Unterhaltung

"Tatort" aus Kiel Im Bett mit Borowski

Der schräge Eigenbrötler und die Schöne aus dem Meer ...

Der schräge Eigenbrötler und die Schöne aus dem Meer ...

(Foto: NDR/Christine Schroeder (Montage)

Abgemahnt und angezählt: Kaum ein "Tatort"-Kommissar ist so reif für die Insel wie Axel Milbergs Borowski. Als es ihn auf ein Eiland verschlägt, wird es jedoch nichts mit der Ruhe. Der Kieler bekommt es mit einer Sirene namens Famke Oejen zu tun.

"Und leise blähten sich die Segel, und leise schwamm das Schiff; man hörte das Wasser vorn am Kiel glucksen. Eine Möwe schwebte über dem Wasser dicht an uns vorüber; ich sah, wie ihre gelben Augen in die Tiefe bohrten. 'Rungholt!' rief der Schiffer. 'Rungholt!'"

(Eine Halligfahrt, Theodor Storm)

Vor Hunderten von Jahren, so die norddeutsche Sage, ist die Insel Rungholt, nordwestlich von Husum, im Meer versunken. Die Rungholter, sie sollen sich gotteslästerlich verhalten haben. So haben die Bauern ein Schwein mit Alkohol abgefüllt, einer der Priester hat dieser armen Sau dann die letzte Ölung geben müssen. Gott fand das gar nicht witzig und ließ Rungholt untergehen, überrollt von einer mächtigen Sturmflut, bei der alle Bewohner, Mensch und Tier, ums Leben kamen.

Zu heißt gebadet?

Zu heißt gebadet?

(Foto: NDR/Christine Schroeder)

Borowskis Rungholt nun heißt Suunholt - Sunn von Sünde, Holt wie Gehölz - und dort, auf dieser ebenfalls winzigen Insel, geht es mindestens genauso merkwürdig zu. Ein gewisser Oliver Teuber (Beat Marti) ist ums Leben gekommen. Als seine Geliebe Famke Oejen (Christiane Paul) vom morgendlichen Bad in den Fluten, mit Brötchen unterm Arm, ins gemeinsame Gemach zurückkehrt, findet sie Teuber tot in der Badewanne. Der war einst die Schlüsselfigur in einem Kieler Korruptionsskandal und schließlich spurlos verschwunden. Auf Suunholt hatte er sich ein neues Leben eingerichtet , so lernt der Zuschauer, und unter den Augen der miesepetrigen Inselbewohner und -bewohnerinnen eine Amour fou mit jener verhuschten Schönheit begonnen, die schon so einigen Suunholtern zuvor den Kopf verdreht hat.

Zwischen Soap und Sage

Fast wie eine Flens-Werbung ...

Fast wie eine Flens-Werbung ...

(Foto: NDR/Christine Schroeder)

Mitten hinein in ein sagenähnliches Mysterium, einen postmodernen Inseltrip Marke Theodor Storm, verschlägt es Borowski (Axel Milberg) im "Land zwischen den Meeren". Am Inselstrand begegnet er einem Schwein in Menschengestalt, am Himmel türmen sich dazu apokalyptische Wolkenberge auf, jeden Moment scheint der Kommissar hinauf in die Windhose gezogen zu werden, droht die Insel unter Blitz und Donner im Meer zu versinken. Dabei hatte sich der Kieler so sehr auf ein wenig Ruhe gefreut, stattdessen bekommt er es mit dem ersten Fall nach der Versetzung seiner langjährigen Kollegin Brandt (Sibel Kekili) mit einer der rätselhaftesten überhaupt zu tun.

Weniger klassischer "Tatort" als vielmehr atmosphärischer Nordsee-Krimi mit etwas bemüht konstruiertem Mythos-Unter- und Überbau, riskiert Regisseur Sven Bohse hier einiges: Die Traumsequenzen als dräuender Gezeiten-Kitsch, die überzeichneten Charaktere der Suunholter, dazu Milberg selbst - auch nach Jahren mit Psychologin Frieda Jung (Maren Eggert) und Sarah Brandt im gegengeschlechtlichen Miteinander keinen Schritt weiter - der nichts Besseres zu tun hat, als mit der Hauptverdächtigen unter die Decke zu schlüpfen.

Dass dieser Grenzgang dennoch funktioniert, ist Bohses konsequenter Inszenierung zu verdanken. Sein Timing zwischen Tagtraum und Taifun, zwischen Soap und Sage stimmt, die Bilder von Michael Schreitel sind naturalistisch weit, Jessica de Rooijs Score ist wunderbar "dark" und Christiane Paul, fragil und einnehmend, bezirzt nicht nur den Kommissar überaus erfolgreich.

Milbergs Borowski - das ist auch nach dreißig Fällen immer noch einer der schrägsten Eigenbrötler unter den "Tatort"-Kommissaren. Vielleicht fühlt er sich deshalb so wohl auf Suunholt, sind ihm die Bewohner, die gottestreuen Geiferer ebenso wie die maulfaulen Kneipengäste, in ihrer Verschrobenheit doch nicht unähnlich. Als hätte David Lynch einen Spot für Flensburger Pils gedreht: kauzig, kontemplativ und - Stichwort Rache der Schweine - zuweilen auch ziemlich ekelhaft.

Quelle: ntv.de

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