"Tatort" mit Ballauf und Schenk Ein Tanzbär auf Freiersfüßen
01.02.2015, 21:46 Uhr
Drei feierwütige Banker beobachten die Kunstprofessorin Claudia Denk.
(Foto: WDR/Colonia Media GmbH/Martin Valentin Menke)
Betrunkene Börsianer, eine Schöne mit dunklem Geheimnis, Freddy im Liebestaumel und ein gar nicht mal so ehrenwertes Haus: Der Mordfall um einen obdachlosen Pianisten entpuppt sich als klassisches Täterrätsel ohne zeitgeistigen Schnickschnack.
Freddy tanzt nicht. Freddy pennt. Auf dem Sofa einer Verdächtigen. Zugegeben, einer durchaus attraktiven Verdächtigen, aber eben einer Verdächtigen. Im Fall des erschlagenen Obdachlosen Daniel Gerber (Mathias Reichwald) ist Claudia Denk (Ursina Lardi) jedoch nur eine von vielen, die im Zusammenhang mit der Tat infrage kommen.
Gerbers Leiche wurde am Rheinufer von seiner Mutter gefunden. Marita Gerber (Lina Wendel) ist eine Nachbarin ausgerechnet von Max Ballauf (Klaus Schenk). Der hatte ihren Hilferuf in Sachen vermisster Sohn zuvor nicht ernst genommen. Und muss nun den dessen Mörder finden.
Kollege Freddy (Dietmar Bär) ist ihm dabei nur bedingt eine Hilfe. Der XL-Kommissar hat an der schönen Kunstprofessorin Denk einen solchen Narren gefressen, dass er nicht nur seine Familie vernachlässigt, sondern sich auch noch in geschmacksangrenzende rosa Hemden kleidet und beim Hüten ihrer Tochter auf dem Sofa wegdöst.
"Live fast. Love hard. Die young"
Der erweiterte Kreis der Verdächtigen ist in diesem Fall endlich einmal wieder ein Whodunit-Ensemble, das so klassisch daherkommt wie das Orchester, in dem Denks Ex-Freundin spielt.
Als die Kommissare klingeln, ist Katja Petersen erst einmal misstrauisch.
(Foto: WDR/Colonia Media GmbH/Martin Valentin Menke)
Da ist zum Beispiel das schmierige Banken-Trio: Tobias, Jonas und Oliver tüten tagsüber ihre Deals ein und feiern nachts nach dem Motto "Live fast. Love hard. Die young". Und hauen schon mal zu, wenn ihnen jemand beim Partymachen im Weg steht. In diesem Falle ist das Daniel Gerber, den Oliver Kern (Julian Weigend), wie man später erfährt, fast totgeschlagen hat.
An jener Mietskaserne, vor dessen Tür sich der abgerissene, schwer blutende Mann, im vorherigen Leben klassischer Pianist, schleppt, hätten sicher auch Hercule Poirot oder Miss Marple ihre Freude gehabt. Nichts ist in diesem ehrenwerten Haus, wie es scheint. Der ruppige Eishockey-Lehrer in Parterre, der von der Liebesnacht mit seiner Frau tönt, ist in Wirklichkeit schwul, das Renterpärchen mit Hörschwäche ein hippieskes Seniorenduo mit Schwäche für Tofu und Räucherstäbchen, die schöne Frau Denk eine Freizeit-Prostituierte und das Phantom von ganz oben eine Kitschroman-Autorin mit Prügel-Ex.
Es schwoft der Tanzbär allein im Club
Wer sich nach den letzten Tatort-Wochenenden mit Crystal Meth und Heroin, mit arabischen Ölprinzen, pädophilen Fußballtrainern, verkappten Schläfern und Drogenköchen aus dem Dunstkreis von "Homeland" und "Breaking Bad" nach einem altmodischen, im besten Sinne unaufgeregten Krimiabend gesehnt hatte, der wurde mit dem 62. Fall des Kölner Duos bestens bedient. Weder wurde hier der große gesellschaftliche Kontext in die Kulisse gestellt noch postmoderne Crime-Manierismen der ach so erfolgreichen Formate aus den USA verzweifelt nachgebaut.
Selbst der Subplot um Freddy auf Freiersfüßen bekommt ganz gut die Kurve. "Freddy tanzt" - der Titel ließ Schlimmes befürchten, am Ende schwoft der Tanzbär nur kurz allein im Nachtclub, natürlich in Zeitlupe, das war es dann aber auch schon. Stattdessen bleibt der Fall auf Kurs, kreist um das Arsenal der möglichen Mörder, lässt mal den Eishockey-Coach Baumgart (gewohnt ruppig, dann überraschend sanft: Robert Gallinowski) in den Fokus rücken, dann wieder die galante Frau Denk und die tageslichtscheue Nachbarin (Anna Stieblich) von ganz oben.
Köln-Krimi ohne Currywurst
Die Stärke von Jürgen Werners Script: Er ignoriert die Versuchung, all die potenziellen Erzählstränge aufzunehmen und auszuformulieren. Verdeckte Homosexualität, arrogante Banker, eine Schriftstellerin in selbst gewählter Isolation, Professorinnen als Nutten, Kommissare als Liebeskasper - andere Autoren hätten ein halbes Dutzend Subplots draus gestrickt.
Jürgen Werner ignoriert das völlig, erspart sich und dem Zuschauer auch die pädagogische Keule. Niemand ist hier ohne Schuld, am Ende gibt es nur Verlierer. Hier lässt man jedoch dem Fall seinen Lauf und die fahrlässigen Nachbarn in einer schönen Montage gleich dreifach hinter der Tür der Polizeiautos verschwinden. Auch ohne die obligatorische Currywurst ein stimmiger Kölner Krimi.
Quelle: ntv.de