Wenn es doch mal kracht Sind Elektroautos brandgefährlich?
12.12.2019, 15:25 Uhr
Die Angst, dass Elektroautos häufiger in Brand geraten als Verbrenner, scheint unbegründet.
(Foto: dpa)
Medienberichte über brennende E-Autos sorgen immer wieder für Aufregung. Doch geraten die Stromer wirklich leichter und häufiger in Brand als Diesel und Benziner? Und wie gefährlich ist es, wenn ein E-Auto brennt?
Immer wieder berichten Medien über verunfallte Elektroautos, die aufgrund einer in Brand geratenen Antriebsbatterie zu Schaden gekommen sind. Im schlimmsten Fall sind dabei sogar die Insassen verbrannt. Das legt den Gedanke nahe, dass E-Autos brandgefährlich sind. Doch mehr und mehr zeigt sich, dass die Stromer mit ihren großen Akkus alles andere als rollende Brandbeschleuniger sind. Fünf Sterne bei Crashtest sind mittlerweile die Regel, Brände hingegen die absolute Ausnahmen.
Bei Crash-Test kein Risiko für die Batterie

Schön sieht der Porsche Taycan nach dem EuroNCAP-Crashtest nicht mehr aus. In Brand geriet er aber nicht.
(Foto: EuroNCAP)
Durchforstet man die Ergebnisse der europäischen Crashtest-Organisation EuroNCAP, findet man kaum Gründe, sich als Insasse eines E-Autos unsicher zu fühlen. Erst Anfang Dezember wurden mit Porsche Taycan und dem Tesla Model X zwei Vollblutstromer gegen die Wand gefahren, die dabei jeweils die maximale Sternzahl erhielten. Beim neuen Taycan von Porsche galt das besondere Interesse der Tester der Batterie, die jedoch bei allen vier Standard-Crash-Szenarien intakt geblieben ist. Das war selbst beim Pfahlaufprall der Fall, der für die höchste Fremdeinwirkung sorgt.
Das vier Jahre alte Model X von Tesla übertraf bei den Tests die nötige Punktzahl für die Fünf-Sterne sogar deutlich. Beim Insassenschutz und der aktiven Sicherheit hat der US-Riese sogar Traumwerte erreicht, die nochmals deutlich über denen des Taycan lagen. Hier gilt die Verletzungsgefahr für Insassen und Kinder als "sehr gering". Auch beim Model X bleib bei allen Crash-Szenarien die Antriebsbatterie unbeschädigt.
Dieses sehr gute Ergebnis für Tesla scheint keineswegs Zufall zu sein und ist wohl nicht dem Umstand geschuldet, dass es sich beim Model X um ein SUV handelt. Im Sommer 2019 stellte bereits das kleinere und deutlich günstigere Model 3 sein hohes Sicherheitsniveau bei Crash-Tests unter Beweis. Auch hier gab es volle fünf Sterne, auch hier wurden in einigen Bereichen sogar Traumnoten vergeben.
Auch ältere Modelle sind sicher
Das gute Abschneiden von Tesla ist aber kein Sonderfall. Auch andere Hersteller haben sich in der jüngeren Vergangenheit mustergültig mit ihren Elektromodellen geschlagen. Dazu gehören unter anderem der Mercedes EQC, Audi E-Tron und der Hyundai Ioniq Elektro, die jeweils in diesem Jahr mit tadellosen Fünf-Sterne-Ergebnissen das EuroNCAP-Prozedere meisterten. 2018 machten es ihnen bereits Jaguar I-Pace und Nissan Leaf II vor, die mit voller Punktzahl brillierten.
Auch länger zurückliegende Tests mit aus heutiger Sicht bereits betagteren Modellen zeugen von allgemein hohen Sicherheitsstandards. 2015 fuhr der Renault Zoe volle fünf Sterne ein, ein Jahr zuvor gelang dies dem Plug-in-Hybriden Audi A3 Sportback E-Tron. 2013 und 2011 gab es für BMW i3 beziehungsweise den Mitsubishi iMiev zwar nur vier Sterne, doch für dieses nicht ganz perfekte Ergebnisse war nicht das Crashverhalten als vielmehr eine jeweils ausbaufähige Ausstattung bei der aktiven Sicherheit verantwortlich. Auch einem VW E-Up bescheinigte 2013 der ADAC mit einem Crash-Test unter EuroNCAP-Bedingungen ein hohes Sicherheitsniveau.
Neben ADAC und EuroNCAP kommen auch andere Crashbehörden wie etwa die US-amerikanische IIHS zu ganz ähnlichen Ergebnissen. In diesem Jahr wurden zum Beispiel ein Chevrolet Bolt, in Deutschland auch als Opel Ampera-e bekannt, sowie ein Audi E-Tron gecrasht. Auch hier konnten die Tester keine sicherheitskritischen Probleme vor allem in Hinblick auf die Batterie feststellen.
Auch bei höheren Geschwindigkeiten sicher
Dass in bislang allen Fällen die Batterien intakt geblieben sind, ist die beruhigende Erkenntnis. Darüber hinaus wäre ein thermisches Ereignis aufgrund einer weiteren Sicherheitsvorkehrung sehr unwahrscheinlich, selbst wenn einzelne Zellen etwa bei einem Crash mit sehr hoher Geschwindigkeit Schaden nehmen sollten. Bei Elektroautos werden die Batterien nicht nur gut gekapselt, sondern zusammen mit der gesamten Hochvoltanlage werden die Energiespeicher im Fall eines Crashs automatisch deaktiviert. Allein diese Sicherheitsmaßnahme macht einen plötzlichen Brand unwahrscheinlich.
Zu dieser Erkenntnis ist Ende 2019 auch die Dekra gelangt, die ältere Modelle von Nissan Leaf und Renault Zoe auf zudem höherem Geschwindigkeitsniveau als beim EuroNCAP üblich gegen die Wand gefahren hat. Selbst beim Pfahltest mit einem Leaf I mit 75 km/h, bei dem Insassen nur noch wenige Überlebenschancen haben, blieb die Batterie intakt. Die Prüforganisation sieht angesichts der Resultate das Sicherheitsniveau von E-Autos mit denen von Verbrennerautos auf einer Ebene. Dabei hat die Dekra außerdem darauf hingewiesen, dass auch für Ersthelfer keine erhöhte Gefahr besteht. Sollte eine Batterie dennoch einmal in Brand geraten, könnten Einsatzkräfte der Feuerwehr dieses recht effektiv mit sogenannten Löschlanzen bekämpfen, die in das Akkugehäuse geschlagen werden. Diese gehören bei Feuerwehren zur Standardausrüstung.
Dennoch nicht ganz unbedenklich
Vollkommen unbedenklich sind Elektroautos sicherheitstechnisch dennoch nicht. Eine im Sommer 2019 veröffentlichte Studie der Axa-Versicherung attestiert vor allem aus Perspektive des Versicherers dennoch ein gewisses Risikopotenzial durch E-Autos. So wird vermutet, dass vor allem das starke Beschleunigungsniveau luxuriöserer E-Modelle für die zumindest in der Schweiz auffällig höhere Schadenhäufigkeit bei dieser Fahrzeuggattung verantwortlich ist.
Außerdem warnt die Axa vor Unfällen mit Fußgängern, weil diese etwa auf einem Supermarktparkplatz oftmals die nahezu lautlosen Stromer nicht wahrnehmen. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu, wie eine EU-Verordnung zeigt, die bereits seit diesem Jahr die Ausstattung neuer E-Autos mit einem Soundgenerator verlangt, der Anfahrgeräusche simuliert. Die Axa empfiehlt allerdings eine Nachrüstung auch für ältere E-Autos.
Außerdem warnt der Versicherer vor Brandgefahr durch kollabierte Batterien, die erst Tage später ausbrechen können. Als Lösungen werden deshalb Aufbewahrungscontainer mit Löschfunktion und darüber hinaus Löschöffnungen in den Batteriegehäusen vorgeschlagen. Dennoch ist man auch bei der Axa unter anderem auf Grundlage von eigens durchgeführten Crash-Tests zu der Erkenntnis gelangt, dass von E-Autos keine größere Brandgefahr als von Verbrennerfahrzeugen ausgeht.
Das "Thermische Durchgehen"
Sollte aber dennoch eine Batteriezelle zu zündeln beginnen, ist diese kaum zu löschen, denn zum einen ist sie schlecht zugänglich, zum anderen befindet sich in ihr Sauerstoff. Um das Übergreifen auf andere Batteriezellen zu verhindern, also das "Thermische Durchgehen" (thermal runaway), muss mit sehr viel Wasser für Kühlung gesorgt werden. Da eine einmal entfachte Batteriezelle aber so schnell nicht abkühlt sind für den Löschvorgang tausende Liter Wasser notwendig. Besser noch ist es, das ganze Fahrzeug in ein Wasserbad zu packen.
Und was ist bei einem Brand in der Tiefgarage? Der ist noch problematischer: Da die entstehende Hitze nicht nach oben entweichen kann, wirkt der Löscheinsatz mit Wasser wie der Aufguss in einer Sauna. Rein rechnerisch ergibt ein Liter Wasser hier 1700 Liter Wasserdampf, der das Abziehen der Hitze zusätzlich erschwert. Doch selbst wenn das Elektroauto gelöscht ist muss es unter Beobachtung bleiben. Bis zu 72 Stunden nach einem Unfall kann sich der Akku durch innere Beschädigungen noch entzünden. Es gibt sogar Berichte, dass selbst nach dieser Zeit die Akkus wieder zündelten. Ein Grund, warum verunfallte Elektroautos nur im Freien gelagert werden dürfen und ein Fachmann die elektrischen Komponenten deaktivieren und untersuchen muss.
Quelle: ntv.de, hpr/sp-x