Leben

Feigen, Äpfel und eine Mission Mailänder Fotograf wird Baumflüsterer

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Paolo Belloni in seinem "Conservatorio Botanico".

(Foto: Andrea Affaticati)

Viele Jahre lang arbeitet Paolo Belloni als Fotograf in Mailand. Eines Tages lässt er alles stehen und liegen und zieht auf ein Gut nach Süditalien. Dort geht er seiner wahren Passion nach: Er rettet gefährdete Baumarten. Über 1000 hat er bereits angepflanzt.

Schon 2016 warnten die Londoner Experten der "Royal Botanic Gardens (Kew)", dass ein Fünftel aller Pflanzen vom Aussterben bedroht sei. Vor ein paar Monaten schreckt dann ein Bericht der UN auf: Rund eine Million Tiere und Pflanzen könnten "in den kommenden Jahrzehnten" verschwinden. Einer, der diese Warnungen sehr ernst nimmt und sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt hat, ist Paolo Belloni.

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Jede Menge Feigen liegen in den "Giardini di Pomona" zum Trocken aus.

(Foto: Giardini di Pomona)

Belloni ist ein stattlicher Mann Mitte 60 mit khakifarbener Arbeitshose, blauem Hemd und einem großen Strohhut. Sein Gut, das "Conservatorio Botanico, Giardini di Pomona", befindet sich in der Nähe von Cisternino, einer Kleinstadt in Apulien. Auf einer niedrigen Mauerbrüstung liegen Feigen zum Trocknen in der Sonne. "Langen Sie nur zu und sagen Sie mir, was Sie davon halten", ermuntert Belloni. Er nennt eine der größten Sammlungen an Feigenbäumen im Mittelmeerraum sein Eigen.

Neuanfang mit Mission

Und dazu kam es so: Vor 25 Jahren zog Belloni einen Schlussstrich unter sein bisheriges Leben. Er verließ Mailand, wo er als Fotograf für große Modezeitschriften wie "Vogue Italia" gearbeitet hatte, und fing noch einmal ganz von vorn an. "Als Fotograf bin ich ja viel herumgekommen, von einem Kontinent zum anderen gejettet, bis mir eines Tages klar wurde, dass ich eigentlich was ganz anderes machen wollte, dass meine wirkliche Leidenschaft der Natur gilt." Zwar war der Klimawandel auch damals schon ein Thema, doch die Alarmglocken schrillten noch nicht so stark wie heute. Immer wieder stieß Belloni auf bedrohte Baumarten - in Italien und anderswo. Das führte zu seinem Entschluss ein "Conservatorio" (von "conservare", zu Deutsch: aufbewahren) aufzubauen, um so viele Baumarten wie möglich zu retten.

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Zu den mittlerweile über 1000 angebauten Baumsorten gehören auch Zieräpfel.

(Foto: Andrea Affaticati)

Und so machte er sich auf die Suche nach einem passenden Grundstück im Süden des Landes, "denn da befindet sich Italiens genetische Datenbank" sagt er. Fündig wurde er in Apulien. Das Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert und die zehn Hektar unbebautes Land eroberten sein Herz im Sturm. Schnell war klar: Hier würde sein Baumkonservatorium entstehen. "Daher auch der Name 'Gärten von Pomona', denn Pomona war die römische Baumgöttin" erklärt Belloni. Mittlerweile sind es über 1000 Baumarten, die er in den vergangenen 25 Jahren angepflanzt hat, 623 davon sind Feigen- und weitere 100 Granatapfelsorten. "Sowohl der Feigen- als auch der Granatapfelbaum gehören zu den ältesten Obstbaumarten, die es trotz allem bis in unsere Zeit geschafft haben."

Zitronen mit Fingern und andere Raritäten

Belloni hat es sich zur Mission gemacht, möglichst viele Baumarten an die kommenden Generationen weiterzugeben. Deswegen ist es ihm ein besonderes Anliegen, dass vor allem Schulklassen immer wieder zu Besuch kommen. Aber es sind nicht nur Mädchen und Jungen aus der Umgebung, sondern auch Erasmusstudenten aus der römischen Universität "Tor Vergata" und Jugendliche aus Belgien. Letztere stammen aus schwierigen familiären Verhältnissen und reisen schon seit Jahren über einen gemeinnützigen Verein zu den "Giardini di Pomona". "Es erstaunt mich immer wieder, wie sie mitten in der Natur regelrecht aufblühen, sich für die Pflanzen interessieren und bei der Arbeit begeistert mit anpacken."

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In der ehemaligen Weinkellerei kann man übernachten.

(Foto: Giardini di Pomona)

Inzwischen hat Belloni die ehemaligen Lokale der Weinkellerei in eine Herberge verwandelt. Hier kann man für 20 Euro übernachten, ein Angebot, das sich besonders an unternehmungslustige Touristen und Biker richtet. Denn das gibt es nicht oft: eine Unterkunft in einem botanischen Obstgarten. Und diesen zu sehen, lohnt sich allemal.

Ein Rundgang durch das "Conservatorio" ist wie eine kleine Tour um die Welt. Viele Bäume beziehungsweise Edelreiser hat Belloni von seinen Reisen mitgebracht. Der Maulbeerbaum stammt beispielsweise aus Pakistan. Und der Rosenkranzbaum, der seinen Name den Beeren mit dem Loch in der Mitte verdankt, wie auch der Niembaum aus Indien. Dort hat sich Belloni eine Zeit lang aufgehalten und mit Heilkräutern beschäftigt. Aber natürlich gibt es in der Anlage auch heimische Arten wie den "Ciaculli Mandarinenbaum" oder die "Rote Zitrone", die so heißt, weil ihre Fruchtschale tatsächlich rot ist. Apropos Zitrusfrüchte: Das "Conservatorio" beherbergt auch eine ganz seltene Sorte, die sich wegen ihrer fingerartigen Auswüchse "Citrus digitata" nennt. Diese Frucht, erzählt Belloni, habe es schon im Großherzogtum der Toskana Ende des 17. Jahrhunderts gegeben, wie auf einem Gemälde des damaligen Hofmalers Bartolomeo Bimbi zu sehen ist.

Vielfalt macht den Unterschied

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Von violett bis grün-gestreift: Kaum eine Feigensorte, die man bei Belloni nicht findet.

(Foto: Giardini di Pomona)

"Was ich im Laufe meiner Reisen gelernt habe, ist, dass uns unsere Vorfahren ein einmaliges Erbe hinterlassen haben, eine unbeschreibliche Vielfalt an Baum- und Pflanzenarten, die es unbedingt zu erhalten gilt", fährt Belloni fort. Dann führt der Rundgang zu den Feigenbäumen. Und zwar langsam, denn jede noch so unscheinbare Pflanze ist etwas ganz besonderes. Alles wächst kunterbunt nebeneinander. Auch bei den Kräutern: dort der Thymian, daneben der Rosmarin und gleich angrenzend die wilde Pfefferminze. "Und so soll es auch sein", erklärt Belloni. "Mit der Industrialisierung des Ackerbaus wurden der Natur Zügel angelegt, die ihr jedoch nicht bekommen. Heute konzentriert man sich vornehmlich auf Monokulturen, in der freien Natur herrscht aber Vielfalt. Oder wie man jetzt zu sagen pflegt: Biodiversität."

Und endlich ist man bei Bellonis ganzem Stolz angelangt: bei seinen Feigenbäumen aus aller Herren Länder, aus Portugal, Frankreich, Afghanistan, Israel, Bosnien, Albanien und natürlich Italien. Die einen sind grün, andere blauviolett, dunkelrot oder zart gestreift. Jeder darf davon essen, so viel er will beziehungsweise kann. Es ist wie im Schlaraffenland.

Quelle: ntv.de

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