"Ein bisschen krass muss sein" Mundstuhl im "geilen Ausnahmezustand"
25.05.2012, 13:14 Uhr
Ihre hessischen Wurzeln können Mundstuhl nicht verleugnen. Die beiden sind auch Fans von Eintracht Frankfurt.
(Foto: Mario Andreya)
Mit ihren Figuren Dragan und Alder gelten Mundstuhl als Erfinder der deutschen Kanack-Comedy. Aber auch ihre Charaktere C- und F-Hörnchen oder Peggy und Sandy genießen Kultstatus. Mit n-tv.de sprach das hessische Komiker-Duo Lars Niedereichholz und Ande Werner über ihre Anfänge, die Höhen und Tiefen, über die Junge Union, Schnellfickerhosen und warum für Kühe das Baden lebensgefährlich ist.
n-tv.de: Ey, korrekt, bist gut drauf? Hallo Lars Niedereichholz, hallo Ande Werner, hallo Mundstuhl! Ihr wolltet ja eigentlich Rockstars werden, mit allem Drum und Dran - also Sex, Drugs and Rock 'n' Roll. Eure Eltern hatten Angst, dass ihr "Hartgeldstricher" werdet …
Lars: (Lacht) Ja genau. So haben wir uns ja eigentlich kennengelernt. Erzählen wir immer zumindest: Der Ande war Hartgeldstricher an der Südseite des Frankfurter Hauptbahnhofs und ich war sein bester Kunde. Weil Ande aber in dem Job keine Weiterentwicklungsmöglichkeiten für sich gesehen hat, hat er sich dann entschieden, dass wir besser Comedy zusammen machen.
Jetzt seid ihr Comedy-Stars, seit mehr als 15 Jahre im Geschäft. Müssen eure Eltern noch Angst um euch haben?
Lars: Nee, die Eltern sind zufrieden jetzt. Auf jeden Fall!
Seid ihr schon Millionäre?
Lars: Naja, wenn man Comedy macht, verdient man schon gut Geld. Keine Frage. Wir haben auch keine Scheu, da offen drüber zu sprechen. Viele Kollegen tun ja so, als ob sie noch in einer Studentenbude hocken. Das ist bei uns nicht so. Finanziell passt das schon alles. Aber wir haben jetzt auch keine Golfplätze und zig Autos vor der Tür. Uns geht’s nicht wie 50 Cent!
Könnt ihr euch noch erinnern, was ihr am 18. November 1995 gemacht habt? Wo ihr wart?
Lars: (Grübelt) Da waren Ande und ich in Hamburg, im Marquis …
Ihr wart mit euren damaligen Rockbands auf einer gemeinsamen Tour?
Lars: Genau. Es war eine unglaublich erfolglose Tournee. Und es war der letzte Abend. Der Abschluss quasi. Von da an konnte es nur noch aufwärts gehen. Ich hab mich mit Ande getroffen, wir haben uns richtig gut verstanden, hatten viel Spaß. Und dann ein paar Monate darauf habe ich ihn angerufen.
Und gefragt, ob er nicht Bock hat, Comedy zu machen?
Lars: Ja. Ich hatte das Gefühl, das klappt nicht mehr mit der Rockmusik. Obwohl meine Band 1994 den Deutschen Rockpreis gewonnen hat und Andes Band Opener für Overkill waren, ist halt nichts rumgekommen dabei. Außerdem hatte ich halt das Rumschleppen der Riesen-Bassboxen satt. Und so haben wir uns dann im Frühjahr 1996 regelmäßig getroffen und alles aus dem Boden gestampft: Sketche geschrieben, Charaktere erfunden wie Dragan und Alder. Die Sony ist auf uns aufmerksam geworden, hat uns gesignt, Radiosender haben Dragan und Alder gespielt. Und auf einmal, nach den harten Lehrjahren der Rockmusik, hat alles ganz unproblematisch funktioniert, ineinandergegriffen.
Apropos Dragan und Alder. Damit geltet ihr als Erfinder der deutschen Kanack-Comedy. Wie sind die beiden Figuren entstanden?
Ande: Es lag bissi auf der Hand, zu der Zeit Immigranten-Comedy zu machen. Ich hab zu der Zeit in Offenbach in einem Kampfsportstudio gearbeitet und habe die Jungs halt live erlebt: "Isch hab krass 3er. Isch hab tiefergelegt. Isch hab krass Handy". Absolut monothematisch. Es ging immer nur um Statussymbole. Irgendwann hab ich dann zu Lars mal gesagt: "Ey Alder, mein Handy is stärker wie dein Fax." Das war die Geburtsstunde von Dragan und Alder.
Wo holt ihr sonst die Ideen für eure Figuren her?
Ande: Das liegt tatsächlich alles auf der Straße. Ist vielleicht auch vergleichbar mit einem Fotografen: Der sieht irgendwann ein Motiv, hält einfach drauf und zack. So isses bei Lars und mir auch: Wir fahren beispielsweise durch die neuen Bundesländer und im Radio läuft eine Sendung über Abwanderung und dass die jungen Leute doch im Osten bleiben sollen. Daraus sind Peggy und Sandy entstanden.
Am Anfang eurer Karriere hieß es, ihr seid wie Badesalz, nur härter …
Ande: Ja. Das liegt ja irgendwie auch auf der Hand: Wir sind beide Duos, wir babbeln beide Frankfurter Hessisch so ein bissi. Aber es gibt auch Unterschiede: Wir sind politisch vollkommen unkorrekt und Badesalz sind etwa zehn Jahre älter. Ich fand Badesalz jedenfalls immer super.
Und wie sieht’s mit anderen Comedy-Stars aus? Dragan-und-Alder-Parodien schossen ja Ende der 1990er wie Pilze aus dem Boden: Kaya Yanar und Erkan & Stefan. Gab es da Rangeleien oder Stress mit denen?
Ande: Nee, nee. Aber wir hatten ja auch nicht nur Dragan & Alder. Zwar haben uns damals viele "Kenner der Szene" geraten, uns nur auf die beiden zu konzentrieren, nur Kanack-Comedy zu machen. Aber mal ehrlich, jeden Abend auf der Bühne anderthalb bis zwei Stunden "Ey, Alder" "Ey, Dragan, was geht?" Das hätte uns selbst gelangweilt. Von daher war es uns schon von Anfang an immer wichtig, auch andere Charakterenpärchen machen zu können. Dazu noch ein paar Musikstücke …
Apropos Musikstücke: Ihr hattet mal einen Peter-Maffay-Song "abgewandelt", was der aber gar nicht so lustig fand, oder?
Ande: Naja. Es gibt einen Song von ihm, der heißt: "Du hattest keine Tränen mehr, gestern als wir uns trafen. Du zittertest, dein Blick war leer …" Daraus haben wir dann gemacht: "Du hattest keine Regel mehr, nach den Wechseljahren. Du zittertest, dein Slip war leer …" Das haben wir ihm dann geschickt, ob er uns die Freigabe dafür gibt. Das hat er nicht. Und damit war der Fall erledigt. Ganz ohne Stress.
Mit der Jungen Union in Hessen hattet ihr aber mal richtig Stress?
Ande: Die Junge Union hat uns ja nachgemacht. Die wollte ja auf der Dragan-und-Alder-Erfolgswelle schwimmen, haben sich ganz dreist der beiden Charaktere bedient - aber nix dafür bezahlt! Und ohne uns zu fragen. Das kommt noch dazu. Lars und ich schreiben uns auf die Fahnen, vollkommen unpolitisch - was die Comedy betrifft - zu sein und dann sitzt du im Kino und siehst einen CDU-Wahlwerbespot und denkst dir, dich tritt ein Pferd: Wann haben wir den denn gemacht? Die sahen aus wie wir: einer mit ner Glatze, Bomberjacken, Schnellfickerhosen von Adidas. Die haben gesprochen wie wir. Die beiden waren unseren Figuren zum Verwechseln ähnlich und von daher sind wir da n bissi ausgetickt und sind gerichtlich dagegen vorgegangen. Mit Erfolg.
Zurück zu ernsten Themen: Es gab auch schwierige Zeiten für Mundstuhl. Stichwort 11. September 2001. Danach wollte fast niemand mehr derbe Comedy hören. Was habt ihr dagegen gemacht?
Lars: Ja, das stimmt. Das waren damals ein, zwei nicht so tolle Jahre. Etwas groß dagegen unternehmen konnte man nicht. Außer am Ball bleiben. Die Auftritte gab es ja noch, aber die Hallen wurden halt kleiner. Es wurden kleinere Brötchen gebacken sozusagen. Wir haben damals aber auch etwas getan. Gegenmaßnahmen ergriffen sozusagen: Wir haben unseren Größenwahn eingedampft, sind nicht mehr wie die Scorpions mit einem eigenen PA-Truck durch die Lande gereist. Für zwei Leute, die mit zwei Mikrofonen auf der Bühne sitzen. Wahnsinn, oder? Wir haben uns quasi neu erfunden, neue Charaktere entwickelt, neue Sketche und irgendwann lief es dann wieder, die Flaute war vorbei.
Damals sind auch die beiden Figuren Peggy und Sandy entstanden. Peggy, 23, zwei Mal geschieden und drei Kinder, die ihr schon weggenommen wurden; Sandy, gerade 24 und schon zweifache Oma …
Lars: (Lacht) Genau! Die beiden ostdeutschen Jungmütter aus dem Plattenbau mit jeweils drei Kindern von verschiedenen Vätern. Voll aus der Realität gegriffen, nicht erfunden - höchstens ein bisschen überspitzt. Die beiden haben sich mittlerweile zu unglaublich beliebten Charakteren entwickelt.
Und beide kommen aus Zeulenroda. Wieso gerade aus Zeulenroda?
Lars: Wir kennen Zeulenroohdaa nicht. Wir waren auch nie in Zeulenroohdaa. Wir sind aber irgendwann mal an einer Ausfahrt Zeulenroda vorbeigefahren und haben danach minutenlang nur das Wort Zeulenroohdaa vor uns hingemurmelt. Haben festgestellt, dass man es so scheiße aussprechen kann und das es vom Klang her schon so lustig ist, dass Peggy und Sandy irgendwann halt aus Zeulenroohdaa gekommen sind. Noo?!
Und wie kommen Peggy und Sandy in ihrer Heimat an, im Osten der Republik?
Lars. Gut! Sehr gut sogar. Es ist sowieso so, dass wir es lieben dort zu spielen. Und nicht nur, weil die Straßen dort besser sind. Sondern ganz einfach, weil die Leute dort so gut drauf sind. Sehr lustige und nette Menschen. Wir spielen außerordentlich gern dort. Leipzig ist eine Hochburg von Mundstuhl.
Was macht den seit Jahren andauernden Erfolg von Mundstuhl aus?
Lars: Unseren Erfolg? Das wir immer auf verschiedenen Hochzeiten getanzt haben. Mit dem Song "Wenns Herzerl brummt, ist‘s Arscherl gesund" sind wir beispielsweise mitten in den Apres-Ski-Hype reingegangen. Als Schauspieler haben vier abendfüllende Spielfilme (Die "Crazy Race"-Reihe auf RTL, Anm. des Red.) gedreht. Dann unsere erfolgreichen Charakteren wie Dragan und Alder, Peggy und Sandy, C- und F-Hörnchen. Aus den Hörnchen sind dann beispielsweise die Klingelton-Tassen entstanden: "Du kannst mich am Arsch lecke".
Stichwort verschiedene Hochzeiten: Ihr habt ein Buch geschrieben. Wieso das denn?
Ande: Lars ist in unserer Firma der Archivator. Der Time System Planer. Und der hat halt die ganzen alten Terminplaner noch und bevor das ganze irgendwann mal bei einem Umzug verloren geht, haben wir uns gedacht, wir schreiben das mal auf. Und im Herbst 2010 haben wir uns getroffen, in zwei Wochen 10 bis 15 Seiten Leseprobe verfasst - drei Geschichten - und zum Glück einen Verlag gefunden. Und nun ist es seit ein paar Wochen auf dem Markt und in der 2. Auflage.
Wie kam zu dem Titel "Ein bisschen krass muss sein"? "Mütze Glatze, Mütze Glatze" hätte doch auch prima gepasst …
Ande: (Lacht) "Mütze Glatze" hätte auch gepasst. Stimmt. Aber das wollte der Verlag nicht: zu schlüpfrig. Dann haben wir unsere Fans über Facebook gefragt und einer der Titel war halt: "Ein bisschen krass muss sein". Das gefiel uns, auch wenn wir danach den ganzen Tag Roberto Blancos "Ein bisschen Spaß muss sein" nicht mehr aus dem Kopf bekommen haben.
Ihr arbeitet gerade an einem neuen Programm. Könnt ihr daraus schon etwas verraten?
Ande Werner und Lars Niedereichholz sind Mundstuhl. Im Herbst erscheint ihr neues Programm "Ausnahmezustand".
Lars: Ja: Das Programm heißt "Ausnahmezustand". Und das Plakat dazu ist das geilste, was wir je hatten. (Lacht) Aber wir haben gerade erst angefangen, daran zu schreiben. Deswegen kann ich noch nicht mehr dazu sagen - außer, das es wirklich geil wird.
Und zu dem zerstörten Hotelzimmer in Nordhorn?
Lars: Ja. Aber das war auch berechtigt! Es war Tour-Abschluss. Der war selbst nur suboptimal. Aber die Tour war halt extrem erfolgreich. Und da haben wir uns gedacht: Lassen wir's mal krachen und haben uns noch zwei, drei Bierchen gegönnt. Und morgens um Viertel nach sieben ging die Schlagbohrmaschine direkt neben meinem Ohr an. Und auch nach mehreren Bitten und Hinweisen unsererseits, dass es doch noch extrem früh sei, und es keine Reaktion gab - bin ich halt ein bisschen sauer geworden. Aber so Sachen haben bei mir ganz stark nachgelassen in letzter Zeit. So cholerische Anfälle habe ich nur noch ganz selten, zwei Mal im Jahr. Das Ritalin wirkt. (Lacht) Nein, Quatsch!
Und zum Abschluss - ganz nach dem Motto "Jetzt seid doch mal lustig" - noch eine weltbewegende Frage: Wie kommt man eigentlich darauf, dass Kühe keinen Schließmuskel haben?
Lars: Ja, ganz einfach: Kühe haben einfach keinen Schließmuskel. Das ist ein medizinischer Fakt! Aber warum das so ist: keine Ahnung. Vielleicht, damit sie leichter kacken können, damit es nicht so anstrengend ist wie bei uns Menschen, wenn man mal einen schlechten Tag hat. (Lacht) Kühe sind ja auch total faule Tiere! Die stehen ja nur auf der Weide rum und glotzen dumm. Aber ohne Schließmuskel ertrinken Kühe halt auch, wenn sie mal baden gehen. Die laufen dann nämlich einfach voll - und gehen unter. Aus die Maus!
Voll korrekten Dank!
Mit Mundstuhl sprach Thomas Badtke
Quelle: ntv.de