Praxistest

Der engagierte Referent Ist der Golf Variant ein Beamter?

Der eine findet den Golf einfach nur bieder, für den anderen ist es das beste Auto der Welt. Aber eigentlich ist er etwas dazwischen und das ist auch gut so.

Der eine findet den Golf einfach nur bieder, für den anderen ist es das beste Auto der Welt. Aber eigentlich ist er etwas dazwischen und das ist auch gut so.

(Foto: Holger Preiss)

Der Golf ist, in welcher Form er auch immer vorfährt, von der Konkurrenz kaum zu schlagen. Doch was macht ihn so erfolgreich? In den Augen einiger Betrachter gilt er als echter Beamter. Aber vielleicht hat er gerade deswegen so viele Fans, denn seine Tugenden können auch bestechen, wie der n-tv.de-Praxistest beweist.

Der Golf ist spießig, sagt die Freundin. Er sei der "Beamte unter den Kompakten", tottert sie weiter. Aber ist es nicht so, dass die Schwiegermutter lieber diesen Beamten mit festem Einkommen und der Aussicht auf eine gute Pension für ihre Tochter möchte als einen Hallodri, der mal hier und mal da ist? Außerdem gibt es ja auch bei Beamten Abstufungen: Das reicht vom spritzigen Sachbearbeiter bis hin zum langweiligen Abteilungsleiter. Zum n-tv-Praxistest stand etwas dazwischen: der engagierte Referent, der Golf Variant 1,6 TDI Bluemotion.

Flotter Auftritt mit Bügelfalte

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat die Nummer sieben den Anzug scharf gebügelt.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat die Nummer sieben den Anzug scharf gebügelt.

(Foto: Holger Preiss)

Für den täglichen Auftritt hat er den Anzug mit scharfen Bügelfalten versehen lassen. Wo er früher zurückhaltend lächelte, strahlt er jetzt mit scharfem LED-Licht, das er sich für 1230 Euro zusätzlich geleistet hat.  Bei den Schuhen hat er sich für die eleganten Alltagstreter entschieden. 16-Zoll-Aluminiumräder mit 205er Bereifung sorgen dafür, dass das Zusammenspiel zwischen Fahrwerk, Dämpfern und Rädern perfekt harmoniert und auch für die Insassen nicht die Gefahr des sportlichen Auf- und Niederhüpfens besteht. Vielmehr rollt der Golf Variant in dieser Kombination ausgesprochen komfortabel ab und ist versucht, die Straße weitgehend aus seinem Innenleben herauszuhalten. Wenn es dann aber doch mal schneller uns Eck gehen muss, dann nimmt er das mit großer Larmoyanz.

Im Inneren zeigt sich der Golf gediegen, aber nicht ohne sportliche Anleihen. Nichts, so scheint es, kann den Fahrer hier von seiner Hauptaufgabe ablenken. Alle Knöpfe und Schalter befinden sich dort, wo sie hingehören und lassen sich, wenn man die Lage verinnerlicht hat, blind bedienen. In der Ausstattung Comfortline zieren Dekoreinlagen "Dark Silver brushed" die Armatur. Die sehr gut ablesbaren Rundinstrumente mit strahlend roten Zeigern ruhen im Blickfeld des Piloten und die Mittelkonsole, die für insgesamt 1425 Euro extra mit Navi und dem Business-Paket inklusive Radio bestückt ist, trägt ihren Teil zur guten Übersichtlichkeit bei. Die Multimediaeinheit beschert dem Golf-Fahrer eine ganze Reihe nicht zu unterschätzender Vorzüge.

Knarziger Blick nach hinten

Übersichtlich und klar ist der Arbeitsplatz des Fahrers im Golf Variant.

Übersichtlich und klar ist der Arbeitsplatz des Fahrers im Golf Variant.

(Foto: Holger Preiss)

So lässt sich das Smartphone via Bluetooth problemlos koppeln. Was wiederum dafür sorgt, dass die eigene Musik launig aus den acht Boxen dröhnen kann und Telefonate bequem über die Freisprecheinrichtung geführt werden können. Auch das Bild der im Business-Paket enthaltenen Rückfahrkamera wird auf den 5,8 Zoll großen Monitor übertragen. An das laute Ein- und Ausfahren der Kamera, die sich hinter dem VW-Logo im Heck versteckt, muss sich die Besatzung aber erst gewöhnen. Ebenfalls in die Einheit integrierte ist das schon erwähnte Navigationssystem. Das sorgt beflissen dafür, dass der Fahrer auch bei Unkenntnis der Strecke den richtigen Weg findet. Warum es einen aber, mit sanfter weiblicher Stimme, bei angespannter Verkehrslage sehenden Auges und mit anhaltendem Gleichmut von Stau zu Stau führt, anstatt Alternativrouten anzubieten, wird wohl ein Geheimnis bleiben.

Doch wenn man dann so steht, hat man ausreichend Zeit, die Vorzüge der Sportsitze zu genießen. Die sind, anders als bei vielen Testwagen, mit Stoff und nicht mit Leder bespannt. Was aber gar nichts macht, denn das Tuch gibt sich sehr robust und schmeichelt, wenn man es anfasst, der Haut. Insgesamt darf man sicher sein, dass diese Sitze für eine lange Lebensdauer geschaffen wurden. Ebenfalls langlebig gibt sich das Interieur, das durch hervorragende Verarbeitung und angenehm zu befühlende Materialien besticht. Davon profitieren auch Reisende in der zweiten Reihe, die neben einem guten Platzangebot auch eine Mittelarmlehne mit Becherhalter und angenehm ausgeformte Sitzflächen erwartet. Für Kinder spielt das weniger die Geige, da sie auf ihren vorgesehenen Extra-Polstern sitzen. Sie haben aber, da die Schulterlinie beim Golf Variant nur wenig ansteigt, einen ausgezeichneten Blick nach draußen.

Lader mit Langlaufqualitäten

Bis zu 1620 Liter fasst der Kofferraum des Variant.

Bis zu 1620 Liter fasst der Kofferraum des Variant.

(Foto: Holger Preiss)

Natürlich wird sich der eine oder andere einen Variant kaufen, weil er zum einen die lieben Kleinen in angenehm luftiger Umgebung wähnt, zum anderen, weil er mit Freude den Stauraum sieht, den ihm der Lade-Golf zur Verfügung stellt. Ganze 605 Liter schluckt das rückwärtige Abteil bei aufgestellter Rückbank. Wird die umgelegt, entsteht eine plane Fläche auf der bis zu 1620 Liter Ladegut verschwindet. Für lange, sperrige Teile ist auch vorgesorgt. Wer sich gegen einen elektrisch verstellbaren Beifahrersitz entscheidet, kann dessen Rückenlehne einfach nach vorne klappen. Jetzt entsteht von Kofferraumkante bis zur Armatur eine beladbare Strecke von mehr als 2,30 Metern. Da verschwindet sogar das Billy-Regal. Zum allgemeinen Schutz kann der Kofferraum mit einer passgenauen Gummimatte ausgelegt werden, deren Noppen das lustige Hin-und-Her-Rutschen von Taschen und anderem Ladegut verhindern. Blöd ist nur, dass man so kaum an den doppelten Ladeboden kommt. Die Matte passt so exakt, dass es ganz schön friemelig ist, den Griff zu erreichen, um den Boden zu heben. Das ist schade, denn darunter tut sich ein nicht unerheblicher Raum auf, in dem der ganze Kleinkram verschwinden kann.

Der 1,6 TDI mit 110 PS ist ein genügsamer Zeitgenosse.

Der 1,6 TDI mit 110 PS ist ein genügsamer Zeitgenosse.

(Foto: Holger Preiss)

Nun muss die Fuhre aber auch bewegt werden. Dafür sorgt das Herz unseres Referenten: ein 1,6 Liter Diesel. Der leistet ausreichende 110 PS und beschleunigt den 1391 Kilogramm schweren Variant in 11,0 Sekunden von null auf Tempo 100. Dass der Golf mit dieser Motorisierung kein Kampfsportler ist, versteht sich von selbst. Dafür verteilt er sein Drehmoment von 250 Newtonmeter wohldosiert an die Vorderräder. Nicht, dass man damit nicht auch mal bei einem Kavalierstart "wilde Sau" spielen kann, aber insgesamt steht der Diesel eher für Ausdauer und Sparsamkeit. Die Höchstgeschwindigkeit ist mit 200 km/h angegeben. Das mag auch ein erreichbarer Top-Speed sein, aber ehrlich gesagt wird es ab 180 km/h, bis dahin läuft der 110-PS-Diesel flott, etwas zäh. Über die Lautstärke im Innenraum muss man aber selbst bei dieser Geschwindigkeit nicht klagen. Lediglich beim Kaltstart brubbelt das Triebwerk unmutig wie ein Referatsleiter am Morgen, der noch keinen Kaffee hatte.

Wenn er aber erst Mal Betriebstemperatur hat, wird der Golf zum Langläufer mit geringem Durst. Über den Testzeitraum begnügte sich der Variant, der auch mit dem Titel Bluemotion geadelte wurde, mit schmalen 5,6 Litern auf 100 Kilometer im Mittel. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass ein Großteil der Teststrecke im Stadtverkehr mit viel Stop- and Go absolviert wurde.  Natürlich reicht dieser Wert nicht mal im Ansatz an die von VW gemachten Angaben von 3,3 Litern heran. Aber bevor man unseren Referenten beschimpft, sollte man bedenken, dass er immer seine Klimaautomatik laufen hatte und mit Musik für Kurzweil im Stau sorgte. Apropos Stau. Lobend sei hier die Start-Stopp-Automatik hervorgehoben, die nicht nervös an- und abschaltet, sondern den Fuß- und Handspielen des Piloten an den Pedalen und der angenehm flüssig laufenden Sechsgangschaltung folgte.

Sparen mit dem Referenten

Das Platzangebot in der zweiten Reihe ist gut.

Das Platzangebot in der zweiten Reihe ist gut.

(Foto: Holger Preiss)

Jetzt könnte der Sparfuchs natürlich sagen: Ha, wenn der Golf Variant so gut ist, dann sind seine Konzernbrüder Škoda Octavia Combi und Seat Leon ST nicht schlechter und wahrscheinlich sogar noch preiswerter. Nun, ganz so ist es nicht. VW lässt hier immer noch einen Achtungsabstand. Zum Beispiel gibt es den 1,6-Liter-Diesel mit 110 PS im Tschechen nicht. Der Spanier bietet die Motorisierung, hat aber in Sachen Stauraum und Multimedia das Nachsehen. Tatsächlich ist es so, dass der Leon ST in ähnlicher Konfiguration 27.135 Euro kostet. Der Octavia bringt es mit schwächerem Motor, aber mehr Zusatzausstattung, auf 28.105 Euro.

Der Test-Golf in der Ausstattungslinie Comfortline kostet insgesamt 30.205 Euro. Wer will, kann den Referenten auch noch mit Totwinkelwarner, Aus- und Einparkasssistent, Spurhalteassistent und adaptiver Fahrwerksregelung pimpen und so zum Referatsleiter machen. Dann fliegt man aber locker an die 35.000-Euro-Marke. Doch wie man den Golf Variant 1,6 TDI Bluemotion auch bestückt, nach vier Jahren hat er nach Berechnungen des Marktforschungsunternehmens Bähr & Fess Forecasts noch einen Restwert von 14.121 Euro. Das sind immerhin 55 Prozent des Neuwertes. Damit gehört der Golf nach wie vor zu den wertstabilsten Autos im Segment der Kompakten.

Fazit: Es ist schwer unserem Referenten etwas zu unterstellen, was seine Arbeitsmoral in Zweifel zieht. Er ist flexibel, scheut sich nicht, auch mal etwas aufzuladen, und im richtigen Tempo bewältigt er problemlos auch lange Strecken, ohne dabei die Kosten aus dem Blick zu verlieren. In der Anschaffung ist er vielleicht nicht der Preiswerteste, glänzt aber mit Wertstabilität. Wer jetzt das Emotionale sucht, der kann überlegen, ob er sich nicht für einen Golf Alltrack entscheidet. Als Offroader kostet der Variant bei gleicher Motorisierung etwa 1000 Euro mehr und bietet einen Referenten im Bergsteiger-Dress - mit Verplankungen an den Seiten, Unterfahrschutz und bis zu 20 Millimeter mehr Bodenfreiheit. Falsch kann man mit einem Golf Variant nichts machen und letztlich ist auch die Freundin zufrieden, denn der Referent ist in allen Belangen zuverlässig. Und das freut auch die Schwiegermutter.

DATENBLATTGolf Variant 1,6 TDI BlueMotion
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,25 / 1,79/ 1,45 m
Leergewicht (DIN)1391 kg
Sitzplätze5
Ladevolumen605 / 1620 Liter
MotorReihen-Vierzylinder mit 1598 ccm Hubraum und Turboaufladung
Getriebe6-Gang Handschaltung
Leistung81 kW/110 PS bei 3200 - 4000 U/min
KraftstoffartDiesel
AntriebFrontantrieb
Höchstgeschwindigkeit200 km/h
max. Drehmoment250 Nm bei 1500  - 3000 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h11,0 Sekunden
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert)3,0 / 3,9 / 3,3 l
Testverbrauch5,6 l
EffizienzklasseA+ / EU5
Grundpreis26.000,00 Euro
Preis des Testwagens30.205,00 Euro

Quelle: ntv.de

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