Unterhaltung

Der Graf von Unheilig "Der ESC war schon immer mein Traum"

Na, wie habe ich das gemacht? Der Graf hofft auf viele Stimmen von Unheilig-Fans beim ESC-Vorentscheid.

Na, wie habe ich das gemacht? Der Graf hofft auf viele Stimmen von Unheilig-Fans beim ESC-Vorentscheid.

(Foto: dpa)

Mit seiner Band Unheilig hat der Graf in Deutschland alles erreicht. Jetzt will er sich ein internationales Publikum erobern. Dabei soll ihm der Auftritt beim Vorentscheid zum Eurovision Song Contest heute Abend helfen. Beim ESC aufzutreten, sei schon immer sein Traum gewesen, sagt er - auch als er noch ein dunkler Fürst der Gothic-Szene war. Was ihn an dem Wettbewerb reizt, was er davon hält, auf Englisch zu singen und wann er das erste Mal auf einem Foto gelacht hat, erzählt er im Interview mit n-tv.de

n-tv.de: Der Eurovision Song Contest ist bunt, alle sind furchtbar gut drauf und haben sich lieb. Wie passt Unheilig da rein?

Der Graf: Es ist natürlich ganz klar: Der ESC war jahrelang ein Pool an Selbstdarstellern. Und das ist auch heute noch so. Aber es geht auch darum, dass alle Länder in Europa sich musikalisch vorstellen und dann entscheidet Europa wer der Beste von allen ist. Ich verdrehe mich deswegen jetzt nicht oder ziehe was Buntes an oder mache irgendwas Besonderes, um da aufzufallen. Das wäre ich nicht. Dieses Kalkulieren, was man machen könnte, damit man mehr auffällt, ist alles Quatsch. Denn es drückt die Musik nach hinten. Ich möchte gern so sein, wie ich eben bin und wenn die Menschen in Deutschland mich am 13.3. wählen, dann wählen sie Unheilig so wie wir sind. Sie wissen auf jeden Fall, was sie haben. Ich wird mich da nicht verbiegen oder in Englisch singen.

War das mal eine Überlegung?

Ja, das war die große Frage. Dass ich am ESC teilnehmen wollte, war mir klar. Wenn, dann musst du es in der Sprache machen, in der du auch träumst. Dann habe ich eine Umfrage im Internet gemacht und die Menschen gefragt. Mein Traum ist es daran teilzunehmen, schrieb ich, aber in Deutsch. 34.000 Menschen haben ja gesagt und 2000 nur nein. Es ging mir dabei hauptsächlich um die Sprache. Dass ich daran teilnehme ist eine Riesenehre, aber mir ging es eher um diese Frage: Ist meine Entscheidung mit der Sprache die Richtige.

Wie findest du das denn, dass viele auf Englisch singen?

Unheilig gehören zu den Favoriten beim ESC, doch was die Siegchancen angeht, ist der Graf ganz, ganz vorsichtig.

Unheilig gehören zu den Favoriten beim ESC, doch was die Siegchancen angeht, ist der Graf ganz, ganz vorsichtig.

(Foto: dpa)

Letztlich soll sich der Künstler so darstellen, wie er ist und die Musik machen, die er immer macht. Santiano spielen zum Beispiel ein englisches und ein deutsches Lied - wieso, das müssen die entscheiden. Ich sehe es einfach nur so: Wenn du dein Land und dessen Musik repräsentierst, dann gehört die Sprache total dazu. Ob es nun Frankreich, Italien, England, Schweden oder Dänemark ist - die müssen doch eigentlich in ihrer Muttersprache singen. Weil die Sprache doch auch das ausdrückt, was wir sind. Wenn wir die Sprache der eigenen Herkunft verwässern, geht doch so viel verloren, was uns ausmacht. Es ist doch alles ganz wichtig. Die Ideale, was wir glauben, unsere Gedanken, all die Gedichte. Und das würde in dem Moment ja gar nicht mehr stattfinden.

Der ESC war dein Traum? Seit wann und warum?

Von klein auf. Wenn du als kleiner Junge Musik machst und Probleme mit der Sprache hast und aus dem Grunde anfängst, Musikinstrumente zu lernen und denkst: "Boah, Musik ist toll, ich kann mich damit ausdrücken, da brauche ich nicht zu stottern!" und dir dann den großen internationalen Entscheid anguckst, wo die ganze Welt da ist, alles ist groß, Lichter, große Bühne, dann ist das die Champions League der Musik. Das ist der größte internationale Wettbewerb. Wenn du da auftrittst, können 150 Millionen Menschen deine Musik hören. Das ist doch der Hammer.

Aber der junge Graf in der Gothic-Szene, der fand doch niemals so einen Schlagerwettbewerb toll!

Ja gut, dann ist die Frage, warum fand der Graf eigentlich in der Gothic-Szene statt. Dann muss man fragen, ob der Graf, wie er sich vor 15 Jahren in der Gothic Szene dargestellt hat, auch privat so gewesen ist. Mir ist vor einem Jahr ganz klar geworden, wieso ich vor 15 Jahren so aussah. Wenn du stotterst, stotterst du nicht in der Verkleidung, im Schauspiel und im Spiel. Wenn ich mir meine Verkleidung von vor 15 Jahren anschaue, wird mir doch alles klar. Ich habe mich hinter Kontaktlinsen, schwarz lackierten Fingernägeln, bösem Blick und bösem Mantel stärker gefühlt. Weil ich Angst hatte, in die Öffentlichkeit zu gehen.

Was hat dir geholfen?

Der Zuspruch der Menschen hat im Laufe der Jahre dazu geführt, dass ich mich sicherer gefühlt habe und die Verkleidung mehr und mehr abgelegt habe. Der Witz dabei ist: Das erste Lied, das ich veröffentlich habe, war "Sage ja". Und da gibt es einen Satz vor dem Refrain: "Das einzige, was zählt, ist die Maske, wenn sie fällt." Ich hab damals im Grunde genommen alles schon gemacht mit der Weisheit, ich gehe in die Öffentlichkeit, ich verkleide mich, weil ich mich damit sicher und weniger verletzlich fühle und wähle ein Pseudonym wie ich gerne sein will.

Als Aachener bist du ja auch eine Rheinische Frohnatur.

Ja! Es ist zum Beispiel so, ich habe 2007 zum ersten Mal gelacht auf einem Foto. Davor habe ich immer nur ernst geguckt.

Gab es eigentlich einen Moment, an dem du dachtest, jetzt kann auch eine Band wie Unheilig den ESC gewinnen? Ich denke da an Lordi…

… (geht mit der Stimmer herunter) da wussten wir, dass alles möglich ist! Nach Guildo Horn und Stefan Raab mit "Wadde hadde dudeda" aber auch schon. Ich hab mir das angeguckt und hab mir gesagt, ich will das gerne auch machen und ich würde es nicht machen wenn ich nicht davon ausgehe, dass ich auch gewinnen kann. Und ich will den 13.3. gewinnen. Und wenn ich nach Kopenhagen komme, würde ich auch gern den ESC gewinnen und dann internationalen Erfolg haben.

Viel gemeinsam haben sie nicht, dennoch will er in ihre Fußstapfen treten. Der Graf bewirbt sich mit seiner Band Unheilig für den Eurovision Song Contest, den einst Lena Meyer-Landruth gewann.

Viel gemeinsam haben sie nicht, dennoch will er in ihre Fußstapfen treten. Der Graf bewirbt sich mit seiner Band Unheilig für den Eurovision Song Contest, den einst Lena Meyer-Landruth gewann.

Viele Deutsche haben sich schon blamiert. Keine Angst vor "Germany two points"?

Wieso? Wenn du so bist, wie du bist? Wenn du auf ein Fußballfeld gehst, sagst du doch auch nicht, "Oh Gott, heute werde ich keine Tore schießen." Die positiven großen Träume bauen uns doch auf. Es ist doch falsch, von vornherein Dinge mit der Angst zu tun, es könnte in die Hose gehen. Wir werden alle irgendwann kurz davor sein, dem lieben Gott die Hand zu schütteln. Und in dem Moment, kurz bevor wir da hochgehen, werden wir die Dinge vor Augen geführt bekommen, die wir uns nicht getraut haben. Und ich will da keine haben. Wenn morgen die Lampen ausgehen, möchte ich immer sagen können, meine Träume habe ich versucht zu leben. Und wenn ich damit auf die Nase gefallen bin? Hey, es hat zehn Jahre gedauert, bis ich mit der "Großen Freiheit" Erfolg gehabt habe. Ich bin so oft auf die Nase gefallen, ich weiß, wie es ist. Ich wäre traurig, ich wäre enttäuscht, aber das Leben geht dann weiter. Dadurch bin ich ja kein anderer Musiker. Meine Musik wird dadurch ja nicht schlechter.

Bei eurer Fanbase ist der Sieg doch sowieso sicher.

Nein! Ich wusste, dass so eine Aussage kommt, das ist gemein! Ich kann es aber auch genau erklären: Santiano hat eine Million Platten verkauft, The Baseballs haben mehrere Goldalben und Echos, Oceana hatte vor zwei Jahren mit dem WM-Song einen Riesen-Hit und dann wird noch ein Newcomer gewählt. Das ist der Underdog-Effekt, das Aschenputtelprinzip. Das wollen wir doch alle, dass der Unbekannte gewinnt! Auch Anna Lena kann eine große Nummer sein. Aber es ist auch so, dass am 13.3. die Menschen nicht nur entscheiden, welches Lied besser gefällt, sondern sich auch fragen müssen: Was wäre besser für uns? Deutsch oder Englisch? Haben wir nicht mit Englisch bessere Chancen? Dann wähle ich doch lieber den Englischen.

Und wenn du gewinnst?

Das wäre der Hammer.

Aber wie willst du die Osteuropäer überzeugen?

Barbara Schöneberger moderiert den Vorentscheid zum Eurovision Song Contest.

Barbara Schöneberger moderiert den Vorentscheid zum Eurovision Song Contest.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ich weiß nicht. Ich bin so wie ich bin und ich singe meine Musik. Wir sind schon mal in Russland aufgetreten und die Leute singen die Lieder mit auf Deutsch. Und wenn man ganz ehrlich ist: Weißt du, was da im Radio läuft, wenn da einer auf Englisch singt? Übersetzt du dir den Text? Du denkst doch eher, find ich gut oder schlecht. Und dann übersetzt du dir den erst. Wenn man sich den Text bei manchen Radioliedern übersetzen würde, fände man den nicht mehr gut. Wenn man sich da die Frage stellt, "Ey singt der wirklich drüber?", da denkt man: "Hoffentlich versteht mein Patenkind das nicht. Denn das ist nicht ganz jugendfrei." "Blow my whistle baby", da geht’s nicht um Flötenunterricht! Ich finde das ja witzig und will das auch gar nicht bewerten. Aber es gibt so Radio-Hits, da kann mir keiner erzählen, dass die Leute sich das übersetzen. Und genauso sehe ich das auch für mich. Ich glaube, dass meine Musik den Menschen erst einmal ins Ohr geht und dann denken sie vielleicht: Coole Stimme, cool produziert oder coole Melodie. Wer ist denn das? Und dann wäre es toll, wenn sie unser "Best of"-Album sehen und dann mal reinhören. Um den mal kennenzulernen. Deswegen bringen wir die auch raus. Wie blöd wären wir, wenn wir keine Platte hätten, wenn uns ein internationales Publikum zum ersten Mal hört?

Ihr habt doch schon viele Alben.

Die sind aber nie international veröffentlicht worden.

Euer zweiter Song für den ESC "Wir sind alle wie eins" hört sich an, wie auf den ESC getextet.

Das ist dafür gemacht. Ich hab mich hingesetzt, nachdem ich wusste, ich will daran teilnehmen und habe dieses Lied dafür geschrieben. Ich habe mir Gedanken gemacht, ESC, Europa, was heißt das?  Egal, wo du herkommst, welche Farbe, was du bist, was du glaubst, was du denkst, im Grunde ist alles so, als wären wir alle wie eins. Das war der große Gedanke. Der andere ESC-Song "Als wär's das erste Mal" ist in der Writing Session 2013 mit Blick auf das Album nach "Lichter der Stadt" entstanden. Das war das erste Lied, das da war. Da hatte ich schon angefangen, darüber nachzudenken, was ich noch gern erreichen will. Und mein Traum war dann der ESC. Ich will aber auch gucken, ob international nicht die eine andere Sache möglich wäre.

Beim Best-of-Album, da man merkt man dann den Bruch...

Den Bruch!

Ja, stilistisch. Man merkt, dass die neuen Sachen ganz anders sind. Die alten erinnern an Rammstein und die neuen sind sehr viel weicher.

Ja. Kennst du das Lied "Stark"?

Ja.

In Deutschland hat der Graf mit Unheilig so ziemlich alles erreicht. Bereits 2010 bekam der einstige Gothic-Star einen Bambi.

In Deutschland hat der Graf mit Unheilig so ziemlich alles erreicht. Bereits 2010 bekam der einstige Gothic-Star einen Bambi.

(Foto: picture alliance / dpa)

Von wann ist das? 1999! Haben wir 2012 neu veröffentlicht, wird jetzt im Radio gespielt! Ha!

Ja, aber die alten Sachen sind viel heavyer, meinst du nicht, dass du neue Fans verschreckst?

Das ist meine Musik, wie ich sie fühle. Du darfst die Unheilig-Musik nicht danach beurteilen, was die Single ist. Wenn ich eine Single veröffentliche, um möglichst viele Menschen zu erreichen, darum geht’s ja, dann möchte ich gern ein Lied nehmen, das vielleicht im Radio gespielt wird. Wenn ich jetzt so einen "Eisenmann" von "Lichter der Stadt" nehmen würde, so eine typische Rammstein-Nummer, werde ich mich nicht wundern müssen, wenn das kein Radiosender spielt.

Aber du sagst doch immer, dass du machst, was du willst und so bist, wie du bist...

Ja natürlich, aber wir haben zum Beispiel "Geboren um zu Leben" 2010 als erste Single veröffentlicht. Das war ein Riesen-Hit. Dann haben wir die Fansingle "Für immer" veröffentlicht. Das hat kaum jemanden interessiert. Das war die Fansingle! Die ganzen Gothic-Fans haben gesagt: "Ohhh super!" Aber es hat nirgendwo stattgefunden. Wir haben ein Video gedreht, wir haben alles gemacht, ich habe das Ding überall promotet. Aber es hat keinen interessiert. Und warum soll ich die Arbeit, diese Energie in etwas hineinstecken, wenn ich sehe, es kommt bei den Menschen nicht gut an. Und wenn ich ein Lied als erste Single veröffentliche, möchte ich das auch einem Radiosender anbieten können. Beim nächsten Album mache ich das glaube ich trotzdem nochmal.

Wieso denn?

Als wir "Eisenmann" bei der "TV Total Stockcar Challenge" gespielt haben, war das so cool! Das war so klasse, mit Pyro-Effekten und einfach mal die Sau rauslassen, super. Das hat mir gezeigt, dass man vielleicht einfach mal den Menschen zeigen kann, dass wir auf Konzerten nicht nur "Geboren um zu leben" oder "Unter deiner Flagge" spielen. Sondern, dass es auch noch diese totalen Kracher gibt. Und wenn wir Lieder für das kommende Album schreiben, werden da auch wieder diese Kracher drauf sein. Auf "Lichter der Stadt", da gibt’s das Lied "Feuerland", da gibt’s das Lied "Eisenmann", das Intro ist auch nicht gerade ohne. Natürlich gibt’s da auch Lieder, die ein bisschen weicher sind, ist doch logisch. Aber ich bin dafür eingestanden, dass diese Lieder auf das Album kommen. Ich musste Menschen überzeugen, die dachten: "Was sind das für Lieder, die passen doch gar nicht!" Da habe ich gesagt: Doch, diese Lieder sind wichtig für uns und beim nächsten Album werden noch mehr davon drauf sein. Ist ganz klar.

Wann kommt denn das nächste Album?

Das werde ich noch nicht sagen. Irgendwann nach der Best of!

Also ist die Best-of keine Bestandsaufnahme zum Schluss.

Nee, das ist ein Zwischenstand. Jetzt ist irgendwo die internationale Tür, mal gucken ob wir da durch gehen. Wenn das nicht mit dem ESC klappt, werden wir trotzdem im Ausland auftreten und die Sache dann langsam angehen. Das hat in Deutschland auch zehn Jahre gedauert. Im Ausland musst du bei Null anfangen. Und da habe ich auch Bock drauf.

Quelle: ntv.de, Das Interview führte Volker Petersen

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