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Nutzen des zweiten Boosters Für wen ist eine vierte Impfung sinnvoll?

Ein Mann steht an einem Covid-19-Impfcenter hinter der Bodenaufschrift

Eine Empfehlung für die zweite Auffrischimpfung für alle gibt es bislang noch nicht.

(Foto: Arne Dedert/dpa/POOL/dpa/Symbolb)

Omikron treibt derzeit die Infektionszahlen auf nie dagewesene Höchststände. Gleichzeitig lässt der Impfschutz bei vielen nach. Das ist vor allem für ältere und geschwächte Menschen gefährlich. Sie sollen eine vierte Spritze bekommen. Doch wie sieht es beim Rest der Bevölkerung aus?

Die Impfkampagne in Deutschland stagniert. Noch immer sind fast 24 Prozent der Bevölkerung komplett ungeimpft. Gleichzeitig erreicht die Sieben-Tage-Inzidenz laut Robert-Koch-Institut (RKI) täglich immer neue Höchststände. Noch nie war das Risiko so hoch, sich mit Corona zu infizieren. Das kann vor allem für ältere und geschwächte Menschen gefährlich werden. Denn auch wenn die Omikron-Variante meist mildere Verläufe verursacht, ist sie "alles andere als ein Schnupfen", warnte Virologin Sandra Ciesek zuletzt in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Abhilfe soll die Viertimpfung schaffen. Doch was bringt sie? Und für wen ist ein Booster-Booster überhaupt sinnvoll?

Nach israelischem Vorbild hatte sich die Ständige Impfkommission (STIKO) Anfang Februar für eine vierte Corona-Impfung für bestimmte Gruppen ausgesprochen. Demnach wird eine zweite Auffrischimpfung für folgende Personengruppen empfohlen:

  • Menschen ab einem Alter von 70 Jahren
  • Bewohner und Betreute in Pflegeeinrichtungen und Personen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf in Einrichtungen der Eingliederungshilfe
  • Menschen mit einer Immundefizienz ab 5 Jahren
  • Mitarbeitende über 16 Jahre in medizinischen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen, insbesondere solche mit direktem Patienten- beziehungsweise Bewohnerkontakt

Bei gesundheitlich gefährdeten Menschen soll der zweite Booster frühestens drei Monate nach der ersten Auffrischimpfung erfolgen, das Personal in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen solle den zweiten Booster frühestens nach sechs Monaten erhalten. Für Menschen, die nach der ersten Auffrischimpfung eine Corona-Infektion durchgemacht haben, empfiehlt die STIKO keine zweite Auffrischungsimpfung.

Kaum Nutzen für Jüngere

Die STIKO begründete ihre Empfehlung damit, dass "aktuelle Daten zeigen, dass der Schutz nach der ersten Auffrischimpfung gegen Infektionen mit der momentan zirkulierenden Omikron-Variante innerhalb weniger Monate abnimmt". Dies sei "insbesondere für Menschen ab 70 Jahren und für Personen mit Immunschwäche bedeutsam, da diese das höchste Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf nach einer Infektion haben".

Der zweite Booster soll nun den Schutz verbessern. Denn seit Jahresbeginn ist die Omikron-Untervariante BA.2 auf dem Vormarsch in Deutschland -mittlerweile geht laut RKI fast die Hälfte der Neuinfektionen auf das Konto von BA.2. Diese Variante führt dazu, dass das Virus noch leichter in die Zellen der oberen Atemwege eindringen kann, um sich dort zu vermehren. Die Wahrscheinlichkeit, sich bei einem mit Omikron BA.2 infizierten Haushaltsmitglied anzustecken, ist doppelt so hoch wie bei BA.1.

Angesichts dieser hohen Infektiösität gibt es Überlegungen, den zweiten Booster für alle einzuführen. Doch Daten aus Israel zeigen: Für junge und gesunde Erwachsene bringt eine vierte Dosis eines mRNA-Impfstoffs nur "geringfügigen Nutzen". Die Studie, die im Fachmagazin "New England Journal of Medicine" veröffentlicht wurde, untersuchte 274 Beschäftigte des Sheba Medical Center in Tel Aviv, die vier Monate nach der ersten Booster-Impfung mit Biontech/Pfizer oder Moderna noch eine zweite Auffrischimpfung erhalten hatten. Jeder Proband wurde mit zwei Teilnehmern einer Kontrollgruppe verglichen, die nur drei Impfdosen erhalten hatten.

Das Ergebnis: Die vierte Dosis erhöhte bei den Studienteilnehmern zwar die Anzahl der neutralisierenden Antikörper, die ein Eindringen des Coronavirus in die Zellen verhindern. Die Werte nach der vierten Dosis waren dabei aber mit den Werten kurz nach der dritten Dosis vergleichbar.

Zusätzlichen Schutz vor einer Ansteckung mit der Omikron-Variante des Coronavirus bot die vierte Dosis der Studie zufolge aber kaum. Probanden, die eine vierte Biontech-Impfung erhielten, hatten ein um 30 Prozent geringeres Infektionsrisiko als Geimpfte mit drei Dosen. Probanden mit einer Viertimpfung von Moderna hatten lediglich ein um 18 Prozent geringeres Infektionsrisiko.

Bester Schutz durch Schleimhautimmunität

Eine langanhaltende Immunität kann man Charité-Virologe Christian Drosten zufolge aber auch abseits von angepassten Impfstoffen oder Viert- und Fünftimpfungen erreichen. "Die ideale Immunisierung ist, dass man eine vollständige Impfimmunisierung hat mit drei Dosen und auf dem Boden dieser Immunisierung sich dann erstmalig und auch zweit- und drittmalig mit dem Virus infiziert und dass man dadurch eine Schleimhautimmunität entwickelt, ohne schwere Verläufe in Kauf nehmen zu müssen", sagte Drosten im NDR-Podcast. Wer das durchgemacht hat, sei wahrscheinlich über Jahre immun und werde sich nicht wieder reinfizieren. Dabei bestimme die Intensität der Infektion mit, wie anhaltend der Immunschutz sei.

In den Schleimhäuten existiert ein eigenes Immunsystem mit einer speziellen Form von Antikörpern, erklärte Molekularbiologe Emanuel Wyler der "Zeit". Die mRNA-Vakzine können die Produktion solcher Antikörper vorübergehend anregen - irgendwann seien sie aber abgebaut. Mit der Zeit, so Wyler, reiche die Antikörpermenge in den Schleimhäuten nicht mehr aus, um das Coronavirus abzuwehren. Man infiziert sich. Die sogenannten T-Zellen verhindern dann in den allermeisten Fällen eine schwere Erkrankung.

Eine natürliche Infektion auf Basis einer vollständigen Impfung regt die Schleimhautimmunität Drosten zufolge deutlich besser an. Die Omikron-Variante und ihre schnelle Ausbreitung können dabei wie eine Art natürlicher Booster wirken.

Warten auf angepassten Impfstoff

Momentan empfiehlt die STIKO keine zweite Auffrischimpfung für alle. Das kann sich aber je nach Infektionslage - vor allem Richtung Herbst und Winter - ändern. Auch wenn die Impfstoffhersteller ein potenteres Vakzin auf den Markt bringen, könnten wieder alle zu einer weiteren Spritze geladen werden. Moderna und Biontech arbeiten derzeit an ihren an Omikron angepassten Impfstoffen. Ob diese einen besseren Schutz mit sich bringen, steht allerdings noch aus. Zudem verzögert sich die Auslieferung. Moderna rechnet derzeit mit seinem angepassten Impfstoff im August. Es werde noch auf klinische Daten gewartet, ob ein neuer Impfstoff besser schützt als eine vierte Dosis des herkömmlichen oder ob es eine Mischung aus beidem wird.

Auch Biontech-Chef Uğur Şahin kündigte sein Omikron-Vakzin nun für April oder Mai an. Zunächst wurde von März ausgegangen. Ob dann aber überhaupt noch ein spezifischer Omikron-Impfstoff notwendig ist, ist angesichts der wohl im Frühjahr abflauenden Welle fraglich.

(Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 24. März 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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