Mailänder Modeschauen Die Influencer erobern den Modezirkus
23.02.2019, 10:19 UhrEinst waren die Topmodels die Idole der Fashionshows in Mailand. Heute sind es die Social-Media-Stars. Und die Show findet nicht mehr nur auf dem Laufsteg, sondern vor allem auf der Straße statt.
Olivia Döbler ist 24 Jahre alt und kommt aus Hannover. Anna Veronika Meyer ist 26 und kommt aus Hamburg. Olivia ist brünett, Anna Veronika blond. Beide sind Models und wie Models halt sind, bezaubernd schön. Wir treffen uns in einer der größten Modelagenturen der Stadt, der GD Majors. Olivia arbeitet seit 2017 in Mailand, Anna Veronika seit 2015.
Olivia schwärmt von Armani. "Die Ausstellung im Armani Silos muss man unbedingt gesehen haben. Außerdem liebe ich seinen lockeren und doch eleganten Stil. Dolce & Gabbana sind auch okay, nur ein wenig zu königlich". Anna Veronika arbeitet gerne in Mailand, auch der Architektur wegen: "Die Locations, wo die Shows stattfinden, sind absolute Spitze, einmal abgesehen von der italienischen Mode, die ich liebe". Eine Meinung, die Anna Veronika mit vielen anderen teilt.
Laut der Mode-Suchmaschine Lyst befinden sich unter den weltweit begehrtesten mehrere italienische Brands, Gucci führt sogar das Ranking an. Einen weiteren Beleg für die Beliebtheit liefert die Modekammer (Camera nazionale italiana della Moda, CNIM): Die italienische Textil- und Modebranche hat 2018 einen Umsatz von 66,7 Milliarden Euro erzielt und ist um circa 3 Prozent gewachsen. Allein der Export beläuft sich auf 52,24 Milliarden und ist um 4,3 Prozent gestiegen. Frankreich, Deutschland und die USA sind die wichtigsten Absatzmärkte.
Als Mailand noch wie Swinging London war
Für die Modemenschen gehören Mailands zwei Mal im Jahr stattfindenden Damenmodewochen zu den wichtigsten Verabredungen der Branche. Und wie bei jeder Fashionweek liegt auch diesmal der Verkehr in der Stadt lahm. Schwarze Limousinen mit verdunkelten Scheiben kutschieren Chefredakteure, Journalisten, Einkäufer und Fashionfreaks von einem Termin zu anderen und die Mailänder warten darauf, dass sich der Modezirkus am Montag endlich nach Paris verzieht.
"Natürlich ist die hiesige Modewoche weiter ein Highlight der Branche. Und wie immer auch für die Deutschen", bestätigt Mariano Fabrizi, Direktor der Modelagentur GD Majors, im Gespräch mit n-tv.de. Doch trotz der guten Wirtschaftszahlen habe sich in den letzten 10 Jahren viel verändert und wenn man genau hinsehe, sei vom einstigen Glamour eigentlich nicht mehr viel übrig. "Mailand war in den 80er-Jahren die Modestadt schlechthin, in den 90er-Jahren wurde es dann Paris." Heute seien es die New Yorker Castings Directors, die bestimmen, wer und wie auf den Laufsteg kommt. "Und das beeinflusst auch die europäischen Modedesigner stark." Anders gesagt: Ob in New York, Mailand oder Paris, irgendwie spielt sich überall dasselbe ab.
Eine Meinung, die auch Heinz Schattner teilt. Der aus der Pfalz stammende Fotograf war in den 1970er-Jahren der erste deutsche Modefotograf in der Stadt. "Und das war wirklich eine tolle Zeit, so etwas wie das Swinging London der 60er-Jahre. Da war eine Energie, eine Kreativität, die ich jetzt vermisse." Heute gehe es vornehmlich um Lobbyarbeit. Das Geld spiele dabei eine große Rolle. In den 80er- und bis Mitte der 90er-Jahre habe es keine Geldprobleme gegeben, erinnert sich Schattner. Was zählte, war die Qualität, auch in der Modefotografie, und für diese Qualität war man bereit zu zahlen. Heute sei das nicht mehr so. "Die Leute werden miserabel bezahlt", so der Fotograf.
Die Zeiten, in denen man gewillt war, unglaubliche Gagen zu zahlen, um Topmodels wie Linda Evangelista, Naomi Campbell, Claudia Schiffer, Carla Bruni, Kate Moss oder Gisele Bündchen auf den Laufsteg zu bekommen, sind vorbei. Auch Hollywoodstars werden nicht mehr eingeflogen. Damals waren es aber auch Designer wie Krizia, Laura Biagiotti, Moschino, Versace, Trussardi und Valentino, die diese Einladungen persönlich signierten. Die Zahl der Maestri wird jedoch immer kleiner. Die Maison Fendi widmete am Donnerstag dem am Dienstag verstorbenen "Kaiser Karl" Lagerfeld eine rührende Video-Hommage. Er hatte 53 Jahre lang für die römische Maison entworfen.
Internet bestimmt, wo es langgeht
Wie in vielen anderen Branchen war es auch in der Modewelt das Internet, das den Wandel einläutete. Die meisten Fashionshows kann man mittlerweile am Computer verfolgen. Für diejenigen, denen es ausschließlich um die Kollektionen geht, hat sich das Bitten und Betteln um eine Einladung zu einer Prada-, Armani-, Versace- oder Gucci-Show erledigt. Für die anderen ist es, dank Internet, leichter geworden, ins Rampenlicht zu rücken.
Denn mit dem Internet wurden auch die Modeblogger geboren. Dabei handelte es sich zunächst meist um Modejournalisten mit Fachkenntnissen. Heute geht es hauptsächlich um die Influencer und der Laufsteg hat sich immer mehr auf die Straße verlegt. Streetstyle nennt man das Outfit dieser in den sozialen Medien breit vernetzten und deswegen von der Werbebranche heiß umworbenen Influencer. Wobei Streetstyle nur zum Teil stimmt, die Roben werden mehr markenorientiert als frei ausgesucht. Ziel ist es, die Kunden zu "inspirieren".
"Ein Outfit für jede Show, das ist mir zu anstrengend", meint die ehemalige Modejournalistin Kathrin Bierling am Telefon zu n-tv.de. Sie ist mittlerweile eine der bekanntesten deutschen Bloggerinnen. 15 Jahre lang ist sie nach Mailand gekommen und war so geschätzt, dass sie sogar Einlass zum Backstage hatte. Doch mittlerweile hat sie von dem Rummel genug und ist diesmal nicht nach Mailand gekommen. "Die Kollektionen sehe ich viel besser am Computer. Meiner Ansicht nach fliegen Redakteure der Anzeigenkunden sowie die Blogger und Influencer nur der Auftraggeber wegen hin. Leider." Es gehe nur darum, die größte Reichweite in den sozialen Medien zu erreichen, denn damit verdienen die Influencer das Geld. Sie selber besuche mittlerweile lieber die kleinen Fashionshows in Osteuropa. "Dort treffe ich auf junge Leute, die noch mit Leidenschaft und Begeisterung ihre Kollektionen entwerfen, ohne die Vermarktbarkeit an vorderste Stelle zu setzen." Eine Energie, die in den großen Modemetropolen zum Teil abhandengekommen ist. Nur: Mode ist nicht nur Schein, sondern auch Sein.
Quelle: ntv.de