Krankenhaus-"Tatort" aus Münster Der Geruch von Formalin am Abend
21.09.2014, 21:44 Uhr
Macht ihren Job auch ohne Boerne gut: Silke "Alberich" Haller.
(Foto: WDR/Filmpool Fiction/Wolfgang En)
Selten war Medikamentenbetrug so witzig: Professor Boerne und Kommissar Thiel ermitteln in ihrem 26. Fall in einer Klinik. Nur der übermäßige Gebrauch eines sonst so genialen Alleinstellungsmerkmals der Münsteraner Episoden stößt sauer auf.
So eine Pathologie ist ja ganz schön praktisch, wenn man mal ein bisschen drüber nachdenkt: Die Spitzenkühlung wartet nur darauf, mit Sektflaschen gefüllt zu werden und der riesige Sektionstisch eignet sich super fürs Buffet - mit einem Wisch ist alles weg, wenn mal wieder ein Partygast mit dem Ketchup rumsaut. Die perfekte Location für eine Geburtstagsparty, denkt sich die kleinwüchsige Rechtsmedizinerin Haller (ChrisTine Ursprung) und fährt groß auf. Nur Professor Boerne (Jan-Josef Liefers) ist mal wieder mehr mit sich selbst als mit allen anderen beschäftigt und sieht sich selbst schon von einer Leberzirrhose zerfressen in der eigenen Leichenhalle liegen.
Wem das nicht bekannt vorkommt, der hat die letzten Jahre fernsehtechnisch hinter dem Mond gelebt. Galoppierender Wahnsinn ist der charakteristischste Wesenszug des Münsteraner "Tatorts" - und da macht auch die neueste Episode keine Ausnahme. In "Mord ist die beste Medizin" geht es weniger um die Aufklärung eines Medikamenten-Skandals mit Doppelmord als Nebenwirkung, sondern vielmehr um das Zusammenspiel der beiden herrlich bekloppten Hauptfiguren. Das ist soweit natürlich nichts Neues, doch durfte man nach einigen Ausrutschern in der jüngeren Vergangenheit gespannt sein, ob Kommissar Thiel (Axel Prahl) und Professor Boerne weiterhin so stilsicher auf dem schmalen Grat der Komik wandeln würden wie in den vergangenen beiden Episoden.
Ein leicht schaler Nachgeschmack
Tun sie, so viel ist bereits nach wenigen Minuten klar. Regisseur Thomas Jauch inszeniert die intelligent von Drehbuchschreiberin Dorothee Schön erdachten Pointen mit exakt dem Effet, der dem Münsteraner "Tatort" regelmäßig bis zu 13 Millionen Zuschauer beschert. Und gerade wenn das Treiben auf dem Bildschirm zu sehr in Richtung Klamauk zu kippen droht - "Das Wunder von Wolbeck" lässt grüßen -, sorgt ein ernster Unterton für die nötigen Atempausen in der Krimikomödie: Der Tod der sympathischen Onkologin, die sich mit Boerne so amüsante Wortgefechte liefert und ihren hypochondrischen Patienten dabei regelmäßig austanzt, ist eine unerwartete Wendung und genau die Art von Schatten, die die Episode zu einer der besseren aus Münster macht.
Das liegt allerdings nicht nur an den Hauptdarstellern selbst: Egal, ob sich die ewige Kommissaranwärterin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) in den Vater einer Zeugin verliebt oder Boerne sich das Krankenzimmer mit einem völlig wahnsinnigen Volksmusikfreund (großartig gespielt von Josef Ostendorf) teilen muss - es ist schlicht eine Wohltat, dass die Produzenten beim WDR mittlerweile darauf achten, auch den Nebenfiguren genug Raum zu lassen.
Einzig und allein das eigentlich so herausragende Alleinstellungsmerkmal des Münsteraner "Tatorts" entlässt den Zuschauer am Ende mit einem leicht schalen Nachgeschmack: "Mord ist die beste Medizin" steckt so voller Popzitate, dass es manchmal schon fast ein bisschen wehtut. Wenn Kommissar Thiel sich nach dem Ende einer Zeugenbefragung in bester Columbo-Manier noch einmal umdreht, weil er etwas "vergessen" hat, ist das noch ganz witzig. Spätestens aber, wenn Boerne nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus in die Pathologie zurückkehrt und in bester "Apocalypse Now"-Manier "Ich liebe den Geruch von Formalin am Abend" jauchzt, kann man sich einen herzhaften Facepalm nicht mehr verkneifen.
Quelle: ntv.de