Unterhaltung

Letzte Worte vor dem Song Contest Mit Thomas D auf der Parkbank

"Ich langweile mich zu Tode": Thomas D.

"Ich langweile mich zu Tode": Thomas D.

(Foto: picture alliance / dpa)

Exakt 27 Stunden vor dem großen Showdown beim Eurovision Song Contest haben wir Thomas D auf einer Parkbank in Baku aufgegabelt. Okay, zugegeben, sie stand auf dem Presseareal neben der Veranstaltungshalle. Trotz des bevorstehenden Herzschlag-Finales plaudert der Mentor unseres Hoffnungsträgers Roman Lob locker im n-tv.de Interview - über Romans Chancen, die Zeit in Baku und die Situation in Aserbaidschan.

n-tv.de: Es ist soweit: Das Finale des Song Contests steht unmittelbar bevor. Was ist mit Blick auf Roman Lob und unseren Beitrag "Standing Still" dein Gefühl?

Thomas D: Ich rechne eigentlich fest mit einer Top-10-Platzierung. Wir haben einen echt guten Song. Wir haben einen guten Typen. Es ist ja dann doch immer das Gesamtpaket. Roman hat Ausstrahlung. Und er hat einen Augenaufschlag, bei dem die Mädchen schwach werden. Aber auch wenn du die Jungs fragst, dann ist er einer von uns. Das ist nicht so ein geschniegelter Typ, den man von Mann zu Mann als unangenehm empfinden würde, sondern er ist einem sympathisch.

Wie hat er sich denn bisher hier in Baku geschlagen?

Go Roman! Auch Lena wünscht viel Glück.

Go Roman! Auch Lena wünscht viel Glück.

(Foto: picture alliance / dpa)

Er macht das sehr gut. Er bleibt natürlich, er bleibt er selbst. Und obwohl er nicht über die größten Englisch-Kenntnisse verfügt, bleibt er bei den internationalen Pressekonferenzen trotzdem locker und lustig. Das kannst du eigentlich nicht lernen.

Auch du bist das erste Mal bei einem Song Contest dabei. Wie ist es für dich?

Gut gefällt mir dieses wirklich familiäre Gefühl hier. Die Länder singen nicht gegeneinander, sondern irgendwie miteinander. Ich spüre bei keinem der anderen Teilnehmer ein Gefühl von Konkurrenzdenken. Ich glaube, zu Hause am Fernseher kann man das nicht nachvollziehen. Aber ich kann jetzt verstehen, warum Leute ihren Jahresurlaub opfern und seit Jahren immer mitreisen, um dieses Gefühl und Treffen der Kulturen zu erleben.

Bist du infiziert?

(lacht) Soweit würde ich jetzt nicht gehen. Gleichzeitig fand ich die Tage hier auch lang. Wir haben sehr viel Zeit hier verbracht. Das nächste Mal würde ich später anreisen.

Wahrscheinlich ist das hier eine der letzten Chancen, dich so kurz vor dem großen Showdown noch zu erwischen. Wie stressig werden denn die letzten Stunden für dich?

Ehrlich gesagt: Ich langweile mich zu Tode. (lacht) Ich bin es ja gewöhnt, viel zu warten. Das musst du immer als Künstler. Bei Schauspielern ist es sogar noch viel schlimmer als bei Musikern. Hier in Baku wartet man auf drei Minuten. Und es sind nicht mal meine drei Minuten, auf die ich warte. (lacht) Das ist wahrscheinlich das Schlimmste. Ich kann nichts tun in dem Moment, in dem Roman auf der Bühne steht. Ich kann nur hoffen, dass wir davor genügend gearbeitet haben, um die Entspannung zu halten und Roman auf den Punkt hin am Start zu haben, damit er ausreichend loslassen und einfach nur singen kann. Das sind schon lange Wartezeiten hier. Insofern vertreibt man sich die Zeit und ist froh, wenn man mal irgendetwas gefragt wird.

Vielleicht solltest du das nächste Mal die PSP mitnehmen …

(lacht) Da hast du recht. Dann wird noch mehr gezockt.

Nicht nur über die Musik beim Song Contest wird viel diskutiert, sondern auch über die Politik in Aserbaidschan. Du hast dich gegen eine Politisierung der Veranstaltung gewandt. Warum?

Weil das hier ein musikalischer Wettbewerb ist. Kunst ist nicht politisch. Wenn der Künstler sich entscheidet, in seinen Texten und seinem Schaffen politisch zu sein, ist das seine eigene, vielleicht löbliche Sache. Aber eine Politisierung der Kunst von außen lehne ich generell ab. Es gab ja sogar Forderungen, die deutschen Musiker hier sollten Menschenrechts-T-Shirts tragen. Das ist mir sehr unangenehm aufgestoßen. Natürlich bin ich auch für die Menschenrechte, aber den Auftrag, das zu vertreten und darauf einzuwirken, hat vornehmlich die Politik. Was wir hier machen, dient auf jedem Fall der Völkerverständigung und dem Einen der Kulturen.

Wird der Song Contest instrumentalisiert?

Ich fühle mich jedenfalls da immer ein bisschen vor den Karren gespannt. Jetzt fragen alle mich zu den Menschenrechten. Ich habe das Land ja nun so ein bisschen kennengelernt. Es gab hier 70 Jahre Sowjetregime und erst vor 21 Jahren hat eine blutige Befreiung stattgefunden. Dennoch gibt es hier Frauen-Gleichberechtigung, Religionsfreiheit - trotz etwa 90 Prozent islamischer Glaubensangehöriger - und ein freies Internet. Ich sehe hier schon sehr viel Freiheit. Zugleich ist es natürlich richtig, dass wir hier so eine Art Truman-Show erleben. Wir können nur schwer hinter die Kulissen blicken. Wir können nur ahnen, was hier im Vorfeld passiert ist, wie viel von dem sonstigen Stadtbild hier entfernt und wie viel aufpoliert wurde. Wir haben gesehen, wie hier alles hochgezogen  wurde und wie sich im letzten Jahr alles wahnsinnig verändert hat - natürlich, um gut dazustehen. Ich kann verstehen, dass ein Land gut dastehen will. Das würde ich auch wollen.

Die Opposition im Land steht dem sehr kritisch gegenüber …

Ja, und ich finde es auch gut, dass die Opposition und die Medien jetzt diesen Fokus, der auf Aserbaidschan liegt, nutzen, um auf die Missstände hinzuweisen. Gleichzeitig befürchte ich ein bisschen, dass das am Montag alles vorbei ist. Dann gehen alle hier weg, gucken nicht mehr zu und wenden sich dem nächsten zu, wahrscheinlich der Ukraine. Dann werden wir auch da wieder alles anprangern. Aber es ist die Politik, die hier nachhaltig wirken muss, wenn man in diesem Land etwas verändern will.

Du sagtest es schon: Du hast jetzt eine gewisse Zeit in Baku verbracht. Wie war dein persönliches Erleben des Aufenthalts?

Das ist hier natürlich eine andere Kultur. Die Menschen sind zurückhaltend, aber sehr gastfreundlich. Man sieht sehr viel Staatsangestellte - ganz viele Uniformierte. Trotzdem: Wenn abends die Flaniermeile voll ist, dann sehe ich da sehr viele Menschen aus dem, sagen wir mal, Mittelstand. Menschen also, die nicht zur Unterschicht gehören. Sie sind ja nun auch nicht angestellt worden, um hier herum zu laufen. Neben der Armut, die hier herrscht und von der wir wissen, scheint es also trotzdem einem Teil der Bevölkerung recht gut zu gehen. Man sagt ja, die Wahlen seien nicht ganz frei gewesen. Aber im gleichen Atemzug meinen viele auch, dass der Präsident sie auf Grund der Historie sicher so oder so gewonnen hätte - er ist der Sohn vom Befreier. Und was er hier hinstellt, kommt zumindest zu einem gewissen Teil den Menschen auch zugute.

Zurück zum Contest: Du sagtest, es gibt kein Konkurrenzdenken unter den Teilnehmern. Trotzdem kann es am Ende ja nur einen Gewinner der Veranstaltung geben. Auf wen müssen wir also achten?

Anwärter auf einen guten Platz sind meiner Meinung nach die Dänen. Schweden hat eine außergewöhnliche Darbietung. Spanien könnte auch gut funktionieren. Und die russischen Omas sind, glaube ich, auch wirklich stark.

Mit Thomas D sprach Volker Probst

Quelle: ntv.de

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