Cinquecento wird zu Super Mario Fiat 500X – Viagra hat ihn hart gemacht
14.11.2014, 11:23 Uhr
Der Fiat 500X gibt sich wesentlicher Kraftvoller als sein kleiner Bruder.
(Foto: Holger Preiss)
Mit dem Fiat 500 haben die Italiener vor sieben Jahren eine Punktlandung gemacht. Deshalb wird die Familie stetig erweitert. Auch in Richtung des potentesten Segments der SUV. Als 500X rollt jetzt ein Fiat vor, der im Einzelfall nur etwas für ganz Harte ist.
Die Familie der 500er wächst weiter. Nachdem der Neueinstieg des Cinquecento 2007 die Herzen der Nostalgiker rührte und auch noch nach sieben Jahren Fiat gute Absatzzahlen beschert, fand der 500L nur mäßigen Anklang. Jedenfalls in Deutschland. Doch die Germanen könnte ein neues Derivat in den Bann ziehen: der Fiat 500X. Und so ist der neue Italiener angetreten, im Revier der SUV zu wildern. Dabei nutzt er das, was ihm die Gene mitgegeben haben: das Knutschkugel-Design und moderne Technik. In der Summe ergibt das ein Auto, das freundlich wie der 500er mit großen Kulleraugen in die Welt guckt, dessen Lächeln ebenso bezaubert wie der Schnauzbart. Nur, dass der den 500X als eine Art Super Mario ausweist. Unterstützt wird das durch die Länge von 4,25 und der Breite von 1,80 Metern. Der Kofferraum bewegt sich mit 350 Litern Fassungsvermögen im Rahmen der Mitbewerber.
Fiat 500X als Super Mario
Wenn man den Worten der Verantwortlichen Glauben schenkt, will der 500X aber in jedem Fall super sein. Allein fünf Motoren und drei Getriebe bieten die Italiener für ihr Midsize SUV an, das es in zwei Ausführungen geben wird: in einer sanften Offroad-Variante und als ganz harten Waldläufer. Während der eine in seinem Casual-Look eher in den urbanen Gebieten beeindrucken soll, geht der andere auch optisch über Stock und Stein. Da sind die Seitenverplankungen ebenso Standard wie der Unterfahrschutz. Zudem ist der robuste Italiener mit einem wesentlich strafferen Fahrwerk bedacht worden, das es ihm ermöglicht, über Stock und Stein zu gehen. Je nach Geschmack haben Kunden die Wahl zwischen Vorderradantrieb, Vierradantrieb oder Vorderradantrieb mit elektronisch geregeltem Sperrdifferenzial. Der Allradantrieb stammt im Übrigen aus dem Schwestermodell Jeep Renegade und schaltet sich bei Bedarf automatisch zu. Wird der nicht benötigt, rollt der 500X frontgetrieben über die Straße. Zusammen mit dem Jeep Renegade ist der Fiat das einzige Modell im Segment, das diese Technik besitzt.
In der Kombination mit der neuen Neungang-Automatik und dem 2.0 16V MultiJet: Vierzylinder-Turbodiesel mit 140 PS, der 350 Newtonmeter Drehmoment leistet, gibt sich der 500X nicht nur als Kletterer zu erkennen, sondern zeigt sich auch extrem sportlich. Über den Fahrmodischalter, oder wie es Fiat nennt: "Drive Mode Selector", kann zwischen drei Programmen gewählt werden: Auto, Sport und Allwetter. Wie man sich auch entscheidet, die Automatik schaltet präzise, fast unmerklich, und die Kraftverteilung sorgt für zügigen Vortrieb. In Zahlen ausgedrückt heißt das: in 9,8 Sekunden ist die 100-km/h-Marke geknackt und in der Spitze rennt der 4X4 mit seinem kraftvollen Diesel 190 km/h schnell. Allerdings werden Windgeräusche schon ab 120 km/h gerade auf der Beifahrerseite deutlich wahrnehmbar. Die Verbrauchswerte liegen zwischen theoretischen vier und tatsächlich erfahrenen sieben Litern.
Die italienische Härte
Das paart sich insgesamt gut mit dem sportlich abgestimmten Fahrwerk, das in der Offroad-Variante aber mächtig hart daherkommt. Zum einen sorgt das für eine ausgezeichnete Straßenlage und ein fantastisches Kurvenverhalten, zum anderen werden Schlaglöcher im Innenraum immer mit "Hallo" begrüßt. Noch einen Tick fester wird es, wenn man den Wahlschalter auf Sport stellt. Jetzt rumpelt es richtig im Karton. Ein wenig wirkt es wie die Verschärfung des nur auf Youtube gezeigten Fiat-500X-Spots "Blue Pill". Hier verirrt sich eine Viagra-Pille in den Tank eines Fiat 500 und macht ihn zum X, also zu einer Art Testosteron-500 mit anhaltender Steifigkeit. Mit dem Drive Mode Selector wird auch die Gaskennlinie verändert und die präzise arbeitende Lenkung gestrafft. Allerdings wird das Lenkverhalten dadurch nicht direkter, vermittelt vielmehr das Gefühl, als würde ein Gummiband gespannt, das gegen die Einschlagrichtung zieht. An dem ohnehin guten Lauf des 500X ändert das also nichts.
In der Summe muss man aber sagen, dass die an den Tag gelegte Härte des Cross gerade bei Schlaglochfahrten und Kopfsteinpflaster auf Dauer etwas nerven kann. Hier gibt sich der Stadt-Crossover deutlich feinnerviger. Das Fahrwerk ist so abgestimmt, dass es sanft über Unebenheiten hinweggeht und sich bemüht, nichts von alldem an die Insassen weiterzureichen. Selbst eine unaufmerksam mit 50 km/h überfahrene Bodenschwelle wird souverän weggebügelt. Wobei wir gleich bei dem zweiten Punkt wären: Wer sich nicht für den wuchtigen 140-PS-Diesel entscheidet, sondern sein PS-Verlangen auf 120 Pferdestärken zügelt, wird keine Einbußen erleben. Außer der, dass mit dem 1,6-Liter-Vierzylinder-Diesel die oben gelobte Neungang-Automatik nicht zu haben ist. Das ist aber egal, denn wer nicht schalten möchte, kann immer noch auf das 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe zurückgreifen oder sich für den 6-Gang-Handschalter entscheiden, der sich leichtfüßig führen lässt.
Das Preisgeheimnis
Eine letzte Empfehlung sei hier für den 1,4-Liter-Turbo- Benziner mit ebenfalls 140 PS ausgesprochen. Der läuft noch einen Tick gepflegter als die etwas rauen Diesel, lässt sich noch sanfter schalten und beschleunigt ebenfalls in 9,8 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Für den Privatkunden könnte das die Alternative sein. Allerdings stellt Fiat für den 500X auch noch einen 95 PS Diesel und einen 110 PS starken Benziner ins Programm. Rennfahrer dürfen sich auf den 1,4-Liter Turbo Multi Air mit 170 PS, Allradantrieb und Neungang-Automatik freuen, der später nachgereicht wird. Wie sich die unterschiedlichen Motorisierungen finanziell positionieren, kann an dieser Stelle leider nicht gesagt werden. Fiat gibt die umfängliche Preisliste erst zum Marktstart im Februar bekannt.
Lediglich der Preis für das Einstiegsmodell Pop mit dem 1,6 Liter Benziner und 110 PS wurde verraten: 16.950 Euro. Allerdings ist hier nicht mal eine Klimaanlage enthalten. Wer in den Genuss und die Vorzüge der Sonderausstattungen kommen will, die in sechs Paketen angeboten werden, muss draufzahlen. Wie viel? Auch das fällt noch unter die absolute Geheimhaltung. Nur so viel: Insgesamt sollen die Pakete dem Kunden Preisvorteile von 30 bis 35 Prozent gegenüber dem Einzelkauf bringen. Wie weit die Preisspanne reichen kann, zeigt aber Folgendes: Wer sich für einen Fiat 500X Cross Plus, also die höchste Ausstattungslinie, entscheidet und den dann noch mit einem 2,0-Liter Diesel mit 140 PS samt 9-Gang-Automatik verbandelt, der zahlt stolze 31.900 Euro.
Die Preisrechnung

Neue Materialien und frisches Design geben dem 500X auch im Innenraum etwas Eigenständiges.
(Foto: Holger Preiss)
Ein wuchtiger Preis für einen Fiat? Nun, die Italiener begründen ihre Preispolitik auch mit hoher Qualität und neuen Materialien. Am besten lässt sich diese Aussage im Innenraum überprüfen, wo Personen in der ersten Reihe ausreichend Platz finden, Mitreisende im Fond sich aber, wie so oft, beschränken müssen. Tatsächlich wirkt der 500X wertig. Die Armatur ist mit Plastikapplikationen in unterschiedlicher Struktur und Farbe verblendet, die Rundinstrumente mit Chromspangen gerahmt und das abgeflachte Sportlenkrad mit Leder umwunden. Das alles sieht sehr stylisch aus, kann aber nicht verhehlen, dass die Materialwahl auch unter betriebswirtschaftlichen Maßstäben erfolgte.
Auch bei den Sitzen haben die Italiener darauf geachtet, dass Wertigkeit und Sitzkomfort eine Einheit bilden. Leider ist trotz straffer Polsterung die Oberschenkelauflage ein wenig zu kurz geraten und die Seitenwangen etwas zu weich, um bei sportlicher Fahrweise ausreichend Seitenhalt zu bieten. Auch die Kopfstützen sind deutlich zu hart. Dafür erfreut das Zentralinstrument zwischen Tacho und Drehzahlmesser mit einer flotten Vollfarbgrafik, die so kleine Feature anzeigt wie die G-Kräfte in der Kurve oder die Kraftverteilung auf die Räder beim Umschalten auf Allradantrieb.
Punkten wollen die Italiener im 500X auch mit ihrem Uconnect System, das über einen fünf Zoll (12,7 Zentimeter) in der Diagonale messenden Touchscreen bedient wird. Die wohl interessanteste Funktion ist die Nutzung des Live Service. Die dazu nötige Applikation steht kostenlos im Apple Store beziehungsweise bei Google Play zum Download bereit. Einmal installiert, ermöglicht der Live Service den Zugriff auf eine Vielzahl von Informations- und Unterhaltungsangeboten. Dazu gehören unter anderem über 100.000 Internet-Radiostationen, 20 Millionen Songs des Internet-Musikdienstes Deezer oder die neuesten Nachrichten.
Quelle: ntv.de