Wuchtbrumme mit Vibrato Cadillac Escalade - ausgebremstes Dickschiff
19.03.2015, 12:01 Uhr
Als Zugmaschine bewältigt der Escalade 3,1 Tonnen.
(Foto: Holger Preiss)
Für seinen Europaauftritt hat sich der Cadillac Escalade in der vierten Generation schick gemacht. Die Außenhaut des Premium-SUV wirkt modern, nicht ohne die Wucht des Amis zu unterstreichen. Unter dem Blech arbeitet modernste Technik, die mit einer Überraschung aufwartet.
Sein Name ist Programm und steht in der Übersetzung für Ersteigen oder Klettern. Ob man das mit dem 2,7 Tonnen schweren Monster eines US-amerikanischen SUV kann, ist nach der ersten Ausfahrt rund um das Züricher Stadtgebiet nicht zu sagen. Aber eins ist sicher: Wer mit diesem Bomber unterwegs ist, fällt auf! Und das nicht nur durch seine Maße. Immerhin ist der Cadillac Escalade in der Kurzversion 5,18 Meter lang und überragt hier schon den Mercedes GL um sechs Zentimeter. Die Langversion streckt sich dann sogar bis auf 5,70 Meter.
Aber nicht nur das: Cadillac hat sich verändert. Wer auch nur eine der drei Vorgängergenerationen des Escalade kennt, wird überrascht sein, dass ein Auto dieser Größe und mit US-amerikanischen Wurzeln nicht wanken muss wie ein Tanker in schwerer See. Zugegeben, die Wuchtbrumme gibt sich auch mit Magnetic-Ride-Control-Fahrwerk und zwei Fahrmodi, einer davon nennt sich Sport, als echter Amerikaner zu erkennen. Die Seitenneigung in Kurven ist deutlich zu spüren, die Lenkung gibt nur beschränkt Rückmeldung, was in der Summe nicht dazu beiträgt, den Wunsch zu entwickeln, das Dickschiff mit voller Wucht in die Kurve zu legen. Auch dann nicht, wenn man sich vor Augen führt, dass es sogar eine automatische Differenzialsperre für die Hinterachse gibt, die bei Bedarf mehr Traktion zur Verfügung stellt. Trotzdem ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Gewicht, das hier bewegt wird, physikalische Grenzen setzt, die dem Fahrer, wenn er nicht völlig wahnsinnig ist, beim Gang ums Eck eine gehörige Portion Respekt abverlangen.
Es geht nicht um Geschwindigkeit
Letztlich geht es aber auch nicht um Geschwindigkeit. Obwohl die kein Problem wäre. Der Escalade wird ausschließlich von einem echten Ami befeuert. Unter der Haube arbeitet nämlich ein 6,2 Liter V8, der 426 PS mobilisiert und je nach Wunsch ordentliche 623 Newtonmeter an die Vorderachse oder auch an alle vier Räder verteilt. Die ausgezeichnet arbeitende Automatik schiebt die Gänge über sechs Stufen und beschleunigt das Monster ganz geschmeidig in 6,7 Sekunden und mit grollendem V8-Sound auf Tempo 100. Das jähe Erwachen kommt, wenn der Rausch gerade am schönsten ist. Bei 180 km/h ist es, als würde jemand den Drachen würgen und ihm die Luft nehmen. Tatsächlich setzt bei dieser Geschwindigkeit eine elektronische Bremse dem freien Lauf ein Ende. Das ist unfassbar, denn der Escalade soll in Deutschland der Premiumkonkurrenz Kunden abjagen. In diesem Punkt dürfte das mitnichten gelingen, denn die Mitbewerber fegen bei ähnlicher Pferdestärke locker über die 200er-Marke. Eine Sache befriedet dann aber vielleicht wieder. Cadillac gibt den Durchschnittsverbrauch des Escalade mit 13 Litern Super an. Im ersten Test wies der Bordcomputer 13,9 Liter aus. Das geht für das Dickschiff absolut in Ordnung.
Auch an anderer Stelle hat der Cadillac allemal das Zeug, seine Premiumqualität auszuspielen. Für 96.500 Euro offeriert er eine Fülle an Features, die bei den Mitbewerbern teuer bezahlt werden müssen. Im Innenraum herrscht Wohnzimmer-Feeling. Traumhaft groß und geräumig ist es im kantigen Amerikaner. Und dort, wo einst eine Plastikwüste regierte, herrschen jetzt belederte Flächen und Echtholzintarsien. Für jeden Handgriff gibt es elektrische Helferlein, die aber nicht über schnöde Knöpfe bedient werden, sondern über Sensortasten. Wer also die Lautstärke des mit 16 Lautsprechern und von Bose stammenden Surround-Sound-Systems verändern möchte, der gleitet einfach mit dem Finger über die Mittelkonsole. Dort können auch die Pedalstellungen verändert, die 18-fach elektrisch verstellbaren Sitze belüftet oder geheizt und das Handschuhfach entriegelt werden. Um dem Piloten alles ins Blickfeld zu packen, gibt es nicht nur einen TFT in der Mittelkonsole, sondern auch die Tachoskalen sind zur Projektionsfläche geworden und wurden dafür von allen mechanischen Elementen befreit. Über das Instrumentarium kann jetzt von Geschwindigkeit und Drehzahl bis hin zum Bordcomputer und der Straßenkarte alles dargestellt werden.
Helferlein, die am Po brummen

Der Cadillac Escalade ist auf Europas Straßen bereits in der Kurzversion mit 5,18 Metern das längste SUV, das hier unterwegs ist.
(Foto: Holger Preiss)
Für die zweite Reihe, die in der Serie mit zwei separaten Sesseln bestückt wird, ist ein ausklappbarer 9 Zoll großer Bildschirm im Dachhimmel verbaut, der selbst Blu-Rays wiedergibt und die Reise für alle Altersgruppen kurzweilig gestaltet. Die hintere Multimediaeinheit beinhaltet außerdem eine eingebaute Online-Speicherungsfunktion und einen USB- und Cinch-Anschluss sowie einen SD-Kartenleser. Damit der Fahrer nicht gestört wird, gibt es noch zwei Infrarotkopfhörer. Auch die sind im Preis inbegriffen. Nicht im Basispreis enthalten sind die ausklappbaren Trittleisten, die das Besteigen des 1,90 Meter hohen Brockens im Zusammenspiel mit entsprechenden Haltegriffen an A- und B-Säule wesentlich erleichtern. Natürlich gehören auch ein WLAN-Hotspot und ein Head-up-Display zum Serienumfang.
Auch bei den elektronischen Helferlein hat sich General Motors im Escalade nicht lumpen lassen. Neben Totwinkel-Assistent und Ausparkhilfe hinten mit Querverkehrswarnung gibt es eine Spurwechselwarnung, Frontkollisionssensoren und einen Spurassistent. Die Warnungen der Systeme werden aber nicht akustisch in den riesigen Innenraum geblasen, sondern über den patentierten Sicherheitssitz per Vibrato an die rückwärtigen Dienste weitergegeben. Das heißt: Verlässt man die Spur, rappelt es je nach Richtung an der linken oder rechten Backe. Wer zu dicht auffährt, bei dem vibriert es unter allen vier Buchstaben. Das ebenfalls serienmäßige Fahrer-Assistenzpaket enthält zusätzlich einen adaptiven Tempomaten für den gesamten Geschwindigkeitsbereich, einen automatischen Bremsassistenten und einen automatischen Gurtstraffer.
Wem das hier Beschriebene, verteilt auf 5,18 Meter, zu wenig ist, der kann für 98.700 Euro auch auf die ausgewachsene ESV-Variante zurückgreifen. Die hat vor allem den Vorteil, dass in der dritten Sitzreihe, ob der weiter nach hinten gerückten Achse, eine bessere Beinfreiheit besteht. Der Zustieg klappt in beiden Varianten prima, denn die Freifläche zwischen den zwei hinteren Sitzen bildet eine Art Korridor, den selbst hochaufgeschossene Menschen problemlos durchschreiten können. Wirklich beeindruckend ist bei der Langversion das Heckabteil, das selbst mit voller Bestuhlung mit 1000 Litern noch einmal 300 Liter Ladevolumen mehr bereithält als die "Kurzversion". Bei der Anhängelast schwächelt die Euro-Version allerdings ein bisschen. Maximal 3,1 Tonnen dürfen an den Haken. Bei anderen Fahrzeugen dieser Leistungsklasse sind es in der Regel 400 Kilogramm mehr. Letztlich dürfte das aber ohne Weiteres reichen, um den Pferdeanhänger, das Boot von Pedrazzini oder einen hochwertigen Trailer zu ziehen.
Wem der uramerikanische Gedanke in Form eines Escalade dann doch eine Nummer zu groß ist, der darf gespannt sein, was da noch kommen wird. Cadillac plant, in naher Zukunft ein Midsize SUV auf den Markt zu bringen. Das sollte dann auch dieselgetrieben auf den europäischen Markt rollen. Insgesamt will General Motors in den kommenden Jahren 12 Milliarden Dollar in die Entwicklung neuer Fahrzeuge und Motoren investieren.
Quelle: ntv.de