Jetzt werden die Krallen gezeigt Jaguar XE - Katze jagt die Premium-Mäuse
29.05.2015, 13:00 Uhr
Der Jaguar XE ist angetreten im Revier der deutschen Premiumhersteller zu wildern.
(Foto: Holger Preiss)
In den letzten Jahren hat Jaguar Milliarden in die Entwicklung seiner Fahrzeuge gesteckt. Das Ergebnis: Ein Pulsbeschleuniger wie der F-Type. Doch Briten wollen mehr und schicken mit dem Jaguar XE eine Raubkatze gegen Audi A4, BMW 3er und Mercedes C-Klasse.
Lange hat die Raubkatze geschlafen. Doch seit etwa zwei Jahren ist sie zu neuem Leben erwacht. Das, was Jaguar wiederbelebt hat, ist natürlich der F-Type. Eine sportliche Rennmaschine, wie man sie sich wünscht: schnittig, schnell und brutal laut. Aber ein Sportwagen ist immer auch nur ein Prestigeobjekt, eben etwas, um von sich reden zu machen. Nicht dass die Briten unter indischer Führung mit dem Flitzer kein Geld verdienen würden, aber Volumen sieht nun mal anders aus. Deshalb nimmt es nicht Wunder, dass Jaguar jetzt mit dem XE eine Katze auf die Jagd schickt, die im Segment der gehobenen Mittelklasse ihre Beute sucht.
Im XE steckt die Geschichte von Jaguar
Optisch hat sich Chefdesigner Ian Callum an das angelehnt, was ihm die alten Jaguar-Modelle vorgegeben haben. Insofern spiegelt sich auch im XE ein Teil der Geschichte der britischen Automarke wider. Da ist die lange Motorhaube mit ihrem steil stehenden Kühlergrill und einer sich flach in den Wind legenden Frontscheibe. Die ansteigende Gürtellinie betont das coupéartige Seitenprofil und lässt den XE sanft nach hinten abfallen, was ihm wiederum die schnöde Alltäglichkeit einer Limousine nimmt und ihn zu einem echten Fastback macht. Betrachtet man also nur die Linien, fügt sich der Brite nahtlos dort ein, wo er am Ende punkten möchte: zwischen Audi A4, BMW 3er und Mercedes C-Klasse.
Auch mit seinen Maßen steht der XE mit 4,67 Metern Länge genau zwischen diesen dreien, hat aber mit 2,83 Metern den größten Radstand im Reigen der Bewerber. Was wiederum zur üppigsten Beinfreiheit im Fond führt, aber nicht zur größten Kopffreiheit. Die ist ob der stark abfallenden Dachlinie etwas geringer als bei den Mitbewerbern. Jaguar hat das durch eine recht tiefe Sitzbank versucht auszugleichen, was auch in der zweiten Reihe zu einer ziemlich sportlichen Sitzposition führt. Aber wer möchte in einem Jaguar schon hinten sitzen, wenn er einen entsprechenden Führerschein hat? Denn auch in einem XE spielt die Musik vorn.
Der Fahrer wird zum Pilot

An seinem Arbeitsplatz soll sich der Fahrer wie der Pilot eines Flugzeugs fühlen.
(Foto: Holger Preiss)
Für den Fahrer ist hier der Begriff Pilot die bessere Wahl. Denn die angenehm straffen Sitze und der Umlauf der sogenannten Riva-Spange, die aus dem italienischen Bootsbau stammt und in unserem Fall einen dynamischen Rahmen von den Türverkleidungen über die Armatur nimmt, schalt die vorderen Plätze ein, während die breite Mittelkonsole sie wieder wie in einem Flugzeug separiert. Das breite Volant liegt breit in der Hand, der Blick schweift über gut lesbare Rundinstrumente und ein aussagekräftiges Mitteldisplay, das die wichtigsten Fahrdaten wiedergibt. Die Zahl der Knöpfe und Schalter ist überschaubar, deren Belegung hingegen etwas gewöhnungsbedürftig. Nicht so der 8 Zoll große Touchscreen des neuen Infotainment-Systems. Die Menüs sind schnell erkannt und können entweder über seitliche Tasten oder den Bildschirm angesteuert werden.
Die wohl spannendste Andersartigkeit zur Konkurrenz ist im XE, jedenfalls wenn er mit der 8-Gang-Automatik ausgestattet ist, der Jaguar Drive Selector. Der erwächst nämlich im wahrsten Sinne des Wortes aus der Mittelkonsole, wenn eines der vorerst fünf möglichen Triebwerke mit dem Start-Stopp-Schalter zum Leben erweckt wird. Im Ruhezustand senkt er sich dort wieder ab. Zum Einlegen der Fahrstufen wird hier also nicht mehr gezogen oder geschoben, sondern am Rad gedreht. Entweder beim Diesel-Einstiegsmodell, einem 2.0-Liter-Triebwerk mit 163 PS ab 39.000 Euro oder auch beim Spitzenmodell, dem XE-S mit 3.0-Liter-Benziner und 340 PS. Der kostet allerdings auch 54.6000 Euro. Dazwischen liegen noch ein Diesel mit 180 PS und zwei Benziner mit 200 und 240 Pferden unter der Haube.
Fahrdynamik vom Feinsten

Auf allen Sitzplätzen geht es ziemlich kuschelig zu. So auch im Fond des Jaguar XE.
(Foto: Holger Preiss)
Mögen die Fahrleistungen die XE-Kollegen voneinander unterscheiden, eint sie doch eine Eigenschaft: ihre Fahrdynamik. Nicht nur, dass die Briten erstmals eine elektromechanische Lenkung zum Einsatz bringen, die den XE wunderbar direkt in die Kurven führt. Sondern auch die extra für den Wagen entwickelte Mehrlenkerhinterachse sorgt für eine erstaunliche Kurvenstabilität. Da geht auch eine mit 30 km/h angegebene Kehre mit Tempo 80. Sollte der heckgetriebene Engländer dann doch einmal in einer solchen Situation vor Übermut das Heck schwenken, dann greift das ESP unterstützend ein und verhindert ein Ausbrechen. Dieser dynamischen Fahrweise kommt natürlich das Sportfahrwerk entgegen, wie es in einem R-Sport verbaut ist. Wobei man sich darüber im Klaren sein muss, dass die Beschaffenheit der Straßen detailgetreuer durchgestellt wird als beim in Serie angebotenen Komfort-Fahrwerk.
Das entbehrt glücklicherweise nicht der eben beschriebenen Dynamik, mäßigt sie aber ein wenig und federt das Ungemach der Piste feinfühliger aus. Höhepunkt ist natürlich das adaptive Fahrwerk, das es für 1100 Euro Aufpreis gibt. Wer das an den XE-S bindet, der mit besagten 340 PS unterwegs ist und die Fuhre in 5,1 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt, hat hier bis zur Spitzengeschwindigkeit von abgeregelten 250 km/h keinen Unbill zu befürchten - außer vielleicht beim Blick auf die Tankanzeige. Im normalen Lauf bleibt aber auch der stärkste XE bei einer ersten Ausfahrt unter 10 Litern. Der 180 PS starke Diesel begnügte sich über 132 Kilometer sogar mit 5,5 Liter. Das sind ordentliche Werte, die den Vergleich mit der Konkurrenz nicht scheuen müssen. Auch die Neuerung, die allen XE mit Automatikgetriebe eigen ist, hat ein Alleinstellungsmerkmal: Die sogenannte "All Surface Progress Control", kurz ASPC, versetzt den Jaguar-Fahrer in die Lage, den Wagen bei widrigen Bedingungen bis 30 km/h vollautomatisch, ohne eigenes Zutun und Traktionsverlust anfahren zu lassen.
Ausstattung ist konkurrenzfähig
In der Summe machen alle hier genannten Eigenschaften den Jaguar XE zu einer echten Konkurrenz für die deutsche Premiumliga. Denn selbstredend ist auch ein gestochen scharfes Head-up-Display für 1300 Euro zusätzlich oder ein Tochscreen-Navi, dessen Fähigkeiten allerdings ausbaufähig sind, für 940 Euro zu bekommen. In der Basis mit 8-Gang-Automatikgetribe und dem 200 PS starken Benziner kostet der XE 36.450 Euro. Auch hier sortiert er sich etwa auf dem Preisniveau des 3er BMW ein. Der BMW 320d mit 184 PS und Automatik kostet 38.650 Euro, ist aber ausstattungsbereinigt teurer.
Im XE sind für 2000 Euro weniger bereits eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik, 17-Zoll-Aluräder, einen Tempomat sowie einen Spurhalte-Assistenten und Infotainment mit Acht-Zoll-Touchscreen enthalten. Wer die 5500 Euro teurere Portfolio-Linie wählt, bekommt neben 18-Zöllern auch noch die Bi-Xenon-Scheinwerfer und elektrisch verstellbare Sitze.
Ab dem 13. Juni können sich Interessenten beim Jaguar-Händler selbst ein Bild vom neuen XE machen oder sich im Vorfeld in die Phalanx der 500.000 User weltweit einreihen, die auf der Internetseite von Jaguar ihr Fahrzeug schon mal konfiguriert haben. Wer noch warten will, weil es bestimmt irgendwann auch einen Kombi geben wird, der muss für den Moment enttäuscht werden. Der ist in der Planung der Briten bis dato nicht drin.
Quelle: ntv.de