Wirtschaft

Was können wir uns noch leisten? Unternehmensberater (55): Wir haben dem Überkonsum den Kampf angesagt

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Früher gab das Ehepaar mehrere Tausend Euro pro Monat mehr aus.

Früher gab das Ehepaar mehrere Tausend Euro pro Monat mehr aus.

(Foto: picture alliance / Zoonar)

Vor allem Energie und Lebensmittel sind deutlich teurer geworden. Bei ntv.de verraten regelmäßig Menschen aus allen Einkommensgruppen, was das für ihren Alltag bedeutet - wie viel sie verdienen, wofür sie wie viel Geld ausgeben und was am Monatsende übrig bleibt. Heute:

Ein selbstständiger Unternehmensberater

Name: Ich möchte anonym bleiben*

Alter: 55

Wohnort: Großraum Düsseldorf

Ausbildung: Betriebswirt

Aktuelle Tätigkeit: Partner bei einer Unternehmensberatung

Arbeitszeit pro Woche: i.d.R. 50 Stunden, in der Spitze auch 60, inkl. Wochenenden

Monatliches Bruttogehalt: 12.600 Euro plus Dienstwagen, plus Bonuszahlung, abhängig vom stark schwankenden Jahresgewinn, im Schnitt umgerechnet 5000 Euro pro Monat. In den zwei Jahren der Corona-Krise fiel mein Einkommen allerdings deutlich niedriger aus.

Urlaubs- oder Weihnachtsgeld: nein

Familienstand: verheiratet, erwachsenes Kind im Studium

Haushalts-Nettoeinkommen pro Monat: 13.400 Euro:

  • 8700 Euro Netto-Gehalt, davon muss ich als Selbstständiger noch Kranken- und Rentenversicherung bezahlen
  • Umgerechnet im Schnitt 2900 Euro Bonus, ergebnisabhängig, stark schwankend
  • 1000 Euro Mieteinkünfte aus zwei Wohnungen
  • 800 Euro Einkünfte meiner Frau

Monatliche Ratenzahlung: Unser Haus ist abbezahlt.

Monatliche Kosten fürs Heizen: Bisher 450 Euro für Heizstrom, bis April hatten wir eine elektrische Heizung, jetzt eine Wärmepumpe und Fotovoltaik-Anlage, deshalb gehe ich davon aus, dass sich die Heizstromkosten halbieren werden.

Wie stark diese im Lauf der Energiekrise gestiegen sind: Von 24 Cent auf 52 Cent haben sie sich mehr als verdoppelt, wegen der Strompreisbremse zahlen wir aktuell aber nur 40 Cent.

Monatliche Stromkosten: Rund 150 Euro, wir sind ein sehr bewusster Haushalt - kein Wäschetrockner, nur Geräte mit bester Energieeffizienz, "Lichter aus!"

Wie stark diese im Lauf der Energiekrise gestiegen sind: analog zum Heizstrom

Weitere Fixkosten pro Monat:

  • 1600 Euro für Versicherungen und Altersvorsorge, davon
    - 1000 Euro Krankenversicherung für mich und meine Frau
    - 250 Euro private Renten- und Lebensversicherung
    - 200 Euro Krankenzusatz- und Berufsunfähigkeitsversicherung
    - 150 Euro Gebäude-, Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung
  • 200 Euro Autoversicherung, Steuern, Benzin und Reparaturen für Zweitwagen
  • 1500 Euro Ratenkredit für eine unserer vermieteten Wohnungen
  • 660 Euro Nebenkosten und Steuern für unsere vermieteten Wohnungen
  • 150 Euro Gebühren für unser Haus: Wasser, Müll, Grundsteuer, Schornsteinfeger
  • 160 Euro für Telefon, Internet, Rundfunkgebühr, Streaming und Medien-Abos

Zusätzliche Ausgaben für unser Kind:

  • 800 Euro Unterhalt und Semestergebühren
  • 100 Euro Versicherungen

Unterm Strich frei verfügbares Haushaltseinkommen für Lebensmittel, Hygiene, Freizeit, Kleidung, Urlaub etc.: etwa 7.650 Euro

Wie viel mehr wir heute für Lebensmittel ausgeben als vor einem Jahr: Wir schätzen den Teuerungseffekt auf ca. 15 Prozent. In etwa haben wir aber die gleichen Lebensmittel- und Haushaltsprodukte-Kosten von ca. 750 Euro im Monat - wir haben seit Corona Konsum und Ernährung umgestellt:

  • Zuvor haben wir viel auf Wochenmärkten und in klassischen Supermärkten eingekauft, jetzt decken wir unseren Grundbedarf in Bio-Qualität mit Discounter- und Bio-Hof-Produkten.
  • Unseren Fleischkonsum haben wir auf maximal ein- bis zweimal pro Woche reduziert.
  • Auf Fertigprodukte verzichten wir inzwischen fast ganz. Wir kochen mehr selbst, frieren ein, schmeißen deutlich weniger weg.

Es war für uns erstaunlich festzustellen, wie sehr gerade die traditionellen Lebensmittel, vor allem der großen Konsumgüterhersteller, sich verteuerten - prozentual definitiv mehr als unsere Bio-Händler vor Ort. Durch bewussten Konsum und etwas mehr Zeiteinsatz beim Kochen lassen sich enorme Einsparungen erzielen. Gesünder ist es auch noch. Zum Glück kochen wir beide gerne, gerade am Wochenende.

Wofür wir am meisten Geld ausgeben:

  • Urlaube und Kurzreisen: 1000 Euro pro Monat
  • Essengehen: 250 Euro
  • Bekleidung und Schuhe: 200 Euro
  • Geschenke an Familie und Freunde: 200 Euro
  • Museen, Konzerte, Kino: 100 Euro
  • Einrichtung und Garten, Instandhaltung unseres Hauses: 150 Euro
  • Friseur, professionelle Zahnreinigung und Zuzahlungen für Medikamente: 100 Euro

Besondere Ausgaben: In diesem Jahr für die energetische Sanierung unseres Hauses fast 70.000 Euro, wir erwarten aber, dass davon 21.000 Euro durch die staatliche Förderung abgedeckt werden, der Antrag ist gestellt.

Wie viel wir für Urlaub ausgeben: Umgerechnet ca. 1000 Euro im Monat, davon ein großer Sommerurlaub meistens nach Österreich oder Italien, ein Skiurlaub und zwei bis drei Wochenendtrips. Der Preisanstieg in diesem Sommer lag schätzungsweise bei 20 Prozent. Da wir inzwischen weniger verreisen, hat sich die Gesamtsumme aber nicht geändert. Wir haben früher alle zwei Jahre eine Fernreise gemacht, seit Corona und auch in den nächsten Jahren verzichten wir wegen des Klimawandels und gestiegener Kosten darauf. Früher sind wir auch mal für ein verlängertes Wochenende geflogen, das machen wir nicht mehr.

An welchen Stellen wir aufgrund der hohen Inflation sparen:

  • Schon in der Corona-Krise haben wir unser Konsumverhalten drastisch hinterfragt und umgestellt. Auch aufgrund meines hohen Einkommens spüren wir daher die Inflationseffekte nicht wirklich bzw. konnten sie kompensieren:
    - Wir gehen seltener essen als früher.
    - Wir haben die Ausgaben für Bekleidung und Schuhe um sicher die Hälfte reduziert: kaufen weniger, aber gute Qualität und nur noch den echten Bedarf.
    - Wir verzichten auf Flug- und Fernreisen.
  • Durch die Umstellung auf Wärmepumpe und Fotovoltaik gehe ich von einer Reduzierung der Stromkosten um 50 Prozent aus. Wir wollten wegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, aber auch wegen des Klimawandels unabhängiger von fossilen Brennstoffen sein.
  • Insgesamt haben wir dem Überkonsum den Kampf angesagt. Gerade wenn man es sich leisten kann, glaubt man, ganz viel und spontan ausgeben zu müssen. Weniger und bewusster zu konsumieren ist gesünder, günstiger und ressourcenschonender. Natürlich ist das eine privilegierte Situation und viele haben diese Möglichkeiten nicht. Auch die Investition in die Energiewende konnten wir uns leisten, obwohl es sich tatsächlich erst in 15 bis 20 Jahren monetär rechnen wird.

Wie viel am Monatsende übrig bleibt: Gut 4600 Euro, vor Corona eher nur 2000 Euro, da bei uns das Geld viel lockerer saß. Während der zwei Jahre Corona mussten wir spürbar an unsere Rücklagen gehen. Insgesamt hängt mein gesamtes Einkommen am Unternehmenserfolg und ist nicht garantiert.

Wie viel davon wir zurücklegen: Nahezu alles geht in unsere Ersparnisse und Altersvorsorge, etwa als Sondertilgung bei dem Kredit, den wir für eine Wohnung noch abbezahlen. Ich habe außerdem ein Aktiendepot. Da wir als Selbstständige nur geringe Beträge aus der gesetzlichen Rentenversicherung bekommen werden, müssen wir uns komplett selbst absichern. Da sich unsere Rürup-Rente und eine früher abgeschlossene Lebensversicherung als sehr schlechte Investitionen herausgestellt haben, setzen wir jetzt auf Immobilien und Aktien. Ich gehe davon aus, dass ich das hohe berufliche Pensum in dieser Form nur noch fünf bis sechs Jahre machen werde und will dann kürzertreten können. Daher brauchen wir hohe Rücklagen für später.

Wünsche an die Politik:

Ich würde mir wünschen, dass die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse, v.a. biologisch angebautes, entfällt und für die übrigen frischen Lebensmittel gesenkt wird.

Mir bereiten die gesellschaftlichen Entwicklungen global, aber auch in Deutschland große Sorgen. Ich gehe von größeren Verwerfungen in den nächsten zehn Jahren aus, getrieben von Klimakrise, sozialer Ungleichheit, Kampf um Ressourcen und totalitärem Denken (das hängt alles zusammen) - mit ungewissem Ausgang für unseren Lebensstandard und unsere Lebensweise. Darauf gibt mir die Politik - damit meine ich Regierung und Opposition - keine überzeugenden Antworten. Stattdessen hat man eine Neiddebatte entfacht, die das Leid von Flüchtlingen und z.B. die Bedürftigkeit von Rentnern und Familien gegeneinander aufwiegt.

Inflation zum Anfassen

Die Angaben dieser wichtigsten Einnahmen und Ausgaben beruhen auf Selbstauskünften, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Spannend, oder? Wenn Sie auch mitmachen möchten, melden Sie sich gern per E-Mail an mitmachen[at]ntv.de

Ich bin immer noch fassungslos, wie ein Industrieland wie Deutschland in eine solche Energie-Situation kommen konnte. Ich bin entsetzt, dass wir Braunkohle wieder hochfahren, statt Atomstrom sinnvoll bis zum Ende zu nutzen und die Erneuerbaren konsequent auszubauen.

Mir fehlt außerdem vollkommen das Verständnis, wie man Superreiche, Großkonzerne und Banken so davonkommen lässt. Ich zahle seit 20 Jahren um die 50.000 Euro Steuern pro Jahr, das sind mit durchschnittlich 33 Prozent mehr als Unternehmen mit Steuervermeidungsmodellen. Steuerverbrechen wie bei Cum-Ex müssten drakonisch bestraft werden.

*Der Name ist der Redaktion bekannt

Quelle: ntv.de, Christina Lohner

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