Vinyl-Neuauflage der Klassiker Pink-Floyd-Alben endlich wieder zu haben
05.06.2016, 17:55 Uhr
"The Piper At The Gates Of Dawn" - das Pink-Floyd-Debüt ist zusammen mit den drei Nachfolge-Alben wieder auf Vinyl zu haben.
(Foto: Pink Floyd)
Erstmals seit mehr als 20 Jahren erscheinen alle Pink-Floyd-Alben neu gemastert auf Vinyl. jetzt gibt's die ersten vier Platten - vom Debüt mit Syd Barrett bis zur Doppel-LP "Ummagumma". Ein Muss für Musikfreunde oder nur was für Fans?
Es gibt Bands, die findet man in jedem wohl sortierten Plattenladen mit Gebraucht-LPs und bei jedem Flohmarkt-Händler, der Vinyl aus den Siebzigern verkauft. Pink Floyd gehören ohne Frage dazu. Gebraucht kann man ihre Alben eigentlich überall kaufen - mal mehr, mal weniger gut erhalten und nicht immer zu fairen Preisen. Im regulären Handel waren die Vinylscheiben der einflussreichen Briten aber schon seit über 20 Jahren nicht mehr erhältlich. Jetzt sind die ersten vier Alben wieder zu haben: neu gemastert und auf frischem, schwarzen 180-Gramm-Vinyl.
Das Frühwerk der Briten zählt im Rückblick musikalisch nicht zur stärksten Phase, doch auf den ersten Platten wurde das Fundament gelegt für spätere Großtaten wie "Dark Side Of The Moon", "The Wall" und "Wish You Were Here". Von der cineastischen Breite dieser Alben ist auf dem Debüt freilich noch nicht viel zu hören. "The Piper At The Gates Of Dawn" (1967) trägt die Handschrift von Frontmann Syd Barrett. Hier hört man die Band in Originalbesetzung, mit Roger Waters am Bass, Richard Wright an den Tasten und Nick Mason am Schlagzeug - es sollte die einzige Platte unter Barretts Leitung bleiben.
Guter Sound, aber ...
Neu gemastert und klanglich aufpoliert klingen die Songs toll, wahrscheinlich besser als jemals zuvor, und mit Nummern wie "Astronomy Domine", "Lucifer Sam" oder "Interstellar Overdrive" sind anspruchsvolle Klassiker dabei, die bereits zeigen, in welche Richtung die Band ihren Entwurf von Psychedelic Rock entwickeln würde. Spannend ist die Mischung aus Folk- und Pop-Anleihen, psychedelischen Ausflügen, langen Instrumentalpassagen und schrägen Geräusch-Collagen allemal, Syd Barretts abgedrehte Texte tun ihr übriges.
Der gute Sound kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht alle Stücke den Test der Zeit unbeschadet überstanden haben, manchmal scheint doch etwas Patina durch. Das ist auch bei den Folgealben nicht anders, bei denen dann David Gilmour mit an Bord ist. Der Gitarrist und Sänger ersetzte Syd Barrett erst sporadisch bei Auftritten und wurde, nachdem es mit dem Frontmann immer mehr bergab ging, schnell festes Bandmitglied. Auf dem zweiten Album "A Saucerful Of Secrets" (1968) findet sich nur noch ein Barrett-Song, ganz am Ende der Platte - kurz nach Veröffentlichung gab die Band die Trennung von Barrett bekannt.
Hörbare Entwicklung
Der Wechsel ist zu hören, die Musik entwickelt sich unter der Songschreiber-Regie von Roger Waters und Richard Wright hörbar weiter. Hier hört man die Band im Übergang vom rumpelnden und teils kruden psychedelischen Sound des Debüts zum epischen, dicker aufgetragenen Songwriting der späteren Alben, bei dem auch ein Hauch Pathos willkommen ist. Die Platte ist ausgereifter als der Vorgänger, ein deutlicher Fortschritt mit ein paar Höhepunkten, die heute immer noch gut klingen und daher eher einen Kauf wert als die Debüt-Scheibe.
Album Nummer drei ist der Soundtrack zum Film "More" (1969). Die Band hatte hier mehr kompositorischen Freiraum als bei den Vorgängern, weil eine Musik als Filmbegleitung natürlich anderen, weniger straffen Regeln unterliegt als das traditionelle Songwriting. Den Freiraum nutzt das Quartett auf seine Weise und präsentiert mit dem in nur acht Tagen aufgenommenen "More" einen bunten Stilmix. Cineatische Klangflächen finden sich auf "More" genauso wie das wilde, hardrockige "The Nile Song", melancholische Orgeln und folkige Klänge. Den Lead-Gesang übernimmt hauptsächlich David Gilmour, viele Songideen stammen von Roger Waters. Schade ist: Ohne die begleitenden Bilder wirkt die Musik stellenweise blass.
Immerhin: Klasse Cover
Nummer vier im Reissue-Reigen ist das ebenfalls 1969 erschienene "Ummagumma", die erste Doppel-LP der Band mit 86 Minuten Spielzeit. Auf der ersten Platte finden sich Live-Versionen von frühen Stücken, auf Scheibe Nummer zwei ist neues Material zu hören. Die Band setzt hier auf sich wiederholende Klangschleifen, spielt Stimmaufnahmen verkehrt herum ab und bindet Feldaufnahmen ein. Die Live-Platte beschert den Fans unter anderem den frühen Klassiker "Be Careful With That Axe, Eugene" und drei weitere Nummern der ersten beiden Platten, die im Live-Kontext mit ihren ausufernden Interpretationen mehr zu bieten haben als die Studioversionen.
Die zweite Scheibe bringt dann neues Material der vier Bandmitglieder - jeder steuert ein eigenes Stück zur Platte bei und bekommt eine halbe Plattenseite. Ob dieser Solo-Ansatz im Bandkontext überhaupt Sinn ergibt? Jedenfalls ist die Platte im Rückblick kein Pflichtwerk, auch die Bandglieder selbst äußerten sich negativ über "Ummagumma". Immerhin: Das Cover ist klasse.
Kein Muss
Oft gelten die ersten Alben einer Band als die besten - das ist im Falle von Pink Floyd nicht so, die Band hat sich von Album zu Album weiterentwickelt. Vor diesem Hintergrund ist es kein Muss, jetzt die ersten vier Reissues zu kaufen. Interessant sind sie aber allemal, nicht nur für Komplettisten, und auf jeder Scheibe sind ein paar Glanzmomente zu finden.
Schade ist aber, dass die Macher der Neuauflagen, Pink Floyd Records, nicht mehr Liebe in die Aufmachung gesteckt haben. Artwork und Verpackung der Platten sind so nah wie möglich an den Originalen - das ist zu begrüßen. Doch damit verpasst das Label auch eine Chance, den Käufern der Alben einen Mehrwert zu bieten - zum Beispiel in Form abgedruckter Texte oder begleitender Liner Notes, die die Musik in einen Kontext einordnen. Das erleichtert Neueinsteigern den Zugang zur Musik und kann auch für Band-Kenner noch ungeahnte Tore öffnen. Doch die Reissues bieten nichts dergleichen, auch keinen Download-Code zum Herunterladen der MP3-Versionen der Songs - das ist heute eigentlich Standard und gehört zum guten Ton.
Quelle: ntv.de