Die neue Philosophie der Elektromobilität BMW i3 - Stromer mit Rundumversorgung
17.10.2013, 13:38 Uhr
Die Front des i3 trägt die markentypische Niere, die Außenhaut ist stets zweifarbig.
(Foto: Uwe Fischer (BMW))
Kein deutscher Hersteller hat so viel in ein Elektroauto investiert wie BMW. Mit dem i3 geht jetzt die wohl ganzheitlichste Idee eines Stromers an den Start. Nicht alle Kritikpunkte kann der Elektriker allerdings ausräumen.
Meist mündet die Diskussion um die Elektromobilität im Todschlagargument der Reichweite. 160 Kilometer sind den meisten Deutschen zu wenig. Sie sehen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt, denn ein normaler Verbrenner trägt sie mindestens 500 Kilometer. Da hilft es auch nichts, dass Berechnungen und Umfragen ergeben haben, dass bei der täglichen Fahrt kaum mehr als 50 Kilometer zurückgelegt werden. Weitere Gründe für die Verweigerung sind eine mangelnde Infrastruktur an Ladestationen und der, gemessen an "normalen" Autos, hohe Einstiegspreis.
Diese Verhinderungsgründe können auch die Bayerischen Motorenwerke nicht wegzaubern, aber sie haben in sechs Jahren Entwicklungszeit und mit einer geschätzten Investition von drei Milliarden Euro mit dem i3 ein Elektrofahrzeug geschaffen, das der Mittelpunkt eines geradezu philosophischen Ansatzes ist. Der beginnt damit, dass man bei BMW nicht wie bei anderen Herstellern darauf setzt, Vorhandenes einfach mit einem Elektromotor zu versehen. Nein, der ökologischen Idee verpflichtet, wurde ein komplett neues Fahrzeug entwickelt und drum herum eine ganze Armada an Goodies gestrickt, die das elektrische Fahren attraktiv machen sollen.
Die Entschleunigung durch Elektromobilität

Mit Hilfe des Navis lassen sich Ladestationen und Verbindungen des öffentlichen Nahverkehrs anzeigen.
Das wohl konsequenteste Angebot der sogenannten 360-Grad-Electric-Lösung ist die, dass i3-Besitzern für lange Urlaubsfahrten ein BMW ihrer Wahl zu Sondermietkonditionen angeboten wird. Mit der sogenannten Charge-Now-Card soll das Laden an öffentlichen Stationen ohne Bargeld möglich sein und eine fest verbaute SIM-Karte im i3 sorgt für ständige Konnektivität. Im Übrigen ein Service, der nicht mit Zusatzkosten verbunden ist. Die Flatrate wird ein Autoleben lang von BMW bezahlt.
Die Konnektivität hat einige Vorteile. Eine App, die sowohl auf Apple- als auch Android-basierten Geräten läuft, ermöglicht den uneingeschränkten Zugriff auf das Fahrzeug. Ladestände können abgerufen werden, die Klimaanlage lässt sich programmieren, das Fahrzeug von jedem Punkt der Welt ver- und entriegeln und wer will, der kann aus der Ferne auch mal auf die Hupe drücken, um Passanten zu erschrecken. Wichtiger ist aber die Möglichkeit, von jedem Ort, an dem man sich mit dem i3 befindet, Informationen zu alternativen Reisemöglichkeiten zu bekommen oder zu den nächstgelegenen Ladestationen.
Die Idee des i-Projekts ist es, dem Nutzer eines Elektroautos die Angst zu nehmen, irgendwann mit leerer Batterie auf der Strecke liegen zu bleiben. Ob der Umstieg in öffentliche Verkehrsmittel dazugehört, liegt im Auge des Betrachters. Bedenkt man, dass die Autos die Menschen einst unabhängig von Bus und Bahn machten, werden sie so wieder integraler Bestandteil ihrer Fortbewegung. Da unsere Städte aber ohnehin immer voller werden, müssen die Autofahrer wohl über kurz oder lang auch ernsthaft über diese Alternative nachdenken.
Ist die Lithium-Ionen-Batterien (Energie-Kapazität 22,0 kWh) dann doch mal leer, bieten sich mehrere Möglichkeiten zum Nachladen an: in bis zu acht Stunden an der hauseigenen Steckdose, an einer Wechselstromladestation in etwa drei Stunden, oder an den in Deutschland noch sehr seltenen Schnell-Ladestationen mit Gleichstrom. Hier hat man bereits innerhalb von 30 Minuten wieder 80 Prozent des Akkus zur Verfügung. Für das heimische Laden bietet BMW auch eine eigene Ladestation für 800 Euro oder einen Solarcarport für 15.000 Euro, die den Ladevorgang auf etwa drei Stunden verkürzen. Bei diesen Zeiten hat man den Eindruck, dass Elektroautos unser Leben deutlich entschleunigen werden.
Bis zu 160 Kilometer unter Strom
Aber bevor es so weit ist, können sie natürlich den i3 als reines Elektroauto für Fahrten über Strecken von bis zu 160 Kilometern benutzen. Um diese Distanz zu überwinden, haben die i-Ingenieure den Stromer mit einem Fahrmodischalter ausgestattet, mit dem zwischen Eco-Pro und Comfort gewechselt werden kann. In der Eco-Stufe dürfte die Reichweite natürlich größer sein, denn Klimaautomatik und andere Stromfresser werden auf das Nötigste reduziert. Das liest sich furchtbar, ist aber für die Insassen des mit 4 Metern Länge sehr kurzen, mit 1,77 Metern eher schmalen und mit 1,58 Metern recht hohen i3, in dem vier Personen reichlich Platz finden, kaum spürbar.
Um die Reichweite zu verlängern, haben die Bayern natürlich auch an die Rekuperation, also an die Rückführung der Brems- und Rollenergie in den Akkumulator, gedacht. Das stellt sich fahrtechnisch so dar, dass man eigentlich nur noch mit einem Pedal fährt: dem Gas- oder Strompedal. Nimmt man den Fuß zurück, bremst der Wagen merklich ab. Mit etwas Gefühl kann man so ganz geschmeidig an jede Kreuzung rollen und der Batterie neue Energie zuführen, ohne auch nur mit dem rechten Fuß in Richtung Bremse gezuckt zu haben.
Bei aller Sparsamkeit hat der Bayer aber seine sportlichsten Gene behalten. In 7,2 Sekunden katapultiert sich der lediglich 1095 Kilogramm schwere i3 auf Tempo 100. Elektronisch wird ihm ein Limit von 150 km/h verordnet, damit der Akku nicht zu stark belastet wird. Rein technisch wäre natürlich mehr drin. Auch das Fahrwerk ist BMW-typisch sportlich abgestimmt. Mit einer Fünflenker-Hinterachse und einer Achslastverteilung von 50:50 gibt sich der i3 ausgesprochen agil im Handling. Hinzu kommt mit 9,86 Metern ein extrem kleiner Wendekreis.
Spa-Atmosphäre im Innenraum
Während an dieser Stelle die schwungvolle Beschreibung des Sounds käme, herrscht jetzt Schweigen. Ohne jeden Ton von Kolben und Zylindern rollt der i3 seiner Wege. Das könnte gespenstisch anmuten, ist es aber nicht, denn der Bayer singt sein ganz eigenes Lied. Über die wuchtigen 19-Zöller, die, um Strom zu sparen, nur mit 155er Reifen bemäntelt sind, wird beispielsweise der Lauf über regennasse Straßen hörbar. Dazu mischt sich das leise Zischen der Scheibenwischer und so entsteht eine ganz eigene Melodie, der man sich im Innenraum anpasst. Auf eigentümliche Art und Weise bekommt die Fahrt im i3 eine gewisse Spa-Atmosphäre.
Dass man im Bayernstromer entspannen kann, liegt auch daran, dass fast alles, was an Sicherheits- und Assistenssystemen in anderen BMW angeboten wird, optional oder in Serie auch im i3 zu finden ist. Dazu gehören zum Beispiel Driving Assistant Plus mit kamerabasierter Geschwindigkeitsregelung mit Stop & Go-Funktion, Stauassistent, Speed Limit Info und Überholverbotsanzeige, Personenwarnung und Auffahrwarnung mit City-Anbremsfunktion sowie der sogenannte Vorausschauassistent. Selbst die optisch schmal anmutenden Sitze, deren Bezüge unter anderem aus recycelten PET-Flaschen gewoben sind, geben sich erstaunlich bequem. Außerdem gleichen sie optisch Rennsitzen, was einem etwas von dem Gefühl zurückgibt, das man bei abgeriegelten 150 km/h in dem Bayern verloren glaubt.
Konsequent ökologisch mit Charme
Doch wie schon erwähnt, ist der i3 nicht aus der M-Schmiede, sondern aus der Abteilung i. Und die hat auch in puncto Werkstoffen und Design Konsequenz bewiesen. Die Außenhaut des Öko-BMW ist aus kunststoffverstärktem Karbon (CFK). Allerdings ist der hier verwendete Leichtbaukunststoff nicht mit dem Karbon aus dem Rennsport zu vergleichen. Während der in alle Richtungen eine hohe Steifigkeit aufweisen muss, sind die Verbundstoffe beim i3 so strukturiert, dass sie immer in Belastungsrichtung ihre größte Festigkeit aufweisen. Das Dach zum Beispiel ist aus recyceltem CFK. Damit dient es wirklich nur als Regenschutz. Die Steifigkeit bei einem Überschlag erhält der Wagen durch die A-, B- und C-Säule.
Wobei die B-Säule aus der Verschränkung der Portaltüren entsteht. Die sind im Übrigen aus Thermoplast, was Dellen schier unmöglich macht. Allerdings hat dieses Türprinzip auch seine Tücken. Fond-Passagiere können die zweite Reihe erst verlassen, wenn die Vordertür geöffnet wurde. Das heißt: Entweder windet man sich schlangenartig zum Türgriff oder man wartet, bis Fahrer oder Beifahrer das Tor geöffnet haben. Das wäre dann wie in einem Coupé. Nur dass das nicht mit dem Nimbus der Familientauglichkeit verkauft wird.
Mit Blick auf die verwendeten Materialien im Innenraum muss man sich von Bekanntem verabschieden. Auch hier hat man sich ganz der ökologischen Idee verschrieben. Die Träger der Instrumententafel und die Türverkleidungen sind aus Fasern der Kenaf-Pflanze gefertigt. Deren Struktur ähnelt in ihrer Naturbelassenheit schwarzen Spanplatten. Das muss nicht jedermanns Sache sein, fügt sich aber auch hier auf charmante Art und Weise in das Gesamtkonzept ein. Wahlmöglichkeiten für das Interieur bieten sich für den i3 mit unterschiedlichen Ausstattungslinien. Alternativ zur serienmäßigen Version Atelier werden die Ausstattungslinien Loft, Lodge und Suite angeboten, die für weitere Varianten bei der Innenraumgestaltung sorgen.
Ob der i3 ein attraktives Auto ist, muss jeder für sich entscheiden. Eine Reichweite von 160 Kilometern sind nicht viel und 34.500 Euro für ein Kompaktklasse-Modell kein Schnäppchen. Dennoch ist es für ein Auto wie den BMW i3 ein fairer Preis. Vier vollwertige Sitze und ein Kofferraumvolumen von 260 bis 1130 Liter geben keinen Grund zur Klage. Und wer tatsächlich nicht mehr als 100 Kilometer pro Tag zurücklegt, wird mit Sicherheit nicht ohne Saft auf der Strecke bleiben. Wer noch einmal 4500 Euro in den Range-Extender - den Reichenweitenverlängerer, der die Batterie nachlädt - investiert, verdoppelt die mögliche Fahrstrecke noch. Für eine lange Urlaubsfahrt oder einen spontanen Trip an die Ostsee oder ins nächste Skigebiet reicht aber auch das nicht. Hier müsste man sich mit den gebotenen Alternativen von BMW anfreunden oder auf die Verbesserung der Infrastruktur setzen, für die sich die Bayern auch stark machen.
Quelle: ntv.de