Wuchtiger Brite mit Biturbo-W12 Continental Supersports - vorerst der stärkste Bentley


Eine sportliche Schürze ist unter anderem Merkmal des bulligen Bentley Continental Supersports.
Mit dem modernen Continental hat Bentley einen Klassiker kreiert. Es gelang der Marke, mit Komponenten aus der Großserie ein respektables Luxusauto auf die Räder zu stellen. ntv.de hat den inzwischen eingestellten Supersports ausgeführt, der den vorläufigen Höhepunkt der Reihe markiert.
Luxusmarken haben es wirtschaftlich nicht leicht derzeit. Ihre Produkte sind zu teuer, um große Stückzahlen zu erreichen. Genau diese aber sind erforderlich, damit sich hohe Entwicklungskosten überhaupt amortisieren. Und je komplexer ein Auto ist (und das sind Luxusautos), desto größer der Entwicklungsaufwand. Zudem gilt: Um immer strengere gesetzliche Vorgaben bei den Themen Abgas und Crashsicherheit kommen die Edelkarossen sowieso nicht herum, denn die müssen Fahrzeuge aller Segmente einhalten. Diese Gemengelage hat dazu geführt, dass traditionelle Edelschmieden wie Bentley oder Rolls-Royce schon vor mehr als zwei Jahrzehnten von großen Konzernen wie Volkswagen und BMW übernommen wurden.
Der Plan dahinter - Kostensenkung durch Komponentensharing und Steigerung der Produktqualität. Um das Beispiel Bentley aufzugreifen: Die Briten hatten sich auf diese Weise neu erfunden vor genau 20 Jahren. Der Volkswagen-Konzern steuert die Komponenten zum nötigen Cocktail, den wiederum Ingenieur Adrian Hallmark, damals Vorstand für Vertrieb und Marketing bei Bentley, gemeinsam mit seinem Team anrührt. Heraus kam die Continental-Baureihe als Cabriolet, Coupé und Limousine (Flying Spur) mit Allradantrieb, Hightech-Fahrwerk und potenten Acht- wie Zwölfzylindermotoren.
Die neuen Continental bestechen mit Hightech-Fahrwerk

Der Bentley Continental fährt nur altersmäßig in der Mitte. Bei der Leistung gibt er mit 710 PS den Ton an. Noch.
(Foto: Bentley)
Diese Modellfamilie existiert bis heute, nur dass Bentley inzwischen auf den von Porsche entwickelten, sogenannten Standardantriebsbaukasten statt auf die D-Plattform der Volkswagen-Gruppe setzt (Sie erinnern sich, diese Basis nutzte auch der Phaeton). Dafür gibt es jetzt ein Doppelkupplungsgetriebe statt Wandlerautomatik und die Fahrwerksgadgets - Luftfederung sowie adaptive Dämpfung waren schon immer gesetzt - wurden um Hinterachslenkung plus Wankausgleich (48-Volt-Netzwerk) erweitert. Außerdem verliert der Luxusliner mit der neuesten Generation deutlich über 100 Kilogramm Gewicht.
Damit keine Missverständnisse entstehen - der Bentley war schon immer deutlich edler als das Volkswagen-Produkt und auch als ein Porsche Panamera, und es ist wesentlich mehr Handarbeit im Spiel. Der Plan ging auf, Bentley hatte mit dem Konzept Erfolg. Und zwar so viel, dass die viertürige Ausgabe Flying Spur immer wieder zeitweise auch in der Dresdner Gläsernen Manufaktur gefertigt werden musste statt im nordwestenglischen Crewe, wo die Kapazität schlicht an ihre Grenzen stieß.

Carbon und der deutlich erkennbare Schriftzug "Supersports" machen das Identifizieren des bisher stärksten Bentley Continental einfach.
(Foto: Bentley)
Das bisherige Highlight Continental Supersports ist ein verflossenes Modell - was nicht heißen muss, dass nie mehr wieder ein Continental-Highlight kommt. Die optisch überarbeitete Ausführung ist der bisher dickste Brummer im Nest der weitverzweigten Familie mit 710 PS. Noch auf der D-Plattform basierend, wird die ungeheure Power seines doppelt aufgeladenen W12 mit 1017 Newtonmetern noch über eine klassische Achtgang-Automatik übertragen. Sportlich anmutende Anbauteile, allen voran die differenziert ausgestaltete Frontschürze, markante Lufteinlässe in der Motorhaube sowie der extrovertiert wirkende Schriftzug "Supersports" sollen die überbordende Potenz zur Schau tragen. Innen gibt es statt Holz als Dekor außerdem Sichtcarbon.
Akustisch hält sich der Biturbo-W12 nicht zurück

Auch die Spiegelgehäuse bestehen beim Bentley Continental Supersports aus sportiv anmutendem Carbon.
(Foto: Bentley)
So langsam steigt die Spannung, wobei das mit dem "Supersports" so eine Sache ist. Der Bentley Continental GT ist - wie der Name schon sagt - ein Gran Turismo mit straffem, aber nicht maximal hartem Fahrwerk und so gar kein Sportler. Startknopf drücken und horchen: Der Zwölfender meldet sich mit einem Wruuuuum. Alles klar, an der Auspuffanlage (besteht aus Titan) haben die Techniker also ordentlich gearbeitet. Fahrstufe rein und los - erstmal durch den Stadtverkehr von Genf quälen, wo das Bentley-Presseteam den bisher stärksten Continental ausgibt. Nach ein paar Ampeln mit langer Rotphase wird es aber schnell ländlich und wenn man ein bisschen aufpasst, kann man den Allrad-Sportler an der einen oder anderen Stelle laufen lassen.
Seine rund zweieinhalb Tonnen kann der Brite aber letztlich nicht verleugnen. Mit der Vehemenz, mit der er auf Tempo (maximal sind 336 Sachen drin) kommt - und die machtvolle Maschine schmettert die Karosse wahrlich auf Landstraßengeschwindigkeit, immer untermalt von zornigem Grollen, anders kann man es nicht formulieren -, schiebt das Schwergewicht auch gen Kurvenaußenrand, wenn es zu schnell durch Biegungen geht. Vielleicht hätte dieser spezielle Conti ja das Zeug zum Dragrace-King, wer weiß. Pizzatellergroße Keramikscheiben fangen den 4,82 Meter langen Zweitürer zur Not wieder ein.
Mehrwert für den User? Na klar, der Supersports ist ein Sammlerstück und wenn man Superlative liebt, macht sich das Coupé ganz gut mit seinen 710 Pferdchen. Und die PS-Zahl entspricht der exakt der gebauten Stückzahl des Supersports. Bei 710 Exemplaren war Schluss.
So stark wie der Supersports ist aktuell kein Continental

Rautenförmig gestepptes Leder sieht edel aus. Genauso analoge Instrumentenanzeigen. Als Dekor gibt es Sichtcarbon.
(Foto: Bentley)
Was ist denn da bloß los mit Bentley, haben die denn keinen Continental mehr mit einer solchen Leistung? Na ja, die aktuelle, noch gerade gebaute "Speed"-Ausgabe boostet mit immerhin 659 PS in Richtung Getriebeeingangswelle und der Punch ist jetzt auch nicht gerade schwächlich. Und dafür ist der aktuelle Continental ja auch ein bisschen leichter und verkneift sich den Wandlerschlupf der klassischen Automatik. Aber er verzichtet auch auf den Komfort, den dieses Getriebe bietet.
Und was sagt der Hersteller? Na, der Supersports ist schon wuchtiger, benötigt laut Werk nur 7,2 Sekunden bis 160 km/h, nimmt dem aktuell stärksten Modell bis dorthin eine halbe Sekunde ab. Seien wir ehrlich: Einen solch marginalen Unterschied spürt man nicht wirklich, zumal sich ein direkter Vergleich wohl selten ergeben dürfte.
Und überhaupt, nur weil es derzeit keinen stärkeren Continental gibt, heißt das ja nicht, dass es ewig so bleiben wird. Ob das für das jetzige Verbrenner-Modell gilt, bei dem der bärige Zwölfzylinder in absehbarer Zeit ja sogar entfällt, sei dahingestellt. Ein elektrisch angetriebener Nachfolger könnte jedenfalls doppelt so stark werden wie die Topmodelle des derzeit angebotenen Continental, lässt Adrian Hallmark durchklingen, der inzwischen übrigens Bentley-Chef ist. Noch dazu soll es irgendwann zwischen Mitte und Ende des Jahrzehnts möglich sein, binnen 20 Minuten Energie für mehrere Hundert Kilometer nachzufassen.
Ob schiere Leistung jedoch alles ist, was anspruchsvolle Bentley-Kunden zufriedenstellt, bleibt abzuwarten. Eine große Wahl werden sie jedoch ohnehin nicht haben, falls die Hersteller (und das sind nahezu alle) ihre Elektrostrategien wie angekündigt umsetzen. Doch bis dahin werden ja noch einige Jahre ins Land ziehen.
Quelle: ntv.de