Wirtschaft

Bald 3000 Dollar je Unze? Wie der Goldpreis auf nie dagewesene Höhen zusteuert

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Sollten Privatanleger noch auf den fahrenden Zug aufspringen? Fiduka-Experte Marco Herrmann sagt Ja. Aber nur im kleinen Stil. Bessere Kaufgelegenheiten durch kleine Rücksetzer sind aus seiner Sicht programmiert.

Sollten Privatanleger noch auf den fahrenden Zug aufspringen? Fiduka-Experte Marco Herrmann sagt Ja. Aber nur im kleinen Stil. Bessere Kaufgelegenheiten durch kleine Rücksetzer sind aus seiner Sicht programmiert.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Goldpreiskurve zeigt steiler nach oben als je zuvor. Die 2700-Dollar-Marke ist bereits gefallen. Wie hoch geht es noch? ntv.de spricht mit Marco Herrmann vom Vermögensverwalter Fiduka über die Treiber der Rally. Und wie der Wahlausgang in den USA den Preis beeinflussen wird.

Der Preis für Gold zieht seit Monaten steil nach oben - vor einem Jahr kostete eine Feinunze noch weniger als 2000 US-Dollar. Jetzt überwand der Preis erstmals die Marke von 2700 Dollar, zeitweise kostete die Unze bereits 2712 Dollar. Die Gründe für die steigende Nachfrage nach dem Edelmetall, die preistreibend wirken, sind mannigfach. Und eine alte Weisheit ist aktueller denn je: Risiken und Unsicherheiten sind Gift für die Finanzmärkte. Und davon gibt es einige - angefangen von den zunehmenden geopolitischen Spannungen bis hin zu den dramatisch steigenden Staatsschulden. Gold, das gemeinhin als "sicherer Hafen" gilt, hat davon bereits kräftig profitiert. Und einiges spricht dafür, dass es noch weitere Luft nach oben gibt, wie Marco Herrmann vom Vermögensverwalter Fiduka im Gespräch mit ntv.de sagt.

Die größten Treiber der Preisrally sind die Notenbanken. Auf der Suche nach dem sprichwörtlichen "sicheren Hafen" hat diese Käufergruppe "in den vergangenen zwei Jahren vehement und kontinuierlich Gold angehäuft und umgeschichtet", so Herrmann. Laut dem World Gold Council haben Zentralbanken im ersten halben Jahr 483 Tonnen Gold gekauft. Das ist die größte Menge, seitdem der Lobbyverband diese Daten erhebt. Ihren Ausgangspunkt hat die aktuelle Preisrally laut dem Experten im Jahr 2022, als Russland die Ukraine überfiel. Damals sperrte der Westen Moskaus Devisenreserven im Ausland. Staaten, die mit der Putin-Regierung sympathisieren - unter anderem China -, fürchteten, dass ihnen dasselbe blühen könnte. Ihre Notenbanken schichteten deshalb im großen Stil US-Staatsanleihen in physisches Gold um.

Goldkäufe und -verkäufe der Zentralbanken bis Ende September 2024 in Tonnen

Goldkäufe und -verkäufe der Zentralbanken bis Ende September 2024 in Tonnen

(Foto: Worls Gold Council)

In den Tresoren der Banken wussten sie ihre Handelsüberschüsse in Form von Goldbarren in Sicherheit. Gleichzeitig machten sie sich von der Weltleitwährung Dollar unabhängiger. "Dabei ist bemerkenswert, dass wir Anfang 2022, als der Krieg ausbrach, noch eine hohe Inflation und deshalb steigende Zinsen hatten", so Herrmann. "Das war kein gutes Umfeld für Gold." Aber die Devise lautete Sicherheit vor Rendite. Seit die Notenbanken die Leitzinsen wieder zurückschrauben, sind zudem die konkurrierenden Zinspapiere weniger attraktiv. "Meines Erachtens wird dies weiterhin eine treibende Kraft bleiben", sagt der Rohstoffexperte.

Aktuell stehen die global wachsenden Schuldenberge und der ungewisse Ausgang der bevorstehenden US-Präsidentschaftswahl im Fokus. Die Unsicherheit, wer künftig in Washington die Strippen zieht - die Kandidatin der Demokraten, Kamala Harris, oder der republikanische Anwärter und Ex-Präsident, Donald Trump, - scheint dem Goldpreis noch eine Extraportion Rückenwind zu geben. Absolut in US-Dollar betrachtet sind die USA der unumstrittene Schuldenkönig der Welt. Für das Jahr 2024 wird die Staatsverschuldung der größten Volkswirtschaft auf etwa 35,5 Billionen Dollar prognostiziert. "Wegen des anhaltend hohen Haushaltsdefizits von sechs bis sieben Prozent wird dieser Schuldenberg weiter ansteigen."

Die USA stehen nicht alleine da. Auch andere Länder leben über ihre Verhältnisse. Seitdem es Geld gibt, waren ausufernde Staatsschulden immer der Auslöser für ansteigende Inflationsraten. Die Bevölkerung erkannte, dass unbegrenztes Drucken von Geld zur Finanzierung des Staates den Wert des Geldes verwässert. Vermögende flüchteten in werthaltigere Anlagen oder andere Währungen, was zur weiteren Abwertung der heimischen Währung führte. "Gut möglich, dass sich die Geschichte wiederholt", so Herrmann.

Sorgen um die Geldwertstabilität

Dieses Jahr dürfte die weltweite Staatsverschuldung erstmals die Gesamtsumme von 100 Billionen Dollar übertreffen, schätzt der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem Bericht zur Entwicklung der öffentlichen Verbindlichkeiten. Gemessen an der Wirtschaftsleistung wird die Schuldenquote Ende des Jahres dann bei 93 Prozent liegen. Bis 2030 dürfte sie sich 100 Prozent annähern. Zum Vergleich: 2019 und damit vor der Pandemie waren es 90 Prozent. "Beim Thema Schulden sind wir bei einem 'Point of no Return'", warnt der Fiduka-Experte.

Auch Deutschland ist kein Musterschüler. Der offizielle Schuldenstand ist mit 2,5 Billionen Euro zwar relativ niedrig. Angesichts der vielen Schattenhaushalte ist das aber auch nur die halbe Wahrheit. "Wir müssen die grüne Transformation finanzieren, unsere Wirtschaft umstellen, nachhaltiger werden. Das kostet Geld und erfordert Investitionen. Dazu haben wir ein demografisches Problem." Haushaltssanierung werde nirgendwo funktionieren, weil es "politisch nicht umsetzbar" sei, so Herrrmann. "Man läuft lieber sehenden Auges gegen die Wand."

Marco Herrmann, Geschäftsführer Fiduka-Depotverwaltung

Marco Herrmann, Geschäftsführer Fiduka-Depotverwaltung

(Foto: Fiduka)

"Seit der Finanzkrise laufen die Staatsschulden nach oben, in der Corona-Pandemie wurde noch mal zusätzlich draufgesattelt. Alles geht nur über schuldenfinanziertes Wachstum und schuldenfinanziertes Umverteilen", führt der Fiduka-Experte weiter aus. Um gegenzusteuern, sei es "fast zu spät". "Insofern ist es auch egal, ob Kamala Harris oder Donald Trump Präsident wird." Sicher sei, ihre Pläne würden die Staatsverschuldung weiter in die Höhe treiben. Die Staatsschuldenquote werde so bald die von Italien überholen.

Sollte Kamala Harris gewinnen, wird der Goldpreis sofort weiter steigen, prognostiziert Herrmann. Der Grund: Donald Trump würde die Wahl nicht anerkennen, es würden chaotische Tage folgen. "Das würde die Verunsicherung befeuern, und Gold weiter profitieren." Bei einem Sieg Trumps hält Herrmann beide Szenarien für möglich: einen steigenden Goldpreis sowie einen fallenden. "Wenn Trump noch mehr Geld ausgibt oder über Steuersenkungen weniger einnimmt und so noch mehr Schulden anhäuft, wird die US-Notenbank von weiteren Zinssenkungen absehen. Das würde den Dollar stärken und zumindest vorübergehend den Goldpreis dämpfen."

"3000 Dollar je Unze sind ein Zwischenziel"

Andererseits würden aber Faktoren, die längerfristig wirkten, "am Ende aber den Goldpreis positiv beeinflussen, sodass sich der Aufwärtstrend fortsetzen dürfte", sagt Herrmann: "Die Schuldenstände, die zunehmenden geopolitischen Spannungen und immer mehr Diktatoren, die an der Macht und durchaus bereit sind, Krieg zu führen, lassen Gold immer attraktiver erscheinen", konstatiert der Fiduka-Experte.

Jährliche Goldnachfrage nach Sektoren in Tonnen. ETFs und ähnliche Finanzprodukte sind in Pink hervorgehoben. Die Nachfrage 2023 liegt insgesamt fünf Prozent unter der im Jahr 2022.

Jährliche Goldnachfrage nach Sektoren in Tonnen. ETFs und ähnliche Finanzprodukte sind in Pink hervorgehoben. Die Nachfrage 2023 liegt insgesamt fünf Prozent unter der im Jahr 2022.

(Foto: World Gold Council)

Die 3000-Dollar-Marke ist für ihn deshalb nur ein "Zwischenziel auf dem Weg nach oben". Der deutsche Ökonom Jens Baader habe Gold einmal treffend "geronnenes Misstrauen" genannt. Das Misstrauen könnte derzeit kaum größer sein.

Luft nach oben beim Goldpreis sieht Herrmann auch noch aus einem anderen Grund: Die Goldbestände in den ETFs seien in den vergangenen drei Jahren rückläufig und das Interesse der Finanzinvestoren nicht groß gewesen. Seit drei, vier Monaten lasse sich nun aber ein leichter Anstieg feststellen. Neben den Notenbanken könnte eine andere Käufergruppe auf den Plan treten.

Sollten Privatanleger auch noch auf den fahrenden Zug aufspringen? Im kleinen Stil sei ein Einstieg immer noch möglich, sagt Herrmann. Anleger sollten mit größeren Investments aber auf Rückschläge warten. Wer jetzt noch zugreifen will, sollte goldgedeckte ETCs wie Xetra-Gold oder Euwax Gold II kaufen statt physisches Gold, empfiehlt der Experte. Das sei sicherer, man könne schneller kaufen und verkaufen. Außerdem seien die Gebühren dabei nicht so hoch.

Quelle: ntv.de

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