"Ein Hochmut" der Regie Peymann rechnet ab
27.11.2010, 13:24 Uhr
Claus Peymann klagt über das gegenwärtige Theater.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Regisseur und Intendant des Berliner Ensembles, Claus Peymann, ist über den "traurigen Zustand" des Gegenwartstheaters entsetzt und sieht es auf dem Weg in den Niedergang. Das Theater habe seine "subversive Kraft" verloren und sich selber aufgegeben, "außer Gefecht gesetzt", sagte der 73-Jährige bei der Buchvorstellung des Theater- und Kunstkritikers Peter Iden.
Iden stellte ein e Sammlungseiner Theaterkritiken für die "Frankfurter Rundschau" seit den frühen 60er Jahren vor, darunter die ersten Kritiken über Peter Steins und Peymanns Anfänge an der Berliner Schaubühne am Halleschen Ufer. Iden pflichtete Peymann in der Analyse bei und meinte, das gegenwärtige Theater sei "oft fantastisch schlecht und widerwärtig falsch".
Für Peymann ist das Theater selbst verschuldet "in ein e Nische der Gesellschaft" geraten, das zeige auch, "wie wenig wichtig wir heute sind". Das eigentlich Bedrohliche sei aber, "dass wir uns auch selber nicht mehr ernst nehmen, ... wir haben den heiteren Ernst für unseren Job verloren". Hinzu komme ein e weit verbreitete"Abschaffung der Literatur, die Zerstörung der Texte" im Theater - ein "Hochmut der Regie". Übrig bleibe die Erwartung der Öffentlichkeit an Spektakuläres auf der Bühne.
Peymann hatte kürzlich seinen als Intendant des früheren Brecht-Theaters am Schiffbauerdamm bis 2014 verlängert. Er ist seit 1999 Chef am Bertolt-Brecht-Platz gegenüber dem Bahnhof Friedrichstraße. Zuvor war er Theaterchef am Stuttgarter Staatstheater, am Schauspielhaus Bochum und am Wiener Burgtheater. In den vergangenen Jahren drohte Peymann immer wieder mit Weggang, weil er sich bei der Verteilung staatlicher Zuschüsse nicht ausreichend berücksichtigt sah. Schlagzeilen machen regelmäßig auch seine Auseinandersetzungen mit dem Dramatiker Rolf Hochhuth, der über die Ilse-Holzapfel-Stiftung Eigentümer der Theaterimmobilie am Schiffbauerdamm in Berlin-Mitte ist.
"Reißzahn im Regierungsviertel"
"Wenn ich gehen sollte, dann will ich im Triumph das BE verlassen, und die Berliner sollen sich noch in 20 Jahren weinend an mich erinnern", sagte Peymann ein mal. Als "Reißzahn im Regierungsviertel" ist er in der Hauptstadt angetreten. Politisches Theater hat sich Peymann bis heute auf die Fahnen geschrieben. Dabei verschreibt er sich - anders als Frank Castorf an der Berliner Volksbühne und viele jüngere Theatermacher - bei Klassikern wie zeitgenössischer Dramatik aber der respektvollen Werktreue.
An der ein stigen Brecht-Bühne arbeitet der Intendant und Regisseur regelmäßig mit Robert Wilson, Peter Stein und Klaus Maria Brandauer zusammen - was dem Theater ein e sehr gute Zuschauerauslastung beschert. Gerade erst hatte am Berliner Ensemble Katharina Thalbachs Inszenierung von Brechts "Im Dickicht der Städte" Premiere.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa