Uns bleibt immer Rostock "Polizeiruf 110" im Lonely Hearts Club
01.03.2015, 21:45 Uhr
Ein gutes Team: Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau.
(Foto: dpa)
Es herrscht einiges an Verwirrung in Rostock: Der Hauptverdächtige hat sein Gedächtnis verloren, Bukow endgültig seine Frau, Katrin König lässt die Vergangenheit nicht ruhen und Druck von ganz oben sabotiert die Ermittlungen. Gut, dass es Bob Dylan gibt.
In der Vorwoche erst hat man den Abschied des grandiosen Joachim Król von der "Tatort"-Bühne betrauert, da naht aus Rostock schon verlässlicher Trost. Die Regel hat auch weiterhin Bestand: Wenn Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Alexander Bukow (Charly Hübner) für "Polizeiruf 110" ermitteln, bedauert man spätestens beim Abspann, dass man dieses Krimi-Vergnügen nicht wöchentlich genießen kann.
"Sturm im Kopf" heißt der 11. Fall des Duos aus der Hansestadt und den rauhen Wind bekommen diesmal so ziemlich alle zu spüren: Achim Hiller verdient als Chef eines Windkraft-Konzerns sein Geld, jedenfalls so lange, bis er mit einigen Kugeln in Kopf und Körper tot aufgefunden wird. Max Schwarz (Christian Friedel) ist dringend tatverdächtig, hat jedoch nur Nebel im Kopf und kann sich an nichts erinnern. Was nicht so schlecht ist, gesellt sich zu dem möglichen Mord und den Folgen doch auch noch eine treulose Ehefrau (Marie Leuenberger).
"Krimi der verlassenen Männer"
Bukow bekommt ebenfalls mächtig Gegenwind, nicht zuletzt, weil er weiter Seite an Seite mit seinem Rivalen Thiesler (Josef Heynert) ermitteln muss. Bukows Frau derweil gibt nicht nur dem Liebhaber den Laufpass, auch für ihren Gatten ist die Zeit abgelaufen. "Es hat sich beim Schreiben ergeben, dass dies der Krimi der verlassenen Männer wird" erzählt Autor Florian Oeller im Interview, "Bukows gescheiterte Ehe spiegelt zeitlich versetzt das Ehedrama von Schwarz wider, Thieslers Hoffnungen auf eine Beziehung werden enttäuscht, Pöschel wird im Anlauf einer Liebesaffäre bitter ausgebremst. Aus der Geschichte heraus entstanden ist also ein Lonely Hearts Club." Unglaublich eigentlich, wie bei einem solchen Wust an Subplots nicht nur die Spur gehalten wird, sondern sich auch ein verzwicktes Täterrätsel entfaltet.
Dabei kann man sich kaum entscheiden, an welchem Schauplatz eigentlich die größte Spannung herrscht: Im Mordfall um Schwarz, dem Mann ohne Gedächtnis, der zumindest noch über soviel Gehirnmasse verfügt, dass er seiner Frau den Laufpass gibt oder vielleicht im Wirbel rund um den am Abgrund tänzelnden Bukow? Oder doch bei Pöschel (Andreas Guenther), der auf Freiersfüßen wandelt, souverän Spieße umdreht, um dann im stillen Kämmerlein am Kopiergerät doch heimlich ein paar Tränen zu verdrücken?
Das Ruder in der Hand
Katrin König holt zudem erneut die Vergangenheit ein. Wieder einmal weht der eisige Wind der Vergangenheit durch ihr Innenleben und auch das fühlen wir ebenso mit wie die Wut über den Einfluss von ganz oben, da hier erneut Politik und Polizeiarbeit in gegensätzliche Richtungen arbeiten.
Während in vielen "Tatort"-Folgen selbst simpelste Seitenstränge wie Wohnungsrenovierung, alleingelassene Katzen oder der Verzehr von Currywürsten nur mit grober Naht eingewoben werden, behält Regisseur Christian von Castelberg auch im größten, Verzeihung, Orkan das Ruder fest in der Hand. Gibt den Dialogen ihren Platz, lässt oftmals die zerfurchten Gesichter für sich sprechen und forciert dort das Tempo mit einfallsreicher Kamerarbeit und schnellen Schnitten, wo Crime über Passion dominiert.
So bekommt er auch am Ende die richtige Kurve, lässt Katrin König den Musenkuss spüren, als sie das alles entscheidende Passwort heraustüftelt: Blowing in the Wind. Am Ende lautet die Antwort immer Bob Dylan. In einer Szene liegen König und Bukow einander haltend auf der steinigen Erde. Während alles den Bach runtergeht, haben diese beiden zumindest noch einander. We’ll always have Rostock. Mehr davon. Bald.
Quelle: ntv.de