Glückwunsch, ihr Opfer! Raab, der König der Schlachtbank
20.12.2015, 10:25 Uhr
Ein Liedchen für "Angie": Raab widmete der Kanzlerin einst den vielzitierten Rolling Stones-Hit.
(Foto: imago stock&people)
Stefan Raab ist TV-Geschichte - und nicht wenige wird das freuen. Der Entertainer konnte fies sein. Richtig fies. Fipsi, Naddel und Calli dürften künftig also ruhiger schlafen. Denn als Stichwortgeber für den "Raabinator" gehen auch sie jetzt in Rente.
Nein, Mitleid ist nicht angebracht für Stefan Raabs prominente Lieblingsopfer. Wer es geschafft hat, über 16 Showjahre hinweg ganz oben auf seiner "TV Total"-Abschussliste zu stehen, hat vieles richtig gemacht. Manch ein C-Promi versuchte bis zuletzt, mit völlig absurden Auftritten im Trash-TV auf Raabs Radar zu erscheinen. Eine, die es immer wieder - ganz unfreiwillig - geschafft hat, war Nadja abd el Farrag. Jahrelang war alles, was die Bohlen-Ex tat, eine Steilvorlage für platte Pointen. Naddel auf der Erotik-Messe, Naddel im Dschungel, Naddel bei "Big Brother". Dankbarer Stoff für Raab. "Naddel im Container - oder wie wir sagen: Im Zwischenlager! Auch die männlichen Bewohner haben sich gefreut: Hurra, endlich mal 'ne neue Matratze!" Autsch.
2003 setzte sie sich trotzdem auf die "TV Total"-Couch - und stellte ihre Autobiografie "Ungelogen" vor. Das Lamm legte sich arglos auf die Schlachtbank. Und Raab war der Metzger. Immerhin: Auch ihrem langjährigen Lebensgefährten Dieter Bohlen erging es nicht viel besser. Doch die beiden Alphatiere trafen sich zumindest auf Augenhöhe: Sogar ein Raabigramm gab's für Bohlen. Fast schon ein Ritterschlag - wenn auch einer mit der Keule. "Ein Mann, der stets weiß, was den Menschen gefällt", textete Raab zum Ralph-Siegel-Klassiker "Ein bisschen Frieden". "Ein Typ, der die Herzen der Frauen erhellt/ Ein Mensch, der viel Grips hat und strahlt wie ein Licht/ Ja, all das bist du nicht." Schön, oder?
Freispruch für das Fett
Was Dieter aber - im Gegensatz zu Naddel - konnte, war Kontra geben. "Ach, guck' mal", flötete er und zupfte Raab an den dicken Bäckchen. "Seitdem er endlich mehr Zuschauer hat und alle seine Sendung gucken, seitdem nimmt er zu." Dickenwitze - das war eigentlich immer Raabs Paradedisziplin gewesen. Und besonders viel Angriffsfläche bot ihm Reiner Calmund. Für den einstigen Fußballfunktionär zwängte sich Raab gleich mehrfach in den Fatsuit. In diesem Aufzug bestellte er Würstchen bei Uli Hoeneß, oder ertränkte anderthalb Kilo Speck in "Callis Öl-Salat". Selbst Axel Schulz wollte den nicht kosten. "Freispruch, Freispruch für das Fett", sang Raab ungerührt im Namen des Ex-Leverkuseners. "Darum ess' isch ab heut' nur noch Mett."
Raab stand humoristisch immer eher fürs grob Gehackte - aber er hatte ein feines Gespür für dankbare Opfer. Philipp "Fipsi" Rösler war eines davon. Der einstige FDP-Vizekanzler glich einer jungfräulichen Leinwand, als er 2011 - gefühlt über Nacht - an die Spitze der Freien Demokraten gewählt wurde. Jeder Versprecher ("Ich, der Bundesfurze"), jeder schlechte Witz ("Im Vatikan ist der Teufel los - aber in Berlin regiert seine kleine Schwester") qualifizierte ihn vortrefflich als Läster-Objekt für Raabs Show. Als er abtrat, war Raab untröstlich. Seine Fipsi-Buchreihe ("Fipsi kann die ganze Nacht") zündete mit dem neuen Vize, Sigmar "Fat Siggi" Gabriel, einfach nicht.
Raabs Schlacht um RTL
Raab hasste es, eine Pointe zu verschenken. Das passierte nicht oft. Aber es passierte. An einigen seiner Opfer biss sich der Moderator die Zähne aus - wie an Angela Merkel. Nach einem netten Plausch bei der "Johannes B. Kerner"-Show 1999 wollte er der damaligen CDU-Generalsekretärin ein Ständchen auf der Ukulele bringen. "Jetzt nicht", motzte die Politikerin und ließ Raab wie einen dummen Schuljungen im Flur stehen. Er sang trotzdem. Im Studio. Vor ihrem Porträt. Und es war sogar ein Liebeslied - irgendwie. "Angie! Aaaangie! Du bist noch schärfer als die Nolte/ Angie! Aaaangie! Obwohl ich die schon auch nicht wollte." Wer Raab damals - in den ersten Jahren von "TV Total" - abblitzen ließ, wusste es noch nicht besser. Die Niederlage schmeckt ihm einfach nicht.
Um Nachtjournal-Veteran Heiner Bremer, dem Godfather of Versprecher, humoristisch das weiße Haupt zu teeren, rief Raab seinerzeit sogar die "Schlacht um RTL" aus. Seine Versuche, das Kölner Sendegelände wahlweise in Ninja-Kluft oder Pappkarton zu entern, scheiterten stets schon beim Pförtner. Raab, der Stalker - das gab es nur einmal. Nachts um 0.44 Uhr an einem Samstag vorm RTL-Eingangstor. Dabei wollte er doch nur "Heiner geht noch, Heiner geht noch ein!" für sein langjähriges Läster-Opfer schmettern. Das tat er dann auch. Es sei ihm gegönnt.
Quelle: ntv.de