Musikstadt Austin Der Sound von Texas
14.04.2019, 16:19 Uhr
Der Club ist Austins musikalisches Aushängeschild.
(Foto: Michael Meyer)
Die texanische Hauptstadt Austin gilt als Musikhochburg, auch außerhalb der einschlägigen Festivals wie dem "South by Southwest". Ein Streifzug durch die Bars und Clubs einer wahren Livemusik-Stadt.
Schon am Flughafen werden Touristen und Einheimische mit Country-Musik empfangen: Im Irish Pub spielen live zwei Country-Musiker und das gar nicht mal schlecht. Bei Bier und Burgern kommt selbst hier im zugigen Airport Stimmung auf.
Kein Zweifel: Austin ist die "Live Music Capital of the World". Der Slogan gehört seit 1991 zum offiziellen Marketing-Konzept der Stadt und ist durchaus ernst gemeint: Fast 250 Live-Musik-Orte wie Bühnen, Bars und Hallen wollen in Austin fast jeden Abend bespielt sein. Von Blues über Country, Indie- und spanischsprachigem Rock bis hin zu Funk und Jazz finden sich alle möglichen Musikstile in der Stadt. Jedes Jahr feiert die Stadt sich selbst auf gleich mehreren Festivals - allen voran das riesige "South by Southwest"-Festival. Allerdings sollte man die Stadt lieber außerhalb der Festivalwochen erkunden, wenn man weniger Trubel möchte. Deutlich kleiner ist das "Austin City Limits Music Festival" im Herbst oder das "Urban Music Festival" im Frühjahr.
Musik steht jeden Tag im Mittelpunkt
Doch wie kam es eigentlich dazu, dass sich ausgerechnet in Austin eine solch vibrierende Musikszene entwickelt hat? Um das zu erfahren, lohnt es sich, eine der Live-Musik-Touren zu machen, die vor allem am Wochenende angeboten werden. Richard, ein sympathischer, junggebliebener Mitt-Fünfziger, nimmt Touristen und Interessierte an die Hand und erklärt das musikalische Erbe seiner Stadt. "Austin liebte schon immer seine Musiker und die Live-Musik", erklärt Richard, der - fast überflüssig zu sagen - auch selbst Musik macht. Alles begann in den Siebzigerjahren im "Soap Creek Saloon" (wörtlich übersetzt "Seifenbachsalon"), in dem Musiker-Größen wie Doug Sahm, Townes Van Zandt, Marcia Ball und Paul Ray auftraten, erklärt Richard. Die Szene hat, ähnlich wie Nashville in Tennessee, schnell auch überregionale Beachtung gefunden. Das Erbe dieses Clubs wurde allerdings nicht gut gepflegt: Heute ist an der Stelle ein Parkplatz. Das war es dann mit der "Music Heritage".
Die mehrstündige Musik-Tour führt vor allem durch den Osten der Stadt, hier ist Austin noch rauer und authentischer als in manch anderen Ecken. Allerdings schlägt auch hier wie in vielen Großstädten allmählich die Gentrifizierung zu. Schicke mehrstöckige Häuser finden sich neben abgeranzten Live-Music-Pubs. Vor allem an der 6th Street, von Einheimischen "Dirty Six" genannt, kann man von einer Kneipe in die andere ziehen und sich seine Band aussuchen. Manche Clubs wirken etwas heruntergekommen, aber das wirkt sich nicht auf die Stimmung aus, irgendwie wird hier jeder und jede fündig. In den Bars und Kneipen spielen oft mehrere Bands hintereinander, wer trinkfest und musikinteressiert ist, kann bis in den späten Abend Live-Musik hören.
Vorbei an schrägen Vintage-Läden
Einer der bekanntesten Clubs der Stadt, der "Continental Club", liegt in einem anderen Viertel, im Süden von Austin. Hier an der South Congress Avenue, genannt "SoCo", wird nicht nur Musik gemacht, sondern liegen wie an einer Perlenkette auch eine ganze Reihe schräger Läden, die Vintage-Klamotten, Platten oder Kurioses anbieten. An einer Ecke wird der berühmteste Musiker der Stadt, Willie Nelson, sogar zum Präsidenten gemacht: "Willie for President" steht da auf einem Graffito. Obwohl eigentlich im 200 Kilometer entfernten Abbot, Texas geboren, gilt der 85-jährige Nelson als eine Art Sohn der Stadt Austin. Und tourt im Übrigen noch immer durch die USA. Ein anderes, häufig fotografiertes Mural-Motiv ist der Satz "I love you very much". Mit anderen Worten: Musik ist Liebe. Jedenfalls lieben Touristen dieses Motiv und lichten sich in allen möglichen und unmöglichen Posen vor dem noch nicht einmal originell hingesprühten Slogan ab.
Doch zurück auf die andere Straßenseite, in den "Continental Club". Hier spielen Funk-Bands, Blues-Musiker, Country- und Honky-Tonk-Bands. Die Bar ist nicht sonderlich groß, was der Atmosphäre aber eher gut tut. "Wir kommen oft spontan hierher und es lohnt sich fast immer", sagen Ann und Hamilton, zwei Frührentner, die es sich offenbar leisten konnten, schon in ihren 50ern aus dem Berufsleben aussteigen zu können. An diesem Abend spielt eine Funk-Band - selbst wenn man die Musik nicht mag, ist die Begeisterung des Publikums ansteckend und das Bier mit fünf Dollar vergleichsweise günstig.
Anreise
Mit Lufthansa oder in den Sommermonaten ab Frankfurt mit Condor direkt nach Austin, ab 700 EUR. Innerhalb der USA fliegen American Airlines und United von verschiedenen Flughäfen nach Austin.
Hotels
Austin Motel, 1220 South Congress Avenue, kitschiges Mid-Century Motel
Heywood Hotel, Design-Hotel im Osten Austins, eine architektonische Perle
Clubs
Continental Club, 1315 South Congress Avenue, offen jeden Tag ab 16 Uhr, Konzerte meist ab 18 Uhr
Broken Spoke, 3201 South Lamar Boulevard, täglich ab 11 Uhr geöffnet
Music Heritage Tours, ab 35 Dollar, je nach Gruppengröße
Wer selbst mal einen flotten Two-Step lernen will, sollte sich in den rund drei Kilometer vom "SoCo"- Viertel entfernten Club "Broken Spoke" aufmachen. Hier lernen jeden Abend ab 20 Uhr ältere, aber auch jüngere Country-Fans, wie sie einen guten Tanzschritt hinbekommen. So sehen sie also aus, die Trump- Wähler, kommt einem unwillkürlich in den Sinn, wenn man die älteren Semester beim Schwofen beobachtet.
Aber eigentlich muss niemand zwingend einen solchen Kurs machen. Wenn hier am späteren Abend die Honky-Tonk-Bands aufspielen, kann jeder und jede tanzen, wie er und sie will. Das Publikum ist weit überwiegend weiß, eher älter und voller Begeisterung. Im März 2017 beehrte sogar der Musiker Garth Brooks den "Broken Spoke"-Club.
Die "Musikhauptstadt der Welt" macht ihrem Slogan also alle Ehre. Die Szene habe sich im Laufe der Jahre zwar verändert, sei auch kommerzieller geworden, sagt Musik-Kenner Richard, aber auch wegen der vielen Studenten in Austin werde die Stadt immer eine Musikszene haben. Nur Techno, Pop und Hip-Hop sei hier nicht so vertreten, meint Richard schmunzelnd. Dafür müsse man dann eher an andere Orte, die Westküste oder nach Detroit.
Quelle: ntv.de