Nachrüsten für Anspruchsvolle Pedelec-Umrüstsatz Pendix eDrive
07.09.2018, 13:12 Uhr
Die Batterie wird ähnlich wie eine Trinkflasche am Unterrohr des Rahmens befestigt.
Pedelecs sind in Mode. Sie erleichtern die Fahrt mit dem Fahrrad und verhindern zum Beispiel, dass man schweißgebadet im Büro ankommt. Aber muss es immer ein neues Rad sein oder reicht auch ein Umrüstsatz?
Bei vielen Bikern geht - vor allem angesichts der Verlockungen neuzeitlicher Pedelec-Technik - der Trend zum Zweit- oder Drittfahrrad. Doch statt sich den Keller mit einem weiteren Rad vollzustellen, kann man alternativ ein vorhandenes einfach zum E-Bike umbauen. Ein solches Nachrüstsystem bietet etwa die deutsche Firma Pendix. Nahezu jedes konventionelle Fahrrad lässt sich dank dieser eDrive genannten Lösung zum vollwertigen Pedelec umwandeln. Sieht man von konzeptionell bedingten, leichten Schwächen ab, vermag diese Lösung in nahezu allen Aspekten zu überzeugen. In einigen sogar besonders, wie die Praxis zeigt.
Als Basis für den Test-Transformer musste das Trekking-Rad-Modell Chromat von Poison Bikes mit achtstufiger Alfine-Nabenschaltung, Riemenantrieb und perfekt dosierbaren, hydraulischen Scheibenbremsen herhalten. Um diese gediegene Basis zu elektrifizieren, wurde nachträglich ein eDrive-Antrieb montiert, der aus zwei Kernelementen besteht: dem getriebelosen Direktantrieb auf der linken Seite des Tretlagers sowie der Batterie samt Halterung. Letztere wurde ähnlich wie ein Trinkflaschenhalter am Unterrohr befestigt. Diese Lösung ist optisch nicht unscheinbar, doch sie fügt sich durchaus tolerierbarer in die Gesamtästhetik des Fahrrads ein.
Batterie als dekoratives Element
Mehr noch: Der metallische Tubus, der neben Lithium-Ionen-Akkus auch die Steuerungselektronik integriert, ist haptisch und optisch ein erfreulich dekoratives Teil. Zudem macht es einen soliden Eindruck, was sich unter anderem an der Unterseite zeigt, wo eine Metallplatte neben Elektronik-Kontakten drei Öffnungen aufweist, die sich präzise mit entsprechenden Zapfen der Halterung verbinden. Der Akku wird einfach draufgesetzt und eingedreht, um fortan fest verankert zu bleiben. Ebensolche Präzision bietet der große Metall-Drehknopf am oberen Ende, über den man zwischen drei Unterstützungsstufen wählen kann. In seiner Mitte befindet sich noch der Ein- und Ausschaltknopf, der, kurz gedrückt, unterhalb vom Drehschalter ein schickes LED-Licht aktiviert.

Am oberen Ende der Batterie ist ein massiver Metalldrehknopf, über den sich der Fahrmodus einstellen lässt.
Leuchtet dieses grün, ist der Akku voll. Mit abnehmendem Füllstand wechseln die Farben zu Gelb, Orange und schließlich Rot. Blinkt es rot, ist sehr bald Schluss mit dem Rückenwind aus der Steckdose. Dieser bietet eine Unterstützung, wie man sie auch von reinrassigen E-Bikes erwartet. Vielleicht nicht ganz so spritzig wie manch anderer Mittelmotor, aber dennoch kräftig und vor allem angenehm gleichmäßig schiebt der eDrive Fahrer und Bike auf die obligatorischen 25 km/h. Die lassen sich bei niedriger Trittfrequenz auf ebener Fahrbahn ganz entspannt halten. Das Fahrgefühl ähnelt dabei eher dem konventionell getriebener Räder als einem typischen Vollblut-Pedelec.
Kein Gipfelstürmer
Geht es bergauf, müssen kleinere Gänge her, um nicht zu viel Schwung zu verlieren. Zum souveränen Gipfelstürmer reicht es für die Pendix-Lösung nicht, doch mit dem geräuschlosen Motor lassen sich auch Höhenmeter problem- und schweißfrei bewältigen. Im Wesentlichen arbeitet der Antrieb recht feinfühlig und homogen, etwas irritierend kann bei den ersten Fahrten allerdings ein kurzes Nachlaufen des Direktantriebs sein. Wenn man das Strampeln während der Fahrt spontan einstellt, laufen die Tretkurbeln oft noch eine Viertelumdrehung weiter. Der Grund: Anders als bei den üblichen Mittelmotorlösungen wie von Bosch oder Bafang gibt es hier keinen Freilauf zwischen Kurbel und Motor. Doch dank lernfähiger Software stellt sich der eDrive auf die Fahrweise des Pedalritters ein und nach einiger Zeit diese verzeihliche Nachlauf-Unsitte weitgehend abgestellt.

Pendix_8.jpgSchön gearbeitet: Die untere Metallplatte mit Elektronikkontakten und den Aufnahmen für die Halterung.
In der Regel fährt man in der höchsten Unterstützungsstufe, die euphemistisch "Sport" genannt wurde. Mit prall gefülltem Akku reicht der Strom im Testlauf für gut 55 Kilometer. Angesichts der großen 500-Wh-Batterie geht das absolut in Ordnung. Wer weitere Wege zurücklegen will, kann in den Modi auf "Smart" oder "Eco" wechseln. In diesen Einstellungen entlastet der Motor die Beinmuskeln nicht mehr ganz so kräftig. Dennoch werden auch hier Geschwindigkeiten bis 25 km/h unterstützt. Im Idealfall kann laut Pendix eine Ladung im Eco-Modus für bis zu 160 Kilometer reichen. Sollte der Strom unterwegs ausgehen, wäre das ohnehin kein Drama, denn das Bike fährt sich trotz eDrive fast so, wie man es vor der Umrüstung gewohnt war. Bei ausgeschaltetem Motor ist jedenfalls kein Tretwiderstand spürbar. Wer das Risiko scheut, sich abstrampeln zu müssen, kann sich zur Sicherheit auch einen Zweitakku zulegen.
App ersetzt den Bordcomputer
Zwar verzichtet Pendix auf eine Bordcomputer-Lösung oder Bedientasten am Lenkrad, doch wirklich vermisst wurde das im Test nicht. Zumal es eine schicke Alternative gibt: Wenn man per Pendix-App sein Smartphone mit dem eDrive verbindet, eröffnen sich viele Anzeige- und Nutzungsmöglichkeiten. Neben einer Navigation kann das Handy dann auch Restreichweite, Fahrtempo oder Durchschnittsgeschwindigkeit anzeigen. Mit einer entsprechenden Lenkerhalterung lassen sich die Infos zudem bequem während der Fahrt ablesen. Die Traktionsbatterie hat sogar eine Anschlussbuchse für ein Ladekabel, mit dem sich das Smartphone unterwegs mit Strom versorgen lässt. Außerdem informiert das kleine Programm über das Antriebssystem, zum Beispiel über Batteriezustand, Zellspannung oder die Zahl der Ladezyklen.

Schön gearbeitet: Die untere Metallplatte mit Elektronikkontakten und den Aufnahmen für die Halterung.
Apropos: Praktischerweise lässt sich die Batterie mit einem Handgriff wieder aus der Halterung lösen und zum Laden mit in die Wohnung nehmen. Dort kann man den Tubus sogar dekorativ inszenieren, denn Pendix liefert einen massiven Metallfuß mit, auf den man den schicken Akku zum Laden abstellen kann. Das während des Ladevorgangs pulsierende LED-Licht signalisiert den Füllstand, in dem das Farbspektrum allmählich von Rot zu Grün wechselt. Das dauert dank eines schnellen Ladegeräts maximal drei Stunden, was für ein 500-Wh-Akku erfreulich kurz ist.
Leider kein Schnäppchen
So unterstreicht auch die Ladetechnik den Anspruch von Pendix, mit dem eDrive eine hochwertige Nachrüstlösung bieten zu wollen. Wer meint, mit dem System viel Geld sparen zu können, den könnte der Preis ernüchtern. Für die Kombination mit großer Batterie, alternativ gibt es auch eine kleine 300-Wh-Version, muss man 1700 Euro investieren – mittlerweile gibt es viele vollwertige Pedelecs für weniger Geld. Mit zwei 500-Wh-Akkus kostet das eDrive-Paket rund 2000 Euro.
Hinzu kommen noch die Kosten für die Montage beim Fachhändler, der in der Regel unter 100 Euro für den Umbau verlangen wird. Das mag teuer erscheinen, doch der eDrive ist nicht als Billigalternative zu anderen E-Bikes gedacht, sondern als Edel-Umbausatz, den sich Besitzer hochwertiger Räder gönnen wollen, die Wert auf eine ebenso hochwertige E-Antriebstechnik legen. Wer diesen Anspruch hat, wird vom Pendix-System gewiss nicht enttäuscht. Falls doch: Ein Rückbau ist grundsätzlich möglich, was aber wohl nur wenige in Betracht ziehen dürften.
Quelle: ntv.de, Mario Hommen, sp-x