Sauber gepriesen, dreckig geliefert "VW ist böse, Opel nicht"
13.05.2016, 13:15 Uhr
Erst der Zafira, jetzt auch noch der Astra: Der Abgas-Skandal zieht weitere Kreise.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Drehzahl im Diesel-Skandal steigt. Im Labor, auf der Rolle sind alle Autos sauber, auf der Straße nur noch Dreckschleudern - egal wie umweltfreundlich Autos ausgewiesen werden. Jetzt also neue Manipulationen bei den Opel-Modellen Zafira und Astra. Verbraucher werden durch Software systematisch getäuscht. Es geht um noch mehr als bloße Technik: Es geht auch um Gesundheit und das Verhältnis von Politik und Autoindustrie. Was ist hier los?, fragen wir den Autoexperten Helmut Becker.
n-tv.de: Inwiefern ähnelt die Manipulation der Abgasabschalteinrichtung bei Opel der von VW? Wer ist der Böse, VW oder Opel?
Helmut Becker: Salopp gesprochen: VW ist böse. Opel ist nicht böse, jedenfalls nicht vor dem Gesetzgeber. Vor dem Gesetz hat Volkswagen manipuliert, getrickst und getäuscht. Opel hat zwar getrickst und getäuscht, aber nicht gegen bestehende Gesetze verstoßen. Opel hat in einer Stellungnahme zu den Vorwürfen bekräftigt, dass man keine Software einsetze, "die feststellt, ob ein Auto einem Abgastest unterzogen wird". Das ist richtig. Das haben sie nicht gemacht, das hat VW gemacht. Aber dieser Satz von Opel besagt nicht, dass sie gar keine Software zur Manipulation eingesetzt hätten.
Der Umweltrechtsexperte Martin Führ von der Hochschule Darmstadt ist anderer Ansicht. Er hält die Abschaltvorrichtungen von VW und Opel gleichermaßen für illegal. Egal, wie sie technisch angelegt seien, alle seien ein Verstoß gegen die Verordnung.
Ich würde das so nicht sehen. Was Opel gemacht hat, ist nicht illegal. Der Gesetzgeber hat einen ganz bestimmten Zustand definiert, der erfüllt sein muss. Diesen Zustand hat Opel erfüllt. Opel hat nicht gegen bestehende Abgasgesetze verstoßen. Sie haben irgendwann das sogenannte Thermofenster erst bei 20 Grad aufgehen lassen, darunter sind die Abgase nicht behandelt worden. Und dann haben sie dieses Fenster bei 30 Grad "geräuschlos" wieder geschlossen. Der Gesetzgeber hat diesen Zustand nicht definiert, deshalb ist er auch nicht illegal - aus meiner Sicht. Volkswagen hat das übrigens nicht so gemacht. Die haben nur einen bestimmten Zustand definiert, der Rest blieb frei.

Helmut Becker schreibt als Autoexperte und Volkswirt für teleboerse.de und n-tv.de eine monatliche Kolumne rund um den Automarkt.
Zwischen 20 und 30 Grad funktioniert alles "vollumfänglich", sagt Opel. Das entspricht 10 Prozent im Jahr. Warum ist der Gesetzgeber gegenüber der Autoindustrie so großzügig?
Weil der Gesetzgeber naiv ist. Er hat sich von der Autoindustrie vorführen lassen. Er sollte die Autolobby verbieten und die Festlegung von technischen Details den einschlägigen Hochschulen wie ika Aachen oder der TU in München überlassen, die können das und brauchen keine Lobby.
Verkehrminister Alexander Dobrindt hat sich damit zufrieden gegeben, dass Hersteller kleine Nachbesserungen vornehmen. Ist das ein fauler Kompromiss?
Das ist ein Kompromiss, der nicht tragfähig ist. Die Tests müssen nach den realen Straßenbedingungen stattfinden, den sogenannten RDE Standards.
Es geht um noch weit mehr als technische Details und faule Kompromisse zwischen Politik und Autoindustrie. Tausende Menschen sterben jedes Jahr an Autoabgasen. Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe spricht von "Körperverletzung mit Todesfolge". Übertreibt er?
Tausende? Lachhaft, das sind Hundertausende. Schauen Sie sich die Bilder von China, Peking und Shanghai an. Aber diesen Nachweis zu führen, ist schwierig. Die Chinesen laufen frei herum, obwohl die Luftverschmutzung dort so hoch ist. Dass es da Gesundheitsprobleme geben muss, ist unbestreitbar. Nur, den Beweis anzutreten, dass diese Probleme kausal auf Diesel-Abgase zurückzuführen sind, denjenigen möchte ich sehen, der diesen Beweis führen kann. In China zum Beispiel dürfen überhaupt keine Dieselautos verkauft werden, trotzdem ist die Luftverpestung unglaublich hoch.
Muss das Thermofenster abgeschafft werden?
Nein. Das hat offensichtlich technische Zwangsläufigkeiten. Der Diesel-Motor nimmt im kalten Zustand Schaden, wenn frühzeitig Abgasreinigungsmethoden einsetzen. Aber die Tatsache, dass man bei BMW bereits bei zehn Grad, also der unteren Grenze anfängt, zeigt, dass es auch anders geht.
VW, Opel, wer kommt als nächstes?
Ich hoffe, niemand mehr. VW und Opel sind die Massenhersteller. Es könnte höchstens noch Ford kommen, weil der Autobauer ebenfalls in einem Segment tätig ist, wo bei den Kosten um jeden Cent gerungen wird. Alles hängt ausschließlich am Geld. Das Geld für die teure Abgastechnik können sie am ehesten in Premium-Fahrzeugen investieren. Ob diese Autos dann 1000 Euro mehr kosten oder nicht, ist dem Käufer egal.
Mit Helmut Becker sprach Diana Dittmer
Quelle: ntv.de