Leben

Der Denglische Patient I can‘t get no desinfection!

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Eine Ärztin mit Schutzanzug am Corona-Drive-In auf dem Tübinger Festplatz.

(Foto: imago images/ULMER Pressebildagentur)

Das Ansteckungsrisiko des Coronavirus ist das eine. Das andere ist die sprachliche Krise, die er auslösen kann, wenn unser Englisch gefordert ist! Wer dann nicht weiß, was "Niesen", "Atembeschwerden" oder "Mundschutz" bedeutet, outet sich als Denglischer Patient - wie unser Kolumnist.

Neulich kursierte im Internet ein Video mit dem Titel "I can‘t get no desinfection". Es kam von meinem Berliner Lieblingssender Radioeins und es war eine zeitgemäße Parodie des Rolling-Stones-Songs "(I can’t get no) Satisfaction". Das Wortspiel galt dem Umstand, dass die Menschen in Zeiten der Coronaviren massenhaft Klopapier und Desinfektionsmittel hamstern. In der Krise sind Hamsterkäufe zu einer Art kollektiver Übersprungshandlung geworden, die, am Rande bemerkt, mit hoarding oder mit panic buying ins Englische übersetzt wird - aber niemals mit "hamstering"!

Als Denglischer Patient brauchte ich eine Weile, bis ich bemerkte, dass den fröhlichen Machern des ironischen Videos ein kleiner Fehler unterlaufen war. Sie hatten das englische Wort disinfection mit einem "e" geschrieben, wo ein "i" stehen müsste - so wie auch im englischen Wort disease, der Krankheit. Oder wie im Wort disaster, das wir "Desaster" schreiben - und zu dem sich das unheilvolle Covid-19-Virus längst ausgewachsen hat.

So unbedeutend der Patzer mit dem "e" in Wahrheit ist, so symptomatisch ist er auch: Für eine sprachliche Krankheit, die ich an anderer Stelle schon als "Vocabulitis" bezeichnet habe: Wir benutzen irrige englische Wörter und kennen oft die (zu)treffenden nicht. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn wir uns um Menschen kümmern, die kein Deutsch sprechen. Oder wenn wir uns selbst nicht im deutschen Sprachraum befinden, weil wir vielleicht gerade im Flugzeug, auf einem Kreuzfahrtschiff oder mit der Bahn durch die Welt reisen.

Egal, ob als Arzt oder als Kranker - es hilft die Kenntnis, dass physicians keine Physiker, sondern Ärzte sind und die Apotheke als pharmacy oder drug store/shop (Drogerie) bezeichnet wird. Auch ist es gut zu wissen, dass der Ausbruch einer Krankheit als outbreak bezeichnet werden kann, die Ansteckung aber nicht etwa "onsticking". Man sagt infection, contagion oder contamination. Und wer sich bereits im Krankenhaus aufhält, darf andere nicht mit der "station" verwirren. Das ist in der englischen Sprache ausschließlich der Bahnhof, nicht aber die Station im Krankenhaus - sie wird ward genannt.

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Ein gut sortierter englischer Erste-Hilfe-Wortschatz

Ein anderer regelmäßiger Versprecher, der mich selbst schon zum Denglischen Patienten gemacht hat, sind Brustschmerzen. Ich hatte sie als "breast pain" übersetzt, was auf Beschwerden mit meinen Brüsten deutete. Da aber der Brustkorb gemeint war, hätte ich chest pain sagen müssen. Chest ist wörtlich eine Kiste. So spricht man auch von treasure chest, einer Schatztruhe oder war chest, der Kriegskasse - doch das sind andere Geschichten. Will der Arzt einen abhören, sagt er: I need to listen to your chest.

Generell hat sich ein gut sortierter englischer Erste-Hilfe-Wortschatz schon immer ausgezahlt. In der gegenwärtigen Weltkrise ist die Kenntnis der folgenden Übersetzungen besonders hilfreich:

  • Mundschutz: (face) mask
  • Tröpfchen: droplet
  • Auswurf: phlegm
  • Niesen: to sneeze, sneezing
  • Husten: to cough, coughing
  • Atemwege: respiratory (passages), airways (!)
  • Lungenentzündung: pneumonia
  • Impfung: vaccination

Selbstredend sind auch Wortkombinationen möglich: So sind breathing/respiratory difficulties/problems Atemschwierigkeiten. Sneeze/respiratory droplets sind hingegen Tröpfchen, die aus den Atemwegen ausgeniest werden - bekanntlich die Ansteckungsgefahr Nummer eins, the biggest spread of disease and contagion risk!

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Klinische Sprachverwirrung: Statt ihren Patienten mit "Get well soon" oder "Wishing you a speedy recovery" gute Besserung zu wünschen, will sie die Uniklinik Göttingen eher technisch optimieren.

(Foto: Peter Littger, aus "Lost in Trainstation - wir versteh'n nur Bahnhof", 2018)

Je mehr die Gefahr zunimmt, vom Coronavirus angesteckt zu werden, desto größer ist zugleich das Risiko, nicht verstanden werden, sobald wir darüber grenzüberschreitend englisch kommunizieren. Obwohl einige medizinische Vokabeln identisch sind, wie im Fall von Hygiene und hygiene oder Symptom und symptom, sind die meisten nur ähnlich: Die Quarantäne ist quarantine. Die Epidemie ist epidemic und die Pandemie pandemic.

Um voll und ganz verstanden zu werden, kommt es außerdem auf die Aussprache an. Coughing klingt wie "Koffing". Hygiene wie "Hai-dschien". Phlegm wie "Flemm". Und wie sagt man noch gleich pneumonia? Das "p" wird ausgelassen: "Njuh-mou-nia"!

"When will I be freed?"

Wer aus der Quarantäne oder aus dem Krankenhaus entlassen werden will, fragt nicht "When will I be freed/released/liberated?" Das fragt man nur in einer Gefangenschaft - auch wenn sich Quarantänen und Krankenstationen ähnlich anfühlen. Die Zauberformel lautet: When will I be discharged? Discharge hat im Englischen viele Bedeutungen. In der Sprache der Mediziner kann es auch eine nässende Wunde meinen: a discharging wound.

Bleibt die Frage, wie wir uns in Zukunft begrüßen wollen. Mit einem Handschlag? Er heißt selbstverständlich auch weiterhin handshake - und nicht etwa "Shakehands", wie viele Denglische Patienten zu glauben scheinen. Oder sollen wir uns ab sofort lieber mit Füßen oder Ellbogen anstupsen? Die Rede ist dann von elbow-bumps und footshakes.

Wenn Sie zu guter Letzt anderen eine gute Besserung wünschen wollen, sagen Sie selbstverständlich nicht "Good Bessering". Auch die Universitätsklinik in Göttingen hat kein gutes Beispiel abgegeben, als sie auf ihren Monitoren "We wish a good improvement" geschrieben hat - schließlich sind Patienten keine Maschinen, die man ölen oder mit einem Update bespielen kann, damit sie am Ende noch besser funktionieren. Das Coronavirus mag die Gesellschaft verändern, doch der Genesungswunsch bleibt ganz der alte, auch in unser Lieblingsfremdsprache:

Get well soon!

Quelle: ntv.de

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