Borowski sucht den Axtmörder Kopflos in Kiel
25.01.2015, 22:04 Uhr
Das Team Kiel hat noch Mimik-Potenzial.
(Foto: dpa)
Auch im sonst eher ruhig-melancholischen Norden entdeckt man jetzt die vermeintlichen Vorzüge von Crystal Meth. Im Kieler "Tatort" wird geraucht, gedealt, gefeiert und gemordet. Da staunt Borowski und Sarah Brandt wundert sich.
Dass es Sibel Kekilis Spiel an Bandbreite mangelt, kann man nicht behaupten: Wenn sie auf dem Beifahrersitz in Windeseile die Daten eines Handys checkt, dabei leise kieksend jubelt und die Faust ballt, dann hat das etwas von einer Elfjährigen, die ein Überraschungs-Ei auspackt. An anderer Stelle wirkt sie wie das gebückte Omchen aus dem dritten Stock, das die Welt nicht mehr versteht. Und das Mantra der Ruheständler ausstößt, für die sich der Globus mittlerweile viel zu schnell dreht: "Wer macht sowas?". Und das ist ja zumeist die entscheidende Frage eines jeden Krimis: Wer macht sowas? Im Falle von "Borowski und der Himmel über Kiel" widmet man sich, ganz traditionell, mindestens wenn nicht noch mehr der Frage danach, warum jemand so etwas macht.
Schnell wird klar, dass harte Drogen im Spiel waren. Der Tote, oder besser gesagt sein abgehackter Kopf, den man im Niemandsland um das schleswig-holsteinische Kaff Mundsforde in einem Tümpel findet, lässt keinen anderen Schluss zu. Schnell kommen Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekili) der Ex-Freundin des Toten, Rita Holbeck (Elisa Schlott), auf die Spur. Eine weitere Fährte führt ins Kaff Mundsforde selbst, und hier heugabelt sich die Handlung in zwei Stränge, die der Fall nie wirklich zusammengeklöppelt bekommt.
Da sollen Bauern, die mit Mühe und Not ihre Schuhe geputzt bekommen, die auf verwahrlosten Resthöfen durch verdreckte Kuh-Stallungen stapfen, in Wirklichkeit chemikalisch bewanderte Drogenköche sein? Fiete und Hinnerk auf den Spuren von Walter White? Als hätte Hunter S. Thompson seine Version von Detlev Bucks "Karniggels" im Amphetamin-Wahn neu verdrahtet, gehen hier dem ländlichen Part der Story massiv die Ackergäule durch.
Hände weg von den Drogen. Check.
Im Kieler Teil der Geschichte schließlich entwickelt der Fall durchaus Sogwirkung, ist aber letztlich über die Maßen vernarrt in sein knallig bebildertes Panoptikum der jugendlichen Crystal-User. Als müsste zwanghaft und unbedingt - und nur ja nichts vergessen - jedes Detail aus der "Lass die Finger von den Drogen"-Fibel in Szene gesetzt werden, wird hier aus dem Bahnhof Zoo der Christiane F. die unwirtliche Bergstraße im Zentrum der Landeshauptstadt. In der Techno-Disse pumpen die Beats und bumpern die Herzen. Auf Droge will man immer tanzen? Check. Von Crystal kriegt man schlechte Haut? Check. Das Gebiss verfärbt sich? Check. Es muss gevögelt werden und zwar wie Tier? Check. Mit der Zahnbürste Fugen putzen? Fremde Leute küssen. Brüllen. Check. Check. Check. Alles ist drin in diesem Trip.
Wie berauscht an sich selbst, fliegen hier die Bilder davon. Und mit Elisa Schlott als Rita und Joel Basman, der in den Flashbacks ihren Ex Mike spielt, kann sich Regisseur Christian Schwochow auf seine jungen Helden ja auch durchaus verlassen. Die beiden tragen den Drogentrip tatsächlich höchst überzeugend. Nur seine Story, und mit ihr seine beiden tapferen Helferlein vom Kieler Kommissariat, bekommt er nicht rundgeschliffen.
Von Kekilis Spiel zwischen kindlicher Begeisterung und omahaftem Erstaunen war hier schon die Rede. Und auch Borowski steht ihr in nichts nach. Gewohnt quasi-autistisch stapft der wunderliche Kommissar durch Wald und Flur, gibt die Parole "Wir beschützen dich" an die bedrohte Zeugin aus, um sie im selben Moment vor der Drogendisco (!) aus seinem Wagen (!!) aussteigen zu lassen. Komm gut nach Hause. Die Hallodris von der Drogenmafia warten schon und planen einen Schmusetrip an den einsamen Strand. Wer bei der Polizei solch Freund und Helfer weiß, braucht wahrlich keine Feinde mehr.
Im Land der gelben Zähne
"Ich wollte einen Film machen, den ich mir gerne anschaue", konstatiert Regisseur Christian Schwochow im Interview zur Sendung. Und in der Tat: Wie allein zu Anfang der Mann mit dem Hackebeil durch die nächtliche Waldlandschaft stapft, das hat klassische Krimi-Atmo, wie man sie auch aus den düsteren Winkeln der skandinavischen Nachbarn, die Borowski und Brandt auch noch kurz besuchen, nur zu gut kennt. Im Land der gelben Zähne möchte man nicht nach dem Weg fragen, so stimmungsvoll zeichnet der Regisseur sein Bild der Drogisten-Dörfler. Doch so sehr sich seine jungen Darsteller auch um Kopf und Kragen spielen, eine plausiblere Story - und einen etwas verantwortungsbewussteren Kommissar - hätten sie allemal verdient.
Quelle: ntv.de