkorea dürfen Dutzende Modelle nicht mehr verkauft werden. Und Bayern zieht vor Gericht. Das allerdings erregt scharfe Kritik.

Bayern wird Volkswagen wegen der Folgen des Diesel-Skandals auf Schadenersatz verklagen. Es gehe dabei um die Aktienkurs-Verluste, die dem bayerischen Pensionsfonds entstanden seien, sagte der bayerische Finanzminister Markus Söder in Nürnberg. Bayern ist das erste Bundesland, das im Zuge der Abgas-Affäre eine Klage ankündigt. Volkswagen wollte sich nicht dazu äußern.

VW Vorzüge
VW Vorzüge 99,92

Allerdings prüft auch Baden-Württemberg inzwischen eine Klage gegen VW. Das sagte eine Sprecherin des Stuttgarter Finanzministeriums der "Heilbronner Stimme". Ein Beamten- und ein Richter-Versorgungsfonds des Landes verfügen demnach über etwa 64.600 VW-Vorzugsaktien. Wie hoch der Anspruch des Landes auf Schadenersatz wäre, sagte die Sprecherin nicht.

Wie andere klagende VW-Anleger geht Bayern davon aus, dass VW zu spät über die Risiken des Abgas-Betrugs informiert hat. Volkswagen hatte bislang alle Anlegerklagen als unbegründet zurückgewiesen und betont, man habe alle Mitteilungspflichten ordnungsgemäß erfüllt. Anders als in anderen, teils milliardenschweren Anlegerklagen geht es im Fall Bayern um vergleichsweise wenig Geld: Der Schaden aus den VW-Kursverlusten in dem Pensionstopf, den Bayern vor Gericht als Dienstherr seiner Beamten geltend machen will, liegt nicht einmal im Millionenbereich.

Scharfe Kritik von den Grünen

Damit verknüpft ist aber ein politisches Signal. "Bayern muss Volkswagen verklagen", sagte CSU-Politiker Söder. "Der Pensionsfonds wird noch im September beim Landgericht Braunschweig Klage auf Schadenersatz einreichen." Söder sagte weiter: "Wir sind da auch rechtlich in der Verpflichtung für unsere Beschäftigten." Hintergrund der Klage seien die Wertverluste der VW-Aktien, nachdem der Skandal im September bekannt wurde. Zwischenzeitlich hatte die VW-Vorzugsaktie mehr als 40 Prozent an Wert verloren.

  Bayern hielt in seinem milliardenschweren Fonds im September 2015 rund 58.000 VW-Vorzugsaktien. Söder sagt: "Durch den Verstoß gegen Mitteilungspflichten seitens VW musste auch der bayerische Pensionsfonds einen Kursdifferenzschaden hinnehmen. Das Geld wollen wir von VW zurückhaben. Konkret geht es um maximal 700.000 Euro."

Die Grünen auf Bundesebene kritisieren den bayerischen Vorstoß scharf: "Statt Schadensersatzklagen für Bayern erwarten wir, dass die Regierungspartei CSU in Berlin endlich ihre Arbeit macht und die Interessen von Umwelt, Klima und Verbrauchern schützt", sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Millionen VW-Fahrer hofften seit Monaten vergeblich auf Unterstützung vom Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU, eine angemessene Entschädigung wie in den USA zu bekommen. Währenddessen versuche Söder, "seine Schäfchen ins Trockene zu bekommen", sagte Krischer.

"Wer Aktien kauft, muss mit dem Risiko leben"

Die Klage aus Bayern setzt auch Niedersachsen als VW-Land unter Druck: Das Bundesland mit seiner Koalition aus SPD und Grünen ist nach der Großfamilie Porsche/Piëch zweitgrößter Aktionär bei VW, sitzt im Aufsichtsrat des Autobauers und hält dort ein Vetorecht. Auch für Niedersachsen stand das Für und Wider einer Klage schon auf der Agenda. Doch auch nach der Klageankündigung Bayerns gegen den Autobauer sieht man keine Notwendigkeit für eigene juristische Schritte.

"Da warten wir ab, was die Staatsanwaltschaft tut", sagte Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider von der SPD. Eine Vorwarnung aus Bayern erhielt er nicht: "Ich habe das aus der Presse erfahren." Die Staatsanwaltschaft Braunschweig prüft noch, ob VW im Zuge des Abgas-Skandals Mitteilungspflichten verletzte und ermittelt wegen möglicher Marktmanipulation seit Juni gegen Ex-VW-Boss Martin Winterkorn und den amtierenden VW-Markenchef Herbert Diess.

Schneider betonte, Niedersachsen bewerte die Lage anders als Bayern. Zunächst einmal begreife sich das Land als ein strategischer Investor bei VW. "Wir kaufen und verkaufen keine VW-Aktien." Jeder fünfte Job des Weltkonzerns mit seinen gut 600 000 Mitarbeitern entfällt auf Niedersachsen. Mit Blick nach Bayern betonte Schneider: "Wer Aktien kauft, muss mit dem Risiko leben." Anders gelagert sei der Fall bei einer möglichen Verletzung der Mitteilungspflichten für VW. "Das wissen wir aber noch nicht. Das untersucht die Staatsanwaltschaft zurzeit, und auf das Ergebnis warten wir auch", sagte Schneider.

Bund plant keine Klage

In Deutschland ist Volkswagen schon mit diversen Schadenersatzklagen konfrontiert, die zusammen in die Milliarden gehen. Zu den klagenden institutionellen Anlegern gehören etwa eine Tochter der Allianz und viele ausländische Investoren. Der Bund dagegen plant keine rechtlichen Schritte gegen VW nach dem Vorbild Bayerns. Es gibt keine Absicht zu einer Klage, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Auch der Bund hat für seine Beschäftigten einen Versorgungsfonds, der bis zu zehn Prozent in Aktien investieren darf. Die Geldanlage übernimmt die Bundesbank. Investiert wird demnach nicht in einzelne Aktien, sondern in Indexfonds - also auch in den Dax, in dem VW notiert ist.

Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin Thüringen, Sachsen und Rheinland-Pfalz wollen ebenfalls nicht klagen, entweder, weil man keine Aktien von VW halte oder allenfalls indirekt. Sachsen-Anhalt prüfe derzeit die Zusammensetzung der eigenen Anlagen, hieß es. Aus den übrigen Ländern gab es keine Stellungnahmen.

Verkaufsstopp in Südkorea

Eine Hiobsbotschaft erreichte den Konzern dafür aus Fernost: In Südkorea hat das Umweltministerium den Verkauf von 80 VW-Modellen gestoppt. Der Hersteller muss außerdem 17,8 Milliarden Won (14,3 Millionen Euro) Strafe zahlen. Das offizielle Zulassungsverbot war erwartet worden - es ist eine Reaktion auf Unregelmäßigkeiten, die in Dokumenten über Emissionswerte und Lärmtests gefunden wurden. Der Autobauer wird beschuldigt, Unterlagen geschönt zu haben, um so die Zulassung für Importautos zu erhalten. Das Unternehmen werde alle "verfügbaren Maßnahmen" gegen den Verkaufsstopp in Erwägung ziehen, sagte eine Sprecherin von Audi Volkswagen Korea in Seoul. Dazu gehörten auch rechtliche Schritte. "Das ist eine der strengsten Sanktionen, die sie gegen uns verhängen konnten."

Die deutschen Autokäufer zeigen derweil Volkswagen zunehmend die kalte Schulter. Im Juli ging die Zahl der Neuzulassungen der Marke, verglichen mit dem Vorjahresmonat, um 12,6 Prozent zurück. Zudem wurden im Zuge des Abgas-Skandals 7,3 Prozent weniger Diesel-Pkw neu zugelassen, teilte das Kraftfahrt-Bundesamt mit. Über alle Automarken und -typen des VW-Konzerns hinweg gab es im Juli ein Minus von 3,9 Prozent. Volkswagen ist gleichwohl mit knapp 20 Prozent weiterhin Marktführer.

Auch in den USA geht der Absatz zurück: Im Juli wurden in den USA 28.758 Autos mit dem Volkswagen-Logo verkauft und damit 8,12 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. In den ersten sieben Monaten des Jahres sank der VW-Absatz im Jahresvergleich insgesamt um 13,6 Prozent auf 177.772 Stück.

Quelle: ntv.de, mli/dpa

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