Leben

Nicht nur am Valentinstag Ohne Selbstliebe gelingt keine Partnerschaft

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Liebst du mich - und liebst du dich auch selbst?

(Foto: dpa)

Es ist wieder Valentinstag, es werden Blumen gekauft, Dessous oder Pralinen. Doch das größte Geschenk in der Partnerschaft ist ein anderes, sagt Paartherapeutin Aino Simon. Denn den Partner oder die Partnerin kann man wechseln. Die Probleme, die man im Liebeskontext hat, nimmt man aber immer mit.

ntv.de: Wir reden nur am Valentinstag oder im Konfliktfall über die Liebe - sollten wir öfter darüber sprechen?

Aino Simon: Es immer wichtig, über die Liebe zu sprechen. Aus einem ganz einfachen Grund: Weil sie so zentral und so relevant dafür ist, ob sich ein Mensch glücklich fühlt in seinem Leben oder nicht. Sie ist viel wichtiger als Arbeit oder andere Dinge. Und damit meine ich nicht nur Liebesbeziehungen zu einem Partner, sondern die Frage, welchen Raum und welche Form ich meiner Liebe gebe im Leben.

Inzwischen wissen vermutlich die meisten, dass Verliebtheit ein sehr hormongesteuerter Zustand ist und die eigentliche Liebe danach beginnt ...

Ich glaube, dass es noch immer viele Menschen überrascht, wenn sie bemerken, dass Beziehung und Liebe Arbeit machen. Bei jungen Leuten sehe ich, dass sie dann schnell bereit sind, sich zu trennen, loszulassen und neues Glück woanders zu versuchen. Aber man muss verstehen, dass man zwar den Partner oder die Partnerin wechseln kann; die Probleme, die man im Liebeskontext hat, nimmt man aber immer mit in die nächste Partnerschaft. Das ist vielen immer noch nicht klar.

Was hat sich denn im Hinblick auf Partnerschaft bereits verändert?

Es ist schon mehr Offenheit da, über die Partnerschaft zu sprechen. Ich sehe auch, dass das Bewusstsein gewachsen ist, dass Gefühle und Bedürfnisse wichtig sind. Und dass es wichtig ist, darüber zu sprechen. Das sehe ich bei Männern und bei Frauen. Da ist auf jeden Fall Bewegung drin, aber das grundsätzliche Verständnis, welche Arbeit nötig ist, um Liebesbeziehungen wirklich langfristig gut zu gestalten, das ist immer noch zu wenig verbreitet. Wo soll es auch herkommen? In vielen Elternhäusern kann man sich leider immer noch eher dysfunktionale Strategien abgucken. Und in der Schule wird es noch nicht gelehrt.

Was ist denn der häufigste Fehler, den Partnerinnen und Partner machen?

Der häufigste Fehler, den ich beobachte, ist, dass die Menschen über wesentliche Dinge nicht miteinander sprechen. Über Unsicherheiten, über Ängste, aber auch über Sehnsüchte und Verwundbarkeiten. Ein weiterer Fehler ist, dass sie vom anderen erwarten, dass er dafür sorgt, dass man sich selbst wohlfühlt. Das ist wie eine kindliche Haltung gegenüber Eltern, wo man die Verantwortung nicht selbst übernimmt, sondern erwartet, dass der Prinz oder die Prinzessin sich immer so verhält, dass man automatisch gute Gefühle bekommt. Aber das ist unrealistisch und auch eine Überforderung für Menschen.

Was mache ich, um diese Fehler zu vermeiden?

Ganz wichtig ist es, sprechen zu lernen. Das muss man auch nicht ausschließlich mit dem Partner machen, man kann es auch unter Freunden tun und üben. Denn in Freundschaften wird oft mehr miteinander gesprochen als unter Liebenden. Frauen können das oft etwas besser untereinander, bei Männern und auch jungen Männern ist es noch schwieriger. Aber man kann üben, mit sich selbst in Kontakt zu kommen und auszusprechen, was man denkt und fühlt. Das ist der Anfang, sich selbst besser zuzuhören und sich selbst besser zu verstehen. Wir haben ja dieses Unterbewusste, das uns nicht klar ist und uns dennoch steuert. Jeder Mensch hat diese automatisierten Verhaltensmuster, die wir abspulen, wenn bestimmte Auslöser kommen. Wenn ich die kenne, kann ich sie vielleicht auch verändern. Es kostet Mühe und Zeit, aber es geht.

Es wird oft erzählt, dann habe sich der Alltag eingeschlichen, und irgendwie heißt es immer, daran sei die Liebe gestorben. Gibt es auch etwas Gutes am Alltag?

Die Verliebtheit muss enden, weil das ein hocherregter Zustand des Körpers ist. Man ist ja im Grunde wie auf Drogen. Diesen Zustand voller Dopamin und Adrenalin könnte der Körper nicht auf Dauer aufrechterhalten. Diese Beruhigung ist also etwas Positives, weil Energien wieder freiwerden und ich mich wieder auf etwas anderes konzentrieren kann. Alltag bedeutet, ich lerne eine Situation kennen, sie wird berechenbar, das gibt Beruhigung und Sicherheit. Und Sicherheit ist ein wesentliches menschliches Bedürfnis, das auch befriedigt werden muss. Das Problem daran ist, dass der Mensch widersprüchliche Bedürfnisse hat und unzufrieden wird, wenn er eine Weile in dieser Sicherheit war. Weil sich Menschen eben auch nach Abwechslung, nach etwas Neuem, nach dem damit verbundenen Rausch sehnen. Es ist wichtig, zu verstehen, dass das ein Pendel ist. Erst der Fluss zwischen den beiden Polen Sicherheit und Abwechslung macht Menschen zufrieden und glücklich.

Wie wichtig ist denn dafür ein Maß an Autonomie, also an eigenem Leben der Partner?

Es ist sehr nützlich, wenn Paare sich einig sind, wir haben ein Wir, das sieht soundso aus, und dann sind wir noch eigene individuelle Persönlichkeiten und haben Räume, die wir ohne den anderen betreten. Für viele Paare ist schon das nicht denkbar. Aber das ist definitiv zu wenig Autonomie. Und das machen viele junge Leute auf jeden Fall schon besser. Sie sind sich klar, dass wir auch Individuen sind und es die Aufgabe ist, immer wieder Gemeinsamkeiten zu finden und das Getrennte zuzulassen.

Aber wie macht man das?

Indem man den Fokus immer wieder darauf legt, dass man selbst verantwortlich ist für die eigene Bedürfnisbefriedigung. Wenn ich dafür selbst zuständig bin, muss ich mich der Welt zeigen und muss dafür einstehen, was ich brauche und möchte. Allein dadurch entsteht Autonomie. Wenn ich gerade mehr ein Sicherheitsbedürfnis habe, vergesse ich vielleicht ein bisschen das andere Bedürfnis, das sich aber nach zwei Jahren wieder melden wird. Und wenn ich dann total Bock habe, etwas zu erleben, rückt das Sicherheitsbedürfnis in den Hintergrund. Was Menschen lernen dürfen, ist, dass sie widersprüchliche Wesen sind und dass die große Kunst ist, für all diese unterschiedlichen Aspekte immer wieder neue Antworten und Räume zu finden. Das ist ein sich immer wieder veränderndes System.

Warum ist diese Selbstfürsorge so wichtig?

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Wenn ich zu mir selbst nicht liebevoll bin, dann kann ich relativ schlecht eine glückliche Paarbeziehung haben. Weil ich dann immer vom anderen erwarte, dass er lauter sagt, dass ich liebenswert bin, als ich mir selber sage, dass ich nicht liebenswert bin. Man delegiert im Prinzip den eigenen Selbstwert an den anderen. Das ist erstens unsexy, weil es niemandem Spaß macht, den Selbstwert des anderen auszugleichen. Und es kann auch niemand anders für einen tun.

Was ist das schönste Geschenk, das sich ein Paar zum Valentinstag machen kann?

Das kann natürlich nur jedes Paar selbst wissen. Ich finde es am schönsten, wenn mein Partner auf mich zukommt, mich mit wachen und präsenten Augen und liebevollem Gesicht anschaut, mich vielleicht an der Schulter berührt und sagt: Ich will dich sehen. Wie geht es dir? Ich will dich kennenlernen. Selbst wenn man 20 Jahre zusammen ist, kann man den Partner immer wieder neu kennenlernen. Erstens gibt es immer Dinge, von denen wir nicht wissen. Und zweitens kann es sein, dass er oder sie sich verändert hat. Das ist sogar sehr wahrscheinlich, und dann ist unsere Sicht veraltet. Das ist vermutlich das schönste Geschenk, das Paare sich machen können: Dass sie sich selbst wieder neu und tiefer kennenlernen wollen und dafür den Raum schaffen.

Mit Aino Simon sprach Solveig Bach

(Dieser Artikel wurde am Montag, 14. Februar 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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