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VW Golf Cabriolet Eine unendliche Geschichte

Gegen den Trend: Volkswagen brachte das Cabrio des Golf eigentlich als Ersatz für den offenen Käfer. Damit trafen die Wolfsburger aber genau den Nerv einer Cabrio-armen Zeit.

Gegen den Trend: Volkswagen brachte das Cabrio des Golf eigentlich als Ersatz für den offenen Käfer. Damit trafen die Wolfsburger aber genau den Nerv einer Cabrio-armen Zeit.

Kein anderes Cabriolet hat so vielen Menschen das unvergleichliche Open-Air-Gefühl beschert wie der offene Golf - und gleichzeitig so viele andere Hersteller zu einer eigenen Produktion angeregt. Im Sommer kommt endlich ein neues Golf Cabrio. Grund genug, auf die Geschichte dieses Fahrzeugs zurückzublicken.

Eigentlich sollte der offene Golf nur die Nachfolge des scheinbar unsterblichen Käfer Cabriolets antreten, aber dann entwickelte er sich selbst zum Übervater aller modernen Kompaktklasse-Cabriolets und zum mit fast 700.000 Einheiten meistproduzierten offenen Viersitzer aller Zeiten. Fast 20 Jahre lang und in zwei Generationen führte das Golf Cabriolet die familientaugliche Cabrioklasse in den jährlich veröffentlichten deutschen Zulassungscharts an, dann nahm sich der luftig-leichte Stoffdach-Viersitzer eine Auszeit zugunsten des New Beetle Cabriolets im Retrodesign und des Eos mit modischem Metallklappdach. Beide Baureihen konnten aber nicht an die Erfolge des offenen Golf anknüpfen. Dennoch dauerte es neun Sommer bis die Wolfsburger jetzt – genau 32 Jahre nach dem Debüt des ersten offenen Golf - erneut ein Cabriolet auf der glamourösen Premierenbühne des Genfer Salons präsentieren. Mit einem augenfälligen Unterschied: Der einst liebevoll-ironisch Erdbeer- oder Henkelkörbchen genannte Sonnenanbeter hält seine massiven Überrollbügel fortan im Verborgenen.

Alle hätten es in jenen für Frischluftliebhaber freudlosen späten 70er-Jahren machen können, aber nur Volkswagen fand 1979 den Mut dazu. Mit dem ebenso pragmatischen wie preiswerten Golf Cabriolet erfanden die Wolfsburger den familientauglichen Faltdachviersitzer neu - ähnlich wie der Blechdach-Golf fünf Jahre zuvor die Kompaktklasse in Form gebracht hatte. Mit Frontantrieb, leistungsstarken Triebwerken, Heckklappe und schickem Giugiaro-Design brachte die Steilhecklimousine damals frischen Wind in die kleine Klasse und wurde stilprägend für alle künftigen Kompakten. Wirkte die Golf-Steilhecklimousine wie eine belebende Brise, blies das Golf Cabriolet bald schon mit Orkanstärke durch das damals scheintote Segment der Stoffmützenträger.

Großes Cabriosterben in den frühen Siebzigern

Dabei sollte der Golf mit Klappverdeck anfangs eigentlich nur die Nachfolge des Käfer Cabriolets antreten, das neben dem Rolls-Royce Corniche der letzte überlebende offene Viersitzer des großen Cabriosterbens der frühen Siebziger war. Aber dann avancierte das beim Osnabrücker Open-Air-Spezialisten Karmann produzierte Golf Cabriolet überraschend zum Trendsetter und meistgebauten viersitzigen Kompaktcabrio aller Zeiten. In Windeseile suchte die Konkurrenz nach Antworten. Egal ob Fiat, Ford, Opel, Peugeot, Renault, Rover oder Talbot – fast alle europäischen Volumenmarken folgten damals dem Lockruf von luftigem Lifestyle und Lebenslust, den die kompakten Cabriolets trotz oft voluminöser Verdeckberge und hässlicher Überrollbügel erfolgreich aussandten. Notwendig war der aufdringliche Überschlagschutz weniger wegen angeblicher neuer Sicherheitsbestimmungen, sondern vor allem als preiswerte Stabilitätsmaßnahme gegen Verwindungserscheinungen der ihres Blechdachs beraubten Karosserien.

1993 kam die einzige Überarbeitung auf den Markt.

1993 kam die einzige Überarbeitung auf den Markt.

(Foto: Abdruck fuer Pressezwecke honora)

Unter all den Bügelträgern wurde jedoch allein das Golf Cabriolet ein Klassiker. Zunächst überstand der Wolfsburger Sonnenkönig in fast unveränderter Form zwei Modellwechsel der Golf-Limousinen, dann die Ära der bügelfreien Offenheit von Opel Astra oder Peugeot 306 und schließlich sogar die Anfänge des Zeitalters der Coupé-Cabriolets. Das Volksauto reifte vom kultigen Cabrio für Sylter Sonnenanbeter und neureiche Yuppies zum kantigen Open-Air-Klassiker für alle. Als solcher brauchte er schließlich nicht einmal die Zeit der Abwrackprämie ernsthaft zu fürchten.

GTI wurde zu GLI

Zum Erfolgsgeheimnis des so markant gezeichneten Golf Cabriolets zählten die unproblematischen Alltagseigenschaften der Golf-Limousine, eine vergleichsweise hohe Solidität und winterbeständige Stoffverdecke. Qualitäten, mit denen der Golf den Spuren seines legendären Vorfahren, des Käfer Cabriolets, folgte. Zusätzlich konnte der Golf aber als erster offener Kompakter mit starken Motoren aufwarten, sogar von Beginn an mit dem 81 kW/110 PS leistenden 1,6-Liter-Benzineinspritzer aus dem sportlichen Kulttypen GTI. Im Cabrio firmierte das Kraftwerk allerdings unter dem Luxuskürzel GLI. Trotz 100 Kilogramm Mehrgewicht gegenüber dem GTI war das GLI-Cabrio beim Standardsprint auf Tempo 100 immer noch kaum langsamer als Sportwagen vom Kaliber eines Porsche 924. Beste Basis also für ein vollkommen neues Cabriozeitalter nach dem Auslaufen des offenen Käfer 1303 im Januar 1980.

Richtig in Schwung kam der Absatz des offenen Golf trotzdem erst mit Verzögerung. Zu gewöhnungsbedürftig schien den VW-Fans der bis dahin fast nur von BMW-Baur und Triumph Stag bekannte feststehende Überrollbügel. Hinzu kam, dass die hinteren Seitenfenster des Golf Cabriolets nicht vollständig versenkbar waren und das Gefühl grenzenloser Offenheit zusätzlich einschränkten. Erst allmählich ließen Eigenschaften wie die anfängliche Alleinstellung am Markt, das überarbeitete Verdeck – ab August 1981 war es durch eine neue Falttechnik 10 Zentimeter flacher als bisher - erschwingliche Preise und tragende Rollen in Kultfilmen wie "Schwarzwaldklinik" die Bestellzahlen dann doch zu einem richtigen Sturm anwachsen, der das Cabrio im Kleid der ersten Golf-Generation bis 1993 zu immer neuen Produktionsrekorden trieb. Da hatte die Limousine bereits zwei Modellwechsel überstanden, das Cabriolet blieb vor allem durch immer neue Sondermodelle aktuell. Quartett, Bel Air, Young Line, Fashion Line, Classic Line, Toscana, Sport Line, Acapulco, Genesis und Etienne Aigner lauteten die modischen Editionen, die nicht selten Sammlerstatus erlangten. Weit weniger wichtig für die Erfolgskurve des Golf waren die Retuschen an Technik und Karosserie wie neue Motoren und voluminöse Kunststoffschweller und –stoßfänger.

Schnelles Verdeck

Nach einigen optischen Veränderungen fuhr der offene Golf bis 2002. Erst in diesem Jahr wurde wieder ein Golf Cabrio gezeigt.

Nach einigen optischen Veränderungen fuhr der offene Golf bis 2002. Erst in diesem Jahr wurde wieder ein Golf Cabrio gezeigt.

Nach dem Motto "Offene Autos leben länger" debütierte erst auf der IAA 1993 eine neue Generation des Golf Cabriolets, die bis 2002 in Produktion blieb. Lediglich 1998 gab es eine optische Auffrischung mit Stilelementen des Golf IV, technische Innovationen wie ESP erhielt das Cabriolet nicht mehr. Dafür gab es schon bei der gefeierten Weltpremiere auf der IAA 1993 einige Neuerungen, die bei vielen Cabriofans das Herz höher schlagen ließen. Das Faltdach versteckte sich zwar immer noch nicht in einem Verdeckkasten wie bei vielen Wettbewerbern, lag allerdings relativ flach auf und konnte optional in nur 20 Sekunden elektrohydraulisch geschlossen werden. Dazu ließen sich die hinteren Seitenscheiben endlich vollständig versenken.

Nur zehn Prozent der Golf Cabrio-Käufer konnten sich allerdings für eine Antriebsrevolution entscheiden, die 1995 debütierte: Als eines der weltweit ersten Cabriolets war der Golf mit sparsamen, aber rau laufenden Dieselmotoren bestellbar. Der niedrige Normverbrauch von nur 5,3 Litern auf 100 Kilometer war damals sensationell, dies galt aber auch für die selbstbewussten Preise, die knapp unter der 50.000-Mark-Marke endeten. Dennoch: Mit der breiten Motorenpalette, in zeitgenössischen Vergleichstests immer wieder gelobter Solidität und Qualität von Karosserie und Verdeck und einem offenbar fast zeitlosen Design sah der offene Golf andere Cabriolets und Roadster kommen und gehen. Erst 2002 fiel für ihn der Vorhang. Vorübergehend. Ab Sommer 2011 ist er wieder geöffnet – auf Wunsch 24 Stunden.

Quelle: ntv.de, sp-x

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