Unterhaltung

Cojones. Wir brauchen Cojones! Frankfurter "Tatort" mit Brix und Janneke

Immer noch in der Kennenlern-Phase: Die Ermittler Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch).

Immer noch in der Kennenlern-Phase: Die Ermittler Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch).

(Foto: HR/Degeto/Bettina Müller/dpa)

Ein vorgetäuschter Selbstmord, rasende Russen und betrunkene Bullen, mittendrin ein Ermittlerteam, das langsam in Schwung kommt. Das Frankfurter Team Janneke und Brix ist auf dem Weg zur verlässlichen "Tatort"-Größe.

Der Kopfschuss bleibt auch im zweiten Fall nach der Sommerpause eine der angesagten Tötungsmethoden im "Tatort". Nach dem Wirbel um die bluttriefenden Hirn- und Hauptpartikel im Schweizer Fall aus der Vorwoche wird nun auch in Frankfurt das Lebenslicht in Augenhöhe ausgepustet. Der Splatterfaktor ist hier etwas niedriger, dafür liegt der Empathielevel höher, hätte man dem wunderbaren Dominique Horwitz mit Lemmy-Schnauzer, Bikerjacke und schiefem Grinsen doch gern ein wenig länger beim Spiel zugeschaut. Stattdessen macht Wolfgang Preiss - nicht minder sehenswert: Justus von Dohnányi als tantenhafter Tyrann vom Revier - dem dubiosen Sittenbullen Simon Finger (Horwitz) schon früh den Garaus. Dessen Double Patty Schneider (Henning Peker) spukt fortan durch Flure und Straßen.

Mord ist ihr Hobby? Kommissarin Janneke auf Spurensuche.

Mord ist ihr Hobby? Kommissarin Janneke auf Spurensuche.

(Foto: HR/Degeto/Bettina Müller)

Vergangenheitsbewältigung ist der rote Faden im zweiten Fall um das neue Frankfurter Team Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch). Die beiden sind immer noch in der Kennenlern-Phase und dass es da insbesondere bei Brix einiges zu entdecken gibt, weiß man spätestens, wenn man den Langschläfer-Cop bei der heimischen Wodka-Verkostung beobachtet. In Frankfurt wird halt gern hochprozentig genossen. Was dem Król sein Büroschrank war, das ist dem Brix sein Alibert. Solo-Saufi-Saufi im heimischen Badezimmer - Feierabend-Entspannung sieht anders aus. Die typische Bullen-Biografie aber eben auch, dem kommt Kollegin Janneke in "Hinter dem Spiegel" mehr und mehr auf die Spur.

Dreck am Stecken

Der Fall um den Politiker, der in seinem Büro von der Decke baumelt, gerät da lediglich zu einem ersten Dominostein, dessen Umstürzen etwas in Gang setzt, was weniger lineares Crime-Entertainment ist, sondern vielmehr zum Aufarbeitungsmosaik um Loyalität und Anstand, um Altlasten und Korruption, Freundschaft und Gehorsam gerät. Autor Erol Yesilkaya verschiebt dabei die Perspektiven immer wieder, legt lose Enden aus, springt zwischen den Zeitebenen, ohne den tatorttypischen Auserzähl-Impetus zu arg zu strapazieren.

Dafür scheut Regisseur Sebastian Marka sich nicht, mit beiden Händen in die Archetypen-Kiste zu greifen, um seine Szenen mit ausreichend Schmiss zu versehen: Die Flashbacks im Puff sind natürlich purpurn gefärbt, Schnaps trinkt man aus Wassergläsern, in den Hinterzimmern ist auch im Halbdunkel die Sonnenbrille ein Must-have und in den Autos schwitzen die Kronzeugen auf dem Weg zum Safe House. Sicher ist das natürlich auch nicht, im Gegenteil. Auf Bestellkarten vom Asia-Bringservice kursieren die Koordinaten. Die Polizei, dein Freund und Helfer? Nicht nur Wolfgang Preiss hat so viel Dreck am Stecken, dass man einen Bagger zur Beseitigung benötigen würde.

Watching the detectives

Was die Dynamik des Duos Brix/Janneke angeht, tänzeln die beiden immer noch, nicht nur umeinander, sondern auch um die eigene Rolle herum. Sie sind auf dem Weg, aber noch nicht ganz im Rhythmus. Brix als Unterhemd-Alkoholiker torkelt zwischen Zitat und Realität und ob Anna Janneke auch in Zukunft einen Tick zu trutschig zwischen "Mord ist ihr Hobby" und Miss Marple junior mäandert, werden die nächsten Folgen zeigen. "Wir brauchen mehr Cojones", fordert Brix an einer Stelle und gesteht sie seiner Kollegin beim Showdown - auf dem Schrottplatz, wo sonst - schließlich wohlwollend zu. Etwas mehr davon und das Frankfurter Tandem ist auf dem besten Weg zum Zukunftsmodell.

Ein letztes Wort zum Rahmen: Dass der Vorspann der US-Serie "Bosch" jüngst ein Hingucker war, scheint auch dem "Tatort" nicht verborgen geblieben zu sein. Dass man den Kniff mit den gespiegelten Großstadt-Impressionen hier einfach so abkupfert, ist jedoch nicht wirklich cool. Umso lässiger die Songauswahl zum Finale: Elvis Costellos dräuender Ska-Schunkler vom Rande der Nacht, rauchig wie eine Daddelhalle, urban, trostlos und programmatisch: "Watching the detectives, when they shoot, shoot, shoot, shoot".

Quelle: ntv.de

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