
"INGLISH" im Alltag.
(Foto: imago/United Archives International)
Die Diskussion um den Begriff "Framing" hat es mal wieder gezeigt: Englisch besitzt einen sehr kurzen Vorteil - die Allround-Silbe "ing"! Wir kennen sie vom "Dating", "Doping" und "Stage Diving". Oder vom "Ehegattensplitting" - eine denglische Erfindung, die zum Glück nicht wörtlich gemeint ist.
Das englische Wort "Framing" ist in aller Munde, nachdem das "Framing Manual" der ARD bekannt wurde, also eine Art "Denk- und Sprechanleitung" der (Achtung: Ironie!) großartigen, niemals langweiligen und äußerst sparsamen öffentlich-rechtlich Rundfunksender. Beim Framing geht es darum, dass der Rahmen ("frame") vorgegeben wird, in dem ein Thema reflektiert und diskutiert werden soll - frei nach dem Prinzip von PR-Beratern und anderen Manipulatoren: Es geht hier nicht darum, ob wir das machen, sondern nur noch, wie.
Egal, ob "Framing", "Spinning" oder "Engineering" – ich vergleiche das alles mit vorgekautem Babybrei, wenn das Baby viel lieber eine handfeste Kartoffel hätte. Könnten wir die flotte Silbe -ing im Deutschen in derselben Art verwenden wie im Englischen, wäre ich in der politischen Sprache unbedingt für den Begriff "Breiing".
Knackiges Einwort
Womit wir bei einem wirklich großartigen Vorteil der englischen Sprache sind: Superwörter, die auf -ing enden und immer irgendwie hübsch abgesoftet klingen. Denken Sie nur an Wort-Importe wie das "Phishing" von Betrügern. Das "Profiling" der Polizei. An "Brainstorming" oder "Brainwashing". Schon in den Fünfzigerjahren kam "Petting" in Mode. Heute haben wir "Nudging", wenn der Staat einen per Gesetz zum guten Verhalten stupsen möchte. Wir haben "Ghosting", wenn man sich gegenüber Menschen einfach in Luft auflöst und nicht mehr meldet. Oder wir haben "Recyling", das hier wohl keiner Erklärung bedarf und das wir im Deutschen zu "Precycling" weiterentwickelt haben.
Was nun den besonderen Kniff all dieser Wörter betrifft: Er besteht er darin, dass sie einen Sachverhalt - und nicht selten ein Problem - ausdrücken, für den in unserer Sprache viel längere und kompliziertere Ausführungen nötig wären. Uns fehlen diese knackigen und kompakten Einwörter auf -ing, die im Englischen gleich drei Ebenen auf einmal beschreiben können: einen Gegenstand, eine Handlung und eine Eigenschaft. Grammatikalisch ausgedrückt: Sie können Hauptwörter, Verben und Adjektive in einem sein!
"Talking" bedeutet zum Beispiel "das Reden" (Gerund - Hauptwort), "redend" (Partizip Präsens - Adjektiv) und "reden" oder wie der Rheinländer sagen würde: "Isch bin am Reden" (Progressive - Verb). Im englischsprachigen Alltag gibt es zahllose Beispiele für diese Doppel- und Dreifachwörter. So bedeutet "it's working", dass etwas arbeitet und zugleich funktioniert. Oder denken Sie ans "Happy Ending", das wir auf "Happy End" verkürzt haben. Die englische Beschreibung ist so gut, weil sie das "Ende" einer Geschichte um den Prozess des "zu Ende Gehens" oder "zum Abschluss kommen" und den Zustand des "endlichen" oder "zu Ende seins" bereichert.
Oder wenn wir noch einmal "Framing" nehmen, kann ich förmlich sehen, wie ein ARD-Funktionär ein Thema mit einem "Rahmen" versieht, es sich also im Prozess des "Eingerahmtwerdens" befindet, während er den Vorgang des "Einrahmens" vollzieht. Dabei steht nur eins fest: Das Thema kann ihm nicht mehr entkommen!
Stromlinienförmiger Sprachfluss
Als "Denglischer Patient" fasziniert mich das Ding mit "ing" so sehr, dass ich dem universalen Supersuffix in meinem zweiten Band von "The Devil lies in the Detail" ein eigenes Kapitel gewidmet habe. Dort beschreibe ich ausführlich, wie die Silbe funktioniert und wie flink und leichtfüßig sie die englische Sprache macht. Als Beispiel dient mir ein Ausspruch von John Cleese aus der Fernsehsendung "How to irritate people" von 1968: "It's very irritating having people talking when you are trying to watch television."
Als ich den Satz zum ersten Mal hörte, dachte ich: Der Mann hat recht! Nach beinahe 50 Jahren kann ich mich ihm uneingeschränkt anschließen. Noch mehr beeindrucken mich der Rhythmus, die Melodie und insgesamt das Tempo. Die Zaubersilbe "ing" ist hier einem Heckspoiler ähnlich, den Cleese gleich an vier Wörter montiert hat, um sie stromlinienförmiger zu machen und den Sprachfluss in einer Weise zu steigern, die wir im Deutschen nicht kennen. Bei uns würde der Satz viel sperriger klingen: "Es ist nicht zum Aushalten, wenn die Leute die ganze Zeit am Quatschen sind und man gerade am Fernsehgucken ist."
Das bedeutet nicht, dass der englische Satz ohne den Wortspoiler nicht möglich wäre: "It irritates a lot when people talk while one tries to watch television."
Allerdings hat diese Version ihren Reiz verloren. Ohne "ing" wirkt sie spröde und brüchig, weniger flüssig und flott. Und sie ist nicht halb so ironisch wie das, was Cleese ursprünglich gesagt hat. Außerdem wirkt er auf einmal deutscher! Die direkte Rückübersetzung beweist es: "Es ist sehr ärgerlich, wenn Leute quatschen, während man versucht fernzusehen."
Kurz gesagt: Ohne den Wortspoiler "ing" klingt Englisch deutsch. Dass wir im Deutschen mit dem Wortspoiler zugleich vorsichtig sein sollten, zeigt wiederum unsere denglische Worterfindung "Ehegattensplitting". Ich gehe fest davon aus, dass die Zahl der Eheschließungen drastisch zurückgehen würde, wenn man das politische Konstrukt eines "spouse splitting" in der englischsprachigen Welt einführen würde. Und während ich das auf mich wirken lasse, sehe ich schon, wie mein Nachbar das Beil hinabstürzen lässt auf den Kopf der Nachbarin, deren Zustand sich schlagartig und doch in Zeitlupe für alle Ewigkeit am Verschlechtern ist …
Quelle: ntv.de