Test für GLA, C- und V-Klasse Drei Sterne für das Timmelsjoch
28.11.2014, 12:10 Uhr
Die V-Klasse muss sich auf dem Timmelsjoch bewähren.
(Foto: Holger Preiss)
Dass Fahrzeuge mit Allradantrieb den besseren Grip auf der Straße haben, überrascht nicht. Dass es aber nicht zwingend ein SUV sein muss, um im Winter über die Bergpässe zu sausen, beweisen drei Probanden von Mercedes.
Vor 30 Jahren fuhr der erste Mercedes mit Allradantrieb auf deutschen Straßen. Es war der W124, dem die Ingenieure den Vortrieb über alle vier Räder ermöglichten. Die Kraftverteilung betrug seinerzeit 33 zu 67 Prozent zugunsten der Hinterachse. Ein Verhältnis, das so heute noch von der Stuttgarter Sportabteilung AMG für den 557 PS starken Mercedes E 63 genutzt wird. Das ist eine AMG-Spezialität, denn üblicherweise erfolgt die Verteilung auf beide Achsen heute im Verhältnis 45 zu 55 Prozent.
Diese Verteilung schafft natürlich ein wesentlich ausgeglicheneres Fahrverhalten als die sportlich ruppige hecklastige Kraftentfaltung bei AMG. Um das zu beweisen, schickt Mercedes drei seiner Fahrzeuge auf das berühmte Timmelsjoch, jene schmale Passstraße, die Tirol und Italien verbindet. Bereits jetzt ruht die schmale Straße verschneit im Winterschlaf und bietet ideale Bedingungen den Allradantrieb der Stuttgarter unter die Lupe zu nehmen. Da gibt es angefrorene Eisplatten in den spitzen Kehren, aufgetauten Matsch und dann wieder völlig vom Wind freigeblasene Abschnitte, an den Seiten türmen sich Wände aus zusammengeschobenen Schneewällen auf.
Die Probanden für den Testlauf sind die V-Klasse, der C 400 und der GLA 250. Alle ausgestattet mit 4Matic, versteht sich. Andernfalls wäre das Terrain nicht zu bewältigen. Für die V-Klasse ist der Allradantrieb eine Premiere: Erst jetzt ist die mit 5,12 Meter Länge "größte Luxuslimousine" aus Stuttgart mit diesem Vortrieb zu haben. Befeuert wird der Van von dem bekannten 2,1-Liter-Diesel mit 190 PS. Die C-Klasse ist mit ihrem V6-Motor, 333 PS und 480 Newtonmeter Drehmoment der wuchtigste Bergsteiger. Ob der sich aber besser als seine beiden Kameraden für die Auf- und Abfahrt auf Schnee und Eis eignet, muss er erst noch beweisen. Denn rein von der Sache müsste der GLA 250 mit drei Zentimeter höher liegendem Offroad-Fahrwerk, der 4Matic und 211 PS die Strecke am besten bewältigen.
V-Klasse als Himmelstürmer
Den Anfang macht die V-Klasse. Erstaunlich souverän stürmt der Stuttgarter die verschneiten Serpentinen hoch. Sanft, fast unmerklich schaltet die 7-Gang-Automatik und verteilt die Elektronik die Kraft auf das Rad mit dem besten Grip. Das geht gut und trotz der üppigen 440 Newtonmeter Drehmoment dreht keines der Räder beim Aufstieg durch. Auch durch die spitzen Kurven lässt sich der Riese problemlos steuern. Auf den langen Anstiegen ohne Kurven beschleunigt der Stuttgarter Luxus-Van mühelos auf Tempo 100 und bremst genauso mühelos ab. Natürlich muss der Fahrer frühzeitig abbremsen, den Kurvenwinkel richtig einschätzen und den Blick am Kurvenausgang behalten. Doch ist er dort angekommen, darf er wieder beherzt aufs Gas treten und der Van schiebt sich weiter mühelos bis zum Scheitelpunkt.

Der C 400 scheint manchmal einfach zu viel Kraft zu haben und fängt gerne an mit dem Heck zu wedeln.
Ganz anders bewegt sich der Fahrer mit dem C 400 auf diesem Geläuf. Während der V6 auf trockenem Terrain locker voranstürmt, hat die Elektronik bei Anstiegen und im Schnee doch ganz gewaltig zu arbeiten, damit die Räder den richtigen Grip finden. Wer hier das Gaspedal stürmisch ins Blech nagelt, der darf sich nicht wundern, wenn sich die 18-Zöller mit ihren 235er Gummis nur schaufelradartig durch den Schnee wühlen, aber erst nach den elektronischen Testeinheiten von Rad zu Rad greifen und den 1,6 Tonnen schweren Benz voranschieben. Auch in vereisten Kurven ist Besonnenheit geboten. Trotz der 4Matic neigt der C 400 ob seiner Kraft dazu, gerne mit dem Heck zu wedeln. In der Regel lässt er sich gut einfangen, wenn der Fuß vom Gas genommen wird und das ESP die Bremseingriffe vollzieht, aber wer hier nicht wach ist, landet mit Sicherheit abseits der Straße.
C 400 kann zum Heckwedler werden
Doch wie bewährt sich jetzt der GLA am Timmelsjoch? Er ist in seinem Element! Ausgestattet mit Offroad Komfortfahrwerk und 7-Gang-DCT macht der kleine Kraxler mit den G-Genen keine Anstalten sich von Schnee, Eis oder Matsch von seinem Aufstieg abbringen zu lassen. Mit 211 PS wirklich nicht untermotorisiert, werden hier die 350 Newtonmeter Drehmoment ausgesprochen dezent und vor allem kraftsparend an die Räder verteilt. Auch was Grip und Kurvenlauf betrifft, geht der GLA gut. Trotz seiner 19-Zöller nimmt er die Bodenwellen zwar spürbar, aber für die Insassen nicht unangenehm. Angenehm ist, dass sich bei allen drei Fahrzeugen dank des Automatikgetriebes alte Tricks wie das Anfahren am Berg im zweiten Gang mit schleifender Kupplung erübrigen.
Den Aufstieg zum Scheitelpunkt haben alle drei Probanden gemeistert. Doch wie geht es die gleiche Strecke wieder hinunter? Bei der V-Klasse schieben die zwei Tonnen gewaltig. Früher als bergan muss vor den Kehren gebremst werden. Andernfalls stößt der Allradantrieb hier zwangsläufig an die Grenzen der Physik und der Van gegen die Schneewehe. Insgesamt lässt sich das V mit 4Matic aber ausgezeichnet ins Tal steuern. Grund für den souveränen Halt auf der Schräge sind aber auch der weite Achsstand und der für einen Transporter angenehm tiefliegende Schwerpunkt. Am Ende erweist sich die V-Klasse mit Allradsystem als echter Alpenläufer. Allerdings kommen für das System beim V 250 Blue Tec, der mit 50.000 Euro nicht wirklich preiswert ist, weitere 4000 Euro dazu. Wer aber auch im Winter auf die Berge steigen will, hat hier gut investiert.
Mit dem V den größten Spaß
Die Abfahrt mit dem C 400 gestaltet sich erwartungsgemäß etwas windiger. Wer hier zu flott unterwegs ist, stößt deutlich früher an die physikalischen Grenzen und kann das Heck zweimal an sich vorbeisausen sehen: einmal beim zu späten Bremsen und immer dann, wenn bei der Abfahrt zu ungestüm Gas gegeben wird. Denn auch hier drücken die fast zwei Tonnen fest in Richtung Tal. Wer sich für 1416 Euro extra das Airmatic Agilitäts-Paket gegönnt hat, der kann beim Bergan- und Bergablauf zwischen vier verschiedenen Fahrprogrammen wählen. Interessant ist der Unterschied zwischen Comfort und Sport. Bei Letztgenanntem liegen die Kräfte früher an, das ESP greift später ein und der Wagen geht agiler über die verharschte Piste. Allerdings neigt er in diesem Modus eher zum Ausbrechen. Aber auch hier sollte man vorsichtig sein, liegt doch der Preis für den C 400 4Matic bei etwa 52.000 Euro.
Souverän und völlig ohne Mühe bewegt sich der GLA 250 4Matic die Strecke hinab. Wie schon beim Aufstieg zeigt er keine Schwäche beim Kurvenlauf. Der Grip stimmt auch bergab, die Elektronik regelt unauffällig und um den kleinen Kraxler aus der Ruhe zu bringen, braucht es schon einiges Ungeschick. Mit 37.496 Euro ist er auch der preiswerteste Benz in diesem Dreigestirn. Doch wollte man ein Fazit zu den Fahrten mit diesen drei sehr unterschiedlichen Fahrzeugen treffen, dann bliebe doch die V-Klasse am präsentesten. Das liegt vor allem daran, dass der Fahrer nicht erwartet, dass ein Van von dieser Größe sich so leichtfüßig und mit so viel Spaß über verschneite Bergpässe fahren lässt. Hinzu kommt, dass man dank der hohen Sitzposition hier den schönsten Ausblick auf die verschneiten Berge hat.
Quelle: ntv.de