Unterhaltung

Wen Kümmert der Song Contest? ESC-Vorentscheid endet im Desaster

3o4o5941.jpg6453653546883824569.jpg

(Foto: dpa)

Es hätte alles so schön schlicht sein können. Drei triefende Frauen, ein heißer Hintern und trotz alledem der scheinbare Loser auf dem Siegertreppchen. Doch Andreas Kümmert mimt den Spielverderber - und macht den ESC-Vorentscheid zur Farce.

Als die endgültige Entscheidung verkündet wurde, schien eigentlich alles sonnenklar: Ja, Andreas Kümmert hat das Rennen gemacht. Der Typ, der aussieht, als arbeite er in der IT-Abteilung im Keller Ihres Unternehmens. Der Typ, der als einziger legitimer Nachfahre von Joe Cocker durchgehen würde. Der Typ, der Deutschlands Bartträger-des-Jahres-Antwort auf Österreichs Conchita Wurst hätte sein können. Und der Typ, der mit seiner Hammerstimme trotz - oder gerade wegen - seiner äußerlichen Anmutung zwischen Hobbit und Catweazle bereits bei "The Voice of Germany" 2013 den Sieg eingeheimst hatte.

Ja, Kümmert und sein Song "Heart of Stone" erschienen als rechtmäßige Gewinner des deutschen Vorentscheids zum diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) in Wien. Beides in Kombination hatte so viel Schmiss, dass nicht nur das Hannoveraner Live-Publikum in Wallung, sondern auch der TV-Zuschauer ins Mitwippen geriet. Und das, obwohl die Konkurrenz diesmal tatsächlich so bärenstark wie schon lange nicht mehr war.

Die Kelly Family auf LSD

Okay, vergessen wir mal Mrs. Greenbird, Faun und Fahrenhaidt. Die ehemaligen "X-Factor"-Gewinner Mrs. Greenbird bewiesen mit ihrer Teilnahme am ESC-Vorentscheid zwar, dass ein Leben nach der Castingshow kein exklusives Privileg von Andreas Kümmert ist. Gleichzeitig versprühten sie mit ihrem "Shine Shine Shine" und dem 70er-Polyacryl-Rock der Sängerin in Regenbogenfarben jedoch so viel Charme wie die Kelly Family auf LSD. Faun bedienten das Klischee, das Gothic-Mittelalter-Gedudel und zeigten, dass Männer mit Kajalstrich in Deutschland offenbar nie aus der Mode kommen. Und Fahrenhaidt bewiesen mit ihrer Ballade "Frozen Silence", dass man auch mit einer Schwanensee-Choreographie den Bach runter gehen kann. Ja, bevor Sie fragen: Fahrenhaidt wie Zelsius.

Sie alle mussten bereits in der ersten Runde die Segel streichen. So wie die "Noize Generation", deren "Song For You" im Stil des DJ-Abräumers Avicii zwar auch nicht gerade den Musik-Innovationspreis verdient gehabt hätte, aber doch zumindest ein wenig Stimmung in die Bude brachte.

Zu cool für den ESC

Die erste Hürde im Vorentscheidsmarathon nahmen stattdessen erfolgreich die Songwriterin Alexa Feser, das Frauen-Trio Laing, "Wildcard"-Gewinnerin Ann Sophie und eben Andreas Kümmert. Der Preis: Sie alle durften noch einen zweiten Song performen, über den die Zuschauer alternativ abstimmen konnten. Nichts genutzt hat das Echo-Anwärterin Feser und den bekanntlich morgens immer müden Laing. Dabei wären auch sie durchaus würdige Finalisten gewesen.

Feser bescherte einem mit ihren Liedern "Glück" und "Das Gold von morgen" die Eingebung, dass es bislang tatsächlich noch keinen weiblichen Herbert Grönemeyer gegeben hat. Und Laings schweißtriefendem Auftritt zu "Zeig deine Muskeln" verdanken wir die Einsicht, dass sich der Gang zum Fitness-Studio doch mal wieder irgendwie lohnen könnte. Auch wenn der zweite Song "Wechsel die Beleuchtung" der Berlinerinnen dagegen etwas abfiel. Und auch wenn die Spinning-Kür des Trios mit zusätzlicher Tänzerin beim ESC wohl nur als weitere Hupfdohlen-Nummer untergegangen wäre. Für den Song Contest sind Laing vermutlich doch einfach ein wenig zu cool. Von daher sollte sich niemand grämen, dass sie es nicht dorthin geschafft haben.

Wir sehen rot

Apropos cool. Damit wären wir auch schon bei den beiden Finalisten des Vorentscheids. Und bei Andreas Kümmert. Und Ann Sophie. Fangen wir mit der Letzteren an.

Die Hamburgerin hatte es als bisheriger "No Name" in den Vorentscheid geschafft. Ihre "Wildcard" ergatterte sie im Februar mit einem souveränen Auftritt bei einem "Clubkonzert" in ihrer Heimatstadt. Dabei deklassierte sie die Konkurrenz nicht nur mit ihrem Song "Jump the Gun", sondern auch mit ihrem Hintern in einem knallroten Hosenanzug, der einem die Schweißperlen auf die Stirn trieb, als hätte man mit Laing auf dem Fahrrad gesessen. Noch besser kam nun in Hannover allerdings ihr zweiter Song "Black Smoke" mit Amy-Winehouse-Flair beim Publikum an. Doch schwarzer Rauch hin oder her - viele haben sicher noch immer nur rot gesehen.

Andreas Kümmert indes lieferte mit "Home Is In My Hands" zunächst eine Ballade ab, ehe er mit "Heart Of Stone" die Mitklatsch-Hymne präsentierte, die die Mehrheit der TV-Zuschauer gern als deutschen Beitrag beim ESC in Wien gesehen hätte. Die Betonung liegt auf "hätte".

"Ich bin ein kleiner Sänger"

"Vielen lieben Dank. Ich bin bin überwältigt von eurer Zuneigung", erklärte Kümmert noch, als sein Sieg feststand. Moderatorin Barbara Schöneberger gab derweil der scheinbar geschlagenen Ann Sophie die Weisheit mit auf den Weg: "Hier an zweiter Stelle zu stehen, ist der größte Erfolg."

Doch nur wenige Augenblicke später wendete sich das Blatt - und kippte die Stimmung. "Es ist momentan so: Ich bin nicht wirklich in der Verfassung, diese Wahl anzunehmen", stammelte Kümmert just in dem Moment, als Schöneberger ihn zu weiteren Gewinnerphrasen herausforderte. "Ich geb meinen Titel an Ann Sophie", teilte der 28-Jährige seinem sichtlich konsternierten Umfeld mit. Und: "Ich denke einfach, dass sie viel geeigneter und qualifizierter dafür ist. Ich bin ein kleiner Sänger."

Wieso, weshalb, warum?

Ein Desaster. Und ein Himmelsgeschenk. Schließlich sind es genau Skandälchen wie diese, die immer wieder Fernsehgeschichte schreiben. "Ich bin auf die Besprechung unserer heutigen Show und des Ergebnisses sehr gespannt in der Tagespresse morgen früh", frohlockte Barbara Schöneberger schon mal. Doch leider muss man ihr in diesem Fall ins Stammbuch schreiben: über weite Strecken toll moderiert, aber zum Schluss verheerend schlecht pariert.

Anstatt die Situation - wieso, weshalb, warum? - aufzuklären und gegebenenfalls offen zu lassen, kürte die Moderatorin kurzerhand die überforderte Ann Sophie zur neuen Gewinnerin. "Wollt ihr das überhaupt?", fragte die 24-Jährige unsicher ins Publikum, ehe sie ihren "Sieger"-Titel "Black Smoke" noch einmal singen "durfte". Eine berechtigte Frage. Sie wird schließlich nun mit der Bürde des "geschenkten" Siegs in den kommenden Wochen herumgereicht werden und nach Wien reisen.

Souveränität sieht anders aus. Das gilt auch und erst recht für Andreas Kümmert. Er wird sich die Frage gefallen lassen müssen, weshalb er überhaupt am Vorentscheid teilgenommen hat, wenn er am Ende gar keinen Bock auf die Schose hatte. Man kann schon die Kommentare lesen, in denen er als "ehrlicher" Verweigerer des ganzen ESC-Klimbims gefeiert wird. Das ist natürlich Humbug. Dann hätte er auch gleich zu Hause bleiben können. Und sollen. Eines jedenfalls ist klar: Gesagt ist gesagt, entschieden ist entschieden. Sollte nun an Ann Sophies ESC-Teilnahme abermals gerüttelt werden, wäre das unwürdig. Noch unwürdiger, als es ohnehin schon ist.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen