Rate von 6,4 Prozent bestätigt Sondereffekte lassen Inflation steigen
11.07.2023, 08:54 Uhr Artikel anhören
Energie- und Rohstoffpreise sinken zwar - bei den Preisen für Lebensmittel ist das bislang aber nur selten zu spüren.
(Foto: picture alliance / SvenSimon)
Seit Monaten belastet die hohe Inflation die Menschen in Deutschland. Im Juni zog die Teuerung nach drei Rückgängen in Folge vorläufigen Berechnungen zufolge wieder stärker an und liegt nun bei 6,4 Prozent. Eine hohe Belastung sind weiter die Nahrungsmittelpreise (plus 13,7 Prozent). Immerhin: Der Anstieg in dem Bereich hat sich im Vergleich zum Mai leicht verringert. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum ist die Inflation im Juni wieder stärker gestiegen?
Nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes stiegen die Verbraucherpreise im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat um 6,4 Prozent. Im Mai lag die Jahresteuerungsrate noch bei 6,1 Prozent. Volkswirte führen das höhere Tempo vor allem auf einen Sondereffekt zurück. Ein Jahr zuvor dämpften das auf drei Monate befristete 9-Euro-Ticket für den Nahverkehr und der Tankrabatt zeitweise den Preisauftrieb. Dieser Effekt entfällt in diesem Jahr. "Die Juni-Zahlen unterbrechen nur den Abwärtstrend der Inflation, markieren aber noch nicht sein Ende", erläuterte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Mit einer durchgreifenden Entspannung bei den Preisen können die Menschen in Deutschland aus Sicht von Ökonomen in diesem Jahr aber noch nicht rechnen. Sie erwarten eine Teuerungsrate um 2 Prozent im Jahresschnitt hierzulande erst wieder 2024.
Wie hoch fällt der Preisanstieg bei Lebensmitteln aus?
Nahrungsmittel verteuerten sich im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat um 13,7 Prozent. Immerhin stiegen die Preise weniger stark als im Mai (14,9 Prozent). Deutlich mehr mussten Verbraucher im Juni für Molkereiprodukte (22,3 Prozent) sowie für Zucker, Marmelade, Honig und andere Süßwaren (19,4 Prozent) bezahlen. Merklich teurer binnen Jahresfrist wurden auch Gemüse (18,8 Prozent) sowie Brot und Getreideerzeugnisse (18,3 Prozent).
Warum haben sich Lebensmittel stark verteuert?
Das liegt zum großen Teil an den gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten infolge des Ukraine-Krieges. Bauern beklagten höhere Kosten: von Energie über Futter bis zu Stickstoffdünger. "Das höhere Kostenniveau belastet uns nach wie vor, auch wenn wir nicht mehr dieses extreme Niveau haben wie zuvor", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied zu Auswirkungen des Krieges auf Düngemittel und Energie jüngst. Der Handel wies unter anderem ebenfalls auf hohe Energie- und Rohstoffkosten hin. Steigen die Getreide- und Energiepreise, wird es beispielsweise für Bäcker teurer, Brot und Backwaren zu produzieren.
Wie stark höhere Kosten an Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden können, hängt auch vom Wettbewerb vor Ort ab. Teilweise kommen steigende Energie- und Rohstoffkosten auch erst mit Verzögerung beim Endkunden an. Das gilt umgekehrt für sinkende Kosten. "So wie sich die Preissteigerungen in der Lebensmittellieferkette erst zeitversetzt in den Verbraucherpreisen bemerkbar gemacht haben, wird sich die Entspannung bei den Erzeugerpreisen erst nach und nach in den Lebensmittelverkaufspreisen sichtbar machen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Lebensmittel, Franz-Martin Rausch, unlängst.
Welche Rolle spielen die Lebensmittelkonzerne?
Immer wieder wird auch der Verdacht geäußert, dass große Lebensmittelkonzerne die hohe Inflation zu unangemessenen Preisanhebungen nutzten. Der Chef des Handelsriesen Rewe, Lionel Souque, sieht inzwischen eine leichte Entspannung im Preisstreit des Handels mit der Lebensmittelindustrie. Zwar forderten die Hersteller mittlerweile seltener Preiserhöhungen. Aktuell sei allerdings kaum ein Hersteller bereit, sinkende Rohstoffkosten in Form von Preissenkungen weiterzugeben. "Das geht so nicht, da braucht es noch 'Erziehung'", sagte Souque jüngst der "Wirtschaftswoche".
Warum ist die Berechnung der Inflation überhaupt wichtig?
Steigen die Preise auf breiter Front über einen längeren Zeitraum stark, können sich die Menschen immer weniger für ihr Geld leisten und büßen einen Teil ihre Ersparnisse ein. Aber auch dauerhaft niedrige oder sinkende Preise können gefährlich sein. Sie können Unternehmen und Verbraucher dazu bringen, Investitionen aufzuschieben - und das kann die Konjunktur bremsen. Die Notenbanken beobachten daher genau, wie sich die Inflation entwickelt.
Was können Notenbanken tun?
Die Währungshüter steuern notfalls gegen, zum Beispiel mit Zinssenkungen bei schwacher Inflation oder Zinserhöhungen bei starkem Anstieg der Verbraucherpreise. Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht Preisstabilität im Euroraum bei mittelfristig bei einer Teuerungsrate von 2 Prozent gewahrt. Im Juni lag die Inflation im gemeinsamen Währungsraum mit 5,5 Prozent deutlich darüber. "Wir werden noch eine geraume Zeit mit zu hohen Inflationsraten leben müssen, das ist eine harte Wegstrecke", sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel jüngst. "Da muss die Geldpolitik hartnäckig bleiben." Die EZB hat die Zinsen im Euroraum bislang in einer beispiellosen Serie achtmal in Folge erhöht.
Quelle: ntv.de, rog/dpa